Als Folge des Dieselskandals und der damit einhergehenden Verschiebung der Prioritäten bei Volkswagen musste die Entwicklung der sportlichen Modelle hintanstehen. Jetzt, wo mit den ID-Modellen die Elektromobilität (mehr oder weniger) auf Kurs ist, hat Wolfsburg wieder mehr Zeit, sich der Kür zuzuwenden. So enthüllte das Unternehmen im Februar, Juni und Juli die R-Versionen von Touareg, Tiguan und Arteon (auch als Shooting Brake). Drei Modelle, zu denen sich demnächst auch der Golf R hinzugesellt. Aber das ist noch nicht alles, denn es gibt tatsächlich noch einen fünften im Bunde, den T-Roc R. Dank des riesigen Erfolgs des VW T-Roc – in den ersten zwei Jahren auf dem Markt verbuchte das Kompakt-SUV bereits mehr als 400 000 Bestellungen – wurde ihm Ende 2019 die R-Version zur Seite gestellt. Es ist zu erwarten, dass er in der Schweiz, wo diese Art kleiner, leistungsstarker Fahrzeuge gut ankommt, wie allein schon die 599 von Amag im Jahr 2019 verkauften Golf R beweisen, zu einem grossen Erfolg wird.
Bewährtes Rezept
Volkswagen hat in den letzten 15 Jahren das R-Rezept ausgiebig erprobt – zuerst am Golf (R32, dann R), dann am Passat (R36) und Touareg (R50) – und perfektioniert: dezent-sportliche Optik, ein aufgeblasener Motor, Allradantrieb und eine gute Fahrdynamik. Somit ist die Frage eigentlich nur, ob die Mitarbeiter in Wolfsburg neben der Entwicklung der Elektroautos noch Zeit hatten, sich um die penible Einhaltung dieser R-Grundsätze zu kümmern.
Schauen wir uns zunächst das Design an. Der T-Roc R entfernt sich von der Linienführung eines einfachen R-Line und verfügt über einen speziellen vorderen Stossfänger, der hier und da mit schwarzen Akzenten versehen und von LED-Scheinwerfern mit Tagfahrlicht umrahmt ist. Am Heck des Wagens prangen abgedunkelte Rücklichter und ein spezieller Stossfänger sowie die vier Endrohre der optional erhältlichen Abgasanlage von Akrapovic (+3550 Fr.). Ebenfalls optional ist das Auto mit Pretoria-Felgen ausgestattet, die für die Sportmodelle der Marke typisch sind. Dazu passend hat der von uns getestete Wagen eine lapislazuliblaue Metallic-Lackierung in Kombination mit einem schwarzen Dach (+1350 Fr.).
Dynamische 300 PS
Kommen wir zum Motor: Während der Tiguan, der Arteon und der Golf die neueste Version des 320 PS starken 2.0 TSI erhalten, muss sich der T-Roc mit der 300 PS starken Version des Vierzylinder-Turbos begnügen. Diese Motorisierung ist jedoch mehr als ausreichend, um jede Form von Konkurrenz in die Schranken zu verweisen. Tatsächlich gibt es aktuell im Segment der kleinen SUV ausser dem Premium-Cousin, dem Audi SQ2, der sich Plattform und Antriebsstrang mit dem T-Roc R teilt (s. Test in AR51/2019), oder dem Mini Cooper S Countryman John Cooper Works keinen mit mehr als 250 PS. Zumindest, solange nicht Hyundai und Ford ihre sportlichen SUV-Ableger Kona N und Puma ST, auf die Strasse bringen.
Das Sechsgang-Schaltgetriebe wurde zugunsten eines Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes ganz aufgegeben. Mit anderen Worten und im VW-Jargon heisst das: DSG. Letzteres überträgt die 400 Nm (ab 2000 U/min) des Vierzylinders selbstverständlich über einen Allradantrieb mit Viscokupplung, ein Haldex-System (s. auch Technik, Seite 15), auf alle vier Räder. Ansonsten verfügt der T-Roc R über alles, was auf der MQB-Plattform machbar ist: adaptive Fahrwerksregelung DCC mit verschiedenen, über den Infotainmentmonitor einstellbaren Modi (+1020 Fr.), eine Tieferlegung um 20 Millimeter gegenüber dem normalen T-Roc, McPherson-Aufhängung an der Vorderachse und Mehrlenkerachse hinten.
