Das Diesel-Debüt

ANGEPASST In den nächsten Jahren soll viel ­passieren bei Cadillac, auch in Europa. Noch müssen sich die Käufer mit einem neuen Kompakt-SUV zufriedengeben – das aber durchaus überzeugt.

Wenn man von neuen und sehnlich erwarteten GM-Modellen spricht, kommt einem unausweichlich eines in den Sinn: die neue Corvette. Die soll aber frühestens im zweiten Halbjahr 2021 nach Europa kommen, wie René Kreis, PR-Chef von Cadillac Europe, erklärt. Unter anderem, weil die für Europa nötigen Modifikationen am Fahrzeug wegen Corona unterbrochen werden mussten.

Erfrischende Optik
So hat Cadillac, die Premiummarke von GM, im Moment nur ein Fahrzeug im Angebot: den XT4. Das Segment der Kompakt-SUV ist wohl aktuell das am härtesten umkämpfte, unabhängig von der Preisklasse. Als Nischenmarke sieht Cadillac trotzdem eine Chance, einen kleinen Marktanteil erobern und den drei deutschen Platzhirschen – Mercedes-Benz GLA, Audi Q3 und BMW X2 – einige Käufer abjagen zu können.

Dass der amerikanische Hersteller mit einem SUV nach Europa kommt, ist natürlich nicht überraschend, schliesslich ist dies aktuell der am schnellsten wachsende Markt – und General Motors hat SUV im Überfluss im Line-up. Dass auch eine Markteinführung des XT4 in Europa ins Auge gefasst wird, hat Cadillac bereits bei der Präsentation des Modells im Frühling 2018 angedeutet. 

Das Konzept des europäischen XT4 ist alles andere als amerikanisch: Das Launch-Modell, das ab 10. Oktober bei den Händlern steht, kommt mit einem Zweiliter-Dieselmotor. Später folgt dann ein neu entwickelter Vierzylinder-Benziner. So ganz europäisch ist das Antriebskonzept aber auch wieder nicht, denn eine Hybrid- oder sogar Plug-in-Hybridvariante wird es nicht geben, ebensowenig leistungsstarke Motorisierungen. Ob dieses Motorangebot in Europa – und im Speziellen in der Schweiz – heute noch ausreicht, um erfolgreich zu sein, wird sich weisen. 

Abheben vom bekannten Einheitsbrei kann sich der XT4 vor allem mit seinem Design. Bei den Proportionen gibt es wenig Überraschungen, die sind typisch für ein Kompakt-SUV. Der Grill, die riesigen, stehenden Scheinwerfer, die Heckleuchten – die Designsprache von Cadillac ist hierzulande selten und angenehm erfrischend. 

Vor allem aufs Heck mit den L-förmigen Leuchten habe man bei der Gestaltung des XT4 besonderen Wert gelegt. Das junge Designteam habe das Auto von hinten nach vorne gezeichnet, so erzählt man uns, anstatt von vorne nach hinten.

Ein seltenes Bild: Cadillac ist in der Schweiz nicht gerade übervertreten, das Marken­gesicht eine erfrischende Abwechslung.

Ein Diesel für Europa
Der auch aus der Fahrerposition markant sichtbare Powerdome ist mehr Schein als Sein, der Vierzylinder-Diesel hätte mit Sicherheit auch ohne ihn problemlos Platz gefunden unter der Haube. Der Zweiliter-Diesel beweist, wie ernst es GM meint mit den Plänen, die man für Cadillac in Europa hegt. Er kommt ausschliesslich auf dem europäischen Markt zum Einsatz und wurde auch in Europa entwickelt. Die Basis stammt noch aus einer Kooperation mit FCA und ist eine Entwicklung des Multijet-Aggregates. Zur Effizienzsteigerung und Erreichung der Euro-6d-Norm haben die Ingenieure verschiedene technische Massnahmen ergriffen, so beispielsweise den in den Zylinderkopf integrierte Auspuffkrümmer. Ausserdem kommt ­eine aktive Temperaturregelung zum Einsatz, die Motor und Getriebe umfasst. Dies kommt vor allem der Effizienz des Getriebes zugute, da das Automatenöl so schneller auf Betriebstemperatur gebracht werden kann.

