Die Änderungen, die die Revision des CO2-Gesetzes für Autofahrer mit sich bringt, sind drastisch: Eine weitere Erhöhung des Benzinpreises um bis zu zwölf Rappen pro Liter beispielsweise. Als Geschäftsführer von Avenergy Suisse vertritt Roland Bilang die Interessen