Von Volkswagen als echter Sportler präsentiert, bestätigt der T-Roc R auch in der Praxis, dass er sich nicht hinter gleich positionierten Kompaktsportlern verstecken muss. Dank seines geringen Gewichts (1560 kg) und des kurzen Radstands (2593 mm), glänzt er auf kurvenreichen Strassen. Insbesondere auf den Serpentinen von Grimsel, Furka und Co. kann das Sport-SUV seine Stärken ausspielen. Die hervorragende Traktion spiegelt sich auch im Standardsprint von 0 bis 100 km/h wieder: Bei unseren eigenen Messungen stoppte die Uhr nach exakt fünf Sekunden. Das Getriebe arbeitet beeindruckend effizient und kooperiert gut mit dem elektronischen Stabilitätsprogramm, das variabel einstellbar ist. Darunter befindet sich der radikalste Modus (ESP off), wobei es auch da nicht komplett ausgeschaltet ist. Dies hängt mit der von VW gewünschten Ausrichtung als Familienauto zusammen. Nicht gerade familientauglich, aber auf jeden Fall mit einem grossen Spassfaktor verbunden ist die lautstarke Untermalung, für die die Akrapovic-Auspuffanlage sorgt.
Er ist hart
Weniger glänzend ist jedoch der eher eingeschränkte Komfort des Fahrzeugs, selbst wenn die Fahrprofilauswahl auf den Modus Komfort eingestellt ist. Er mag sich komfortabel über die Nordschleife des Nürburgrings bewegen lassen, wo Rallyecross-Weltmeister Petter Solberg und der offizielle Volkswagen-Pilot Benjamin Leuchter beflissen an der Verbesserung des Autos gearbeitet haben, doch auf dem holprigen Asphalt auf schlecht geteerten Bergstrassen fühlt sich der T-Roc R deutlich weniger wohl. Dieses Manko wird noch verstärkt durch die 19-Zoll-Felgen und die Reifen mit 40er-Querschnitt, die Unebenheiten und harte Schläge nur sehr beschränkt filtern.
Apropos hart: Der zweite nennenswerte Kritikpunkt betrifft den Innenraum, wo harte Kunststoffe dominieren. Bei Handschuhfach, Mittelkonsole, ja sogar am Armaturenbrett setzt VW im T-Roc auf Hartplastik. Diese sind zwar teilweise hübsch lackiert in Satin-Blau und würden bei der Basisversion des T-Roc durchaus als akzeptabel gelten, angesichts des Fahrzeugpreises von mehr als 60 000 Franken lässt sich solches im T-Roc R aber schlecht rechtfertigen. Doch längst nicht alles an der Innenausstattung gehört verschmäht, bei Weitem nicht. Die Bedienung gibt keinen Anlass zur Kritik, das digitale Kombiinstrument und das Infotainmentsystem in Kombination mit der Bedieneinheit für die Klimaanlage funktionieren ergonomisch einwandfrei. Das Multifunktions-Sportlenkrad mit Schaltwippen, die Carbon-Flag-Ledersitze und die Aluminiumpedale gefallen.
Die R-Version verfügt über das gleiche Raumangebot wie der Standard-T-Roc und bietet einen geräumigen Innenraum. Auf den Vordersitzen geniessen die Passagiere nicht nur eine grosszügige Ellbogenfreiheit – die Innenbreite beträgt 147 Zentimeter –, sondern auch die erhöhte Fahrposition auf bis zu 55 Zentimetern über Boden, die SUV-Enthusiasten zu schätzen gelernt haben. Auf den Rücksitzen ermöglichen eine angenehmen Beinfreiheit (bis zu 32 cm) und ein hohes Dach (95 cm) auch grossen Menschen ein komfortables Sitzen. Der T-Roc kann bis zu 392 Liter Gepäck im Kofferraum transportieren. So findet sich genügend Platz im T-Roc, damit eine kleine Familie mit Gepäck bequem – und flott – in die Ferien fahren kann.
FAZIT
Ohne das Genre zu revolutionieren, ist der VW T-Roc R immer noch eines der allerersten Hot SUV in seinem Segment. Hinsichtlich seiner Philosophie – und natürlich auch technisch – ist der T-Roc R einem Golf R, von dem er gewissermassen eine höhergelegte Version ist, sehr ähnlich, bietet aber auch auf schlechteren Strassen bessere Möglichkeiten, ohne Kompromisse bei der Fahrdynamik einzugehen. Auf der anderen Seite hat er im Vergleich zu einem Golf R mit einem viel spartanischeren Interieur zu kämpfen. Ein Defizit, das er von der Standardversion des T-Roc geerbt hat, das aber auch dort dem überragenden Erfolg nicht wirklich im Weg stand. Ebenso wird sein recht hoher Preis kein Hindernis für Väter und Mütter sein, die sich etwas Sportlichkeit bei ihrer Familienkarosse gönnen möchten!
Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.