Der Dieselmotor liefert 128 kW (174 PS) bei 3500 U/min sowie ein Drehmoment von 381 Nm zwischen 1500 bis 2750 U/min und ist mit einem Neunstufen-Automatikgetriebe gekoppelt, das wahlweise mit Front- oder Allradantrieb erhältlich ist. In der Launch Edition ist ausschliesslich der Dieselmotor mit Allradantrieb erhältlich, mit dem wir bereits eine erste Testfahrt unternehmen konnten. Die Geräuschkulisse, vor allem bei Kaltstart, ist gewöhnungsbedürftig. Wirkliche Laufruhe hört und fühlt sich anders an, das dieseltypische Nageln ist im ersten Moment unerwartet präsent, nicht nur akustisch, sondern tatsächlich auch spürbar. Sobald das Aggregat hingegen Betriebstemperatur erreicht hat, wird es dann zum Glück ruhiger. Mit seinem Drehmoment von 381 Nm, das bereits sehr früh anliegt, schiebt er überzeugend an, oben heraus fehlt es ihm dann etwas an Leistung. Die 174 PS sind für das 1.7-Tonnen-SUV zwar nicht knausrig, aber eben auch nicht übermässig übertrieben. Beim Zwischenspurt auf der Autobahn meldet sich der Motor so wieder deutlich, wenn er plötzlich gefordert wird. Ansonsten lässt es sich im XT4 dank der gängigen Fahrassistenten wie des adaptiven Tempomaten und Spurassistenten entspannt rollen.

Je nach Fahrmodus (Tour, Sport, AWD, Offroad, Snow/Ice) wird die Hinterachse komplett entkoppelt, um den Widerstand im Antriebsstrang zu minimieren. Über zwei Kupplungen zwischen dem Hinterachsgetriebe und den jeweiligen Antriebswellen kann das Drehmoment variabel zwischen den beiden Hinterrädern verteilt werden. 

Wer den Blick in die USA wirft und hofft, dort im XT4 einen mächtigeren V6 vorzufinden, wird enttäuscht, dort ist der Zweiliter-Turbobenziner die einzige Motorisierung im Angebot. Dieser ist eine Neuentwicklung von GM und kommt in einer nächsten Etappe 2021 auch nach Europa. Der Vierzylinder wartet unter anderem mit einer Ventilhubumschaltung und Zylinderabschaltung auf und leistet 169 kW (230 PS) bei 5000 U/min und 350 Nm bei 1500 bis 4000 U/min. Der Benziner ist ausschliesslich mit Allradantrieb erhältlich.

Das Cockpit ist übersichtlich und praktisch,
das Acht-Zoll-Infotainment wirkt klein. Insassen und Gepäck finden genügend Platz.

Sportorientiert
Die Fahrt im XT4 gestaltet sich angenehm, erst recht auf den beheizten, belüfteten und mit Massagefunktion ausgestatteten Vordersitzen. Aber auch auf der Rückbank sitzt es sich dank genügend Beinfreiheit angenehm.

Das adaptive Fahrwerk regelt die Dämpfer automatisch im Zwei-Millisekunden-Takt und passt sich stets den Strassenbegebenheiten an. Das macht sich durchaus bemerkbar. In den komfortorientierten Fahrmodi werden so die meisten Fahrbahnunebenheiten vom Fahrwerk geschluckt, während im Sport-Modus die Dämpfer spürbar straffer und zwar nicht sportlich, aber immerhin sportorientiert werden. Die Lenkung ist hinreichend präzise und direkt, die Hinterachse ist konstant zugeschaltet. Das Antriebsmoment geht natürlich weiterhin primär an die Vorderachse, und im Zweifelsfall schiebt der XT4 auch über selbige.

Für ein konstantes Pedalgefühl kommt ein elektrohydraulischer Bremskraftversärker zum Einsatz, der die Bremskraft bedarfsgerecht regelt und auch den Notbremsassistenten beinhaltet. 

Neue Ausstattungslinien
Cadillacs kleinstes SUV wartet mit den drei Ausstattungslinien Luxury, Premium Luxury und Sport auf, Letztere lässt sich optisch vor allem an den schwarzen Zierelementen – am Kühlergrill und an den Rückleuchten – von den anderen beiden Linien unterscheiden. Zur Markteinführung gibt es ausserdem eine Launch Edition. Die Ausstattung ist bei allen Varianten umfassend, Head-up-Display sowie belüftete und gekühlte Ledersitze mit Massagefunktion gehören überall dazu. Optisch wirkt das Gesamtpaket etwas altbacken, vor allem auch wegen des relativ kleinen Acht-Zoll-Infotainment-Bildschirms. Immerhin: Die Bedienung der Klimaanlage sei aus Gründen der Ergonomie weiterhin über physische Knöpfe möglich, betonte PR-Chef René Kreis bei der Präsentation. Die Preise für die üppig ausgestattete Launch Edition beginnen bei 50 950 Franken, mit der Einführung des Benzinmotores und der regulären Ausstattung 2021 fällt der Einstiegspreis dann auf 42 300 Franken. Auch preislich bewegt sich der XT4 somit in einem hart umkämpften Gebiet. Er wird wohl eher das Modell für Individualisten bleiben als eines für die breite Masse.

Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der AUTOMOBIL REVUE.

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