Ist es einfach nur Zufall? Oder sind es die Motorsport-Götter, die die Karriere der grossen Champions lenken? Tatsache ist, dass die gelben Formel-1-Flitzer von Renault Schub bekommen haben, seit feststeht, dass Fernando Alonso zum dritten Mal nach 2003 bis 2006 und 2008/09 bei den Franzosen einsteigt. Der Spanier war mit Renault einst jüngster Doppelweltmeister, als er 2005 und 2006 seine bisher einzigen Titel in der Königsklasse gewann. Alonso hat sich bei seinem alten neuen Arbeitgeber auch schon längst wieder blicken lassen. Er war zu Besuch im englischen Enstone, wo Renault die Chassis für seine Boliden baut, und in Viry bei Paris, wo die Motoren gefertigt werden. Er nutzte die Zeit, um beispielsweise seinen Fahrersitz formen zu lassen, den Fahrsimulator zu entdecken oder die aktuellen Piloten Esteban Ocon und Daniel Ricciardo, den er ersetzen wird, zu treffen. Aber für die Angestellten bei Renault, wo Alonso «wie ein lebender Gott verehrt wird», wie ein ehemaliger Manager sagt, war der Besuch des Ex-Weltmeisters bedeutend mehr. Einen technischen Beitrag leistet Alonso derzeit noch keinen, dazu ist es noch zu früh, aber seine Rückkehr hat zweifellos schon heute einen positiven Einfluss auf die Stimmung und die Motivation im Hause Renault. Mit Alonso am Lenkrad gibt es für die Franzosen keine Ausreden mehr!
Die Sterne scheinen sich in nur wenigen Monaten perfekt für Renault ausgerichtet zu haben. Die Zukunft des Formel-1-Programms schien in Zeiten, in welchen der Konzern zum Sparen verdammt ist, bedroht. Aber der neue Präsident Luca de Meo, seit Juli im Amt, hat es bestätigt: Die ruhmreiche Formel-1-Geschichte von Renault geht weiter, ja sogar über die Königsklasse hinaus. Unter dem Namen Alpine, der sportlichen Marke von Renault – par excellence! –, einer Marke, die man sogar im Langstreckensport, im GT-Sport und im Rallyesport sehen wird! Natürlich, es ist in Zeiten von Klimapolitik und Autofeindlichkeit eine mutige Entscheidung, erst recht in Frankreich. Unter diesen Voraussetzungen macht die Verpflichtung eines Champions wie Fernando Alonso als Bannerträger eines Konzerns mit neuen Ambitionen eindeutig Sinn.
Das Allroundtalent
Für Renaults Formel-1-Teamchef Cyril Abiteboul liegt es auf der Hand, dass die Fortschritte des Rennstalls seit letztem Jahr nicht ohne den internen Druck möglich gewesen wären, den ein GP-Sieger wie Daniel Ricciardo an den Tag gelegt hatte. «Wir haben zum ersten Mal seit 2016 die Eigenschaften unseres Autos wirklich verändert», gab Abiteboul kürzlich zu, «und wir haben uns eindeutig verbessert.» Mit Fernando Alonso an Bord wird der Rennstall zweifellos noch mehr Fortschritte machen. Doch für wie lange? Schliesslich ist der Spanier bei seiner zweiten Renault-Rückkehr schon in die Jahre gekommen, der Ex-Weltmeister wird nächstes Jahr bereits 39! Mit dem Alter habe der neue Leader keine Probleme, auch nicht mit der Motiovation, ist Teamchef Abiteboul überzeugt: «Die zwei Jahre Auszeit von der Formel 1 haben ihm mehr genützt. Fernando hat sein System neu gestartet, er hat sich längst wieder auf die Formel 1 eingestellt.»
Untätig oder gar erfolglos war der Spanier in der Zwischenzeit ja auch nicht. 2018 hat er bei der Premiere beinahe die 500 Meilen von Indianapolis (USA) gewonnen, triumphiert hat er dafür in den beiden letzten Jahren an einer anderen, kultigen Stätte, bei den 24 Stunden von Le Mans (F). Das zeigt auch, dass sein Wille ungebrochen ist, dass er vor seinem Talent nichts eingebüsst hat und dass er auch als Rennfahrer-Senior noch hungrig nach Erfolgen ist. Es ist eine Reihe von Qualitäten, welche die beiden anderen Kandidaten für das Renault-Cockpit, Valtteri Bottas und Sebastian Vettel, nur bedingt erfüllten, weshalb der charismatische und auch bei den Ingenieuren beliebte Alonso zum Zug kam.
Mit viel Streitpotenzial
Alonso kann bei Renault viel bewegen. Er ist gut genug für tolle Resultate und tolle Stimmung hinter den Kulissen. Genauso kann der Spanier aber auch Schaden anrichten. Zum Beispiel, wenn er meint, dass ein Team nicht mit seinen Anforderungen und Leistungen mithalten kann – so wie 2014 bei Ferrari, als er die Scuderia nach fünf Jahren verliess. Renault hat es umso schwerer: Denn auch Esteban Ocon ist kein Einfacher, auch der junge Franzose muss sich mit Stallgefährten arrangieren und macht diesen das Leben bisweilen schwer, weil auch er es versteht, die Hebel der internen Politik zu bedienen. Schon einmal ist Alonso in der Formel 1 an einem Jungstar gescheitert – 2007 bei McLaren an Lewis Hamilton.
Gegen eine erfolgreiche Rückkehr von Alonso in die Formel 1 spricht aber vor allem eines: Die Geschichte! Nur zwei Piloten sind nach einer Auszeit nochmals Weltmeister geworden. Niki Lauda hatte 1980 das «im Kreis fahren» satt, kam 1982 in die Formel 1 zurück und wurde 1984 zum dritten Mal Champion, mit nur einem halben Punkt Vorsprung auf Alain Prost. Der Franzose seinerseits setzte 1992 aus, nachdem er Ferrari beledigt hatte, unterschrieb 1993 bei Williams mit der Bedingung, dass sein Intimfeind Ayrton Senna wegbleibt, und wurde zum vierten Mal Weltmeister. Andere Champions blieben nach ihren Formel-1-Comebacks farblos, darunter auch Träger so grosser Namen wie Michael Schumacher, Kimi Räikkönen, Nigel Mansell oder Alan Jones. Alonso will mehr bewegen.