Mit Strom gegen den Strom

GEWAGT Mazdas erstes Serien-Elektroauto bietet kaum genügend Reichweite, um sich im Markt wirklich ­durch- setzen zu können. Eine für Mazda typisch eigenwillige Lösung könnte diese Schwäche allerdings zur grössten Stärke machen.

Um das erste E-Auto von Mazda richtig einordnen zu können, muss in den Annalen geblättert werden. Damals, 1920 in Japan, startete Toyo Koygo als Korkfabrikant, unternahm erste Versuche mit dreirädrigen Nutzfahrzeugen und versuchte sich nach dem Krieg vermehrt auch im PW-Bau. Und als 1960 der Mazda R360 Coupé endlich vom Fliessband rollte, war die Entwicklung einer anderen Idee bereits weit vorangeschritten.

Schon 1919 hatte der junge deutsche Ingenieur Felix Wankel den Traum, ein Auto anders als mit dem klassischen Hubkolbenmotor anzutreiben. Die Technologie war zwar nicht ganz neu, jedoch war es Wankels Beharrlichkeit, die den Kreiskolbenmotor schliesslich mit dem Auto und untrennbar mit Mazda verband. Dutzende haben sich im Laufe der Zeit am Wankelmotor versucht, alle haben sie sich die Zähne ausgebissen. Nicht so Mazda: 1967 wurde der Cosmo Sport von einen Zweischeiben-Kreiskolbenmotor angetrieben.

Mazda lebt und versteht es, unkonventionelle Lösungen auf den Markt zu bringen. Der MX-6 war als Familiencoupé seiner Zeit insofern voraus, als dass damals überwiegend Kombis das Strassenbild prägten. Der MX-5 kam zu einer Zeit, wo kleine Sportcoupés Seltenheitswert besassen. Und der MX-3 verfügte über den kleinsten Sechszylindermotor der Welt. «MX stand schon immer für viel Fahrspass und den Anspruch, die konventionellen Annahmen in der Automobilindustrie herauszufordern», erklärt Jerome de Haan, Generaldirektor von Mazda Schweiz.

In diese Fussstapfen tritt nun auch Mazdas erstes Elektroauto. Der MX-30, von der Erscheinung her der Bruder des fossilen Kompakt-SUV CX-30, überrascht denn auch mit seinen Detaillösungen. Die gegenseitig aufschlagenden Türen – ein Alleinstellungsmerkmal in dieser Klasse – sorgen für viel Komfort. Der Fahrstufenwahlhebel auf der freistehenden Mittelkonsole vermittelt klassische Vertrautheit. Und die konsequente Verwendung von ökologischen Materialien wie dem veganen Leder­ersatz oder recyceltem PET im Innenraum tut der Haptik keinen Abbruch. Die Anmutung insgesamt ist vergleichsweise konventionell und ist, wie so oft bei Mazda, höherwertig, als es der Basispreis von 36 990 Franken vermuten lassen würde.

Auch fahrdynamisch verhält sich der frontangetriebene Stromer so, wie man es von den Japanern erwarten darf. Will heissen, dass die Lenkung akkurat, das Fahrverhalten linear und die Ergonomie gelungen sind. Der Fahrspass kommt insofern nicht zu kurz, als dass der 107 kW (145 PS) starke Elektromotor einerseits natürlich unmittelbar Drehmoment (271 Nm) bereitstellt, andererseits das Fahrwerk eine gute Balance zwischen Komfort und einer etwas sportlicheren Gangart beherrscht.

Die Skyactiv-Plattform, die seinerzeit bereits für ein Elektroauto konzipiert wurde, ermöglicht eine nahezu perfekte Gewichtsverteilung sowie ­einen tiefen Schwerpunkt dank der im Unterboden verbauten Batterie. Die über Schaltwippen fünfstufig einstellbare Rekuperation ermöglicht Fahrweisen vom Segeln bis hin zum One-pedal-driving. 

Es mag trotz allem zu bezweifeln sein, ob sich der MX-30 mit seiner 35.5 kWh grossen Batterie in Anbetracht seiner Autonomie von nur rund 200 Kilometern im Markt behaupten kann. «Es war nie das Ziel, den MX-30 in dieser Form langstreckentauglich zu machen», sagt Joachim Kunz, verantwortlich für die Fahrzeugentwicklung bei Mazda Europa. Bei der kleinen Batterie handelt es sich um eine bewusste Entscheidung, Mazda spricht von Rightsizing. «Je grösser die Batterie, desto höher der Energieaufwand bei der Herstellung und dann auch das Gewicht im Auto selbst», so Kunz.

Der Mazda MX-30 überzeugt im Detail mehr, als es seine Erscheinung vermuten lässt. Trotz eines Sieben-Zoll-Touchscreens zur ­Steuerung der Klimaanlage werden physische Tasten beibehalten, mit denen die ­allerwichtigsten Funktionen ohne Ablenkung vorgenommen werden können.

Allein, dies könnte sich bald ändern. Denn blickt man unter die Motorhaube des aktuellen MX-30, dann findet man vor allem eines: viel freien Platz. Genau dort wird ab Ende 2021 auf Wunsch ein Reichweitenverlängerer sitzen. Ohne Verbindung zu den Rädern wird dieser den Elektroantrieb mit Strom speisen. Dabei überrascht es nur wenig, dass Mazda auf einen Wankelmotor vertrauen wird. Mit seiner kompakten Bauweise, dem geringen Gewicht und der sanften und leisen Arbeitsweise passt der  Kreiskolbenmotor perfekt in ein E-Auto. «Da er nur den Generator speist, kann er immer mit optimaler Drehzahl laufen», so Kunz. Die noch nicht näher definierte Kombina­tion mit dem E-Antrieb soll dann nicht weniger als die Renaissance dessen sein, was vor über 100 Jahren begann. Und weil Mazda dieses Jahr das 100-Jahr-Jubiläum feiert, wird mit dem verbauten Kork im Innenraum des MX-30 – ein weiteres Novum im Automobilbau – an die wahrlich aufregende Geschichte der Japaner erinnert. 

Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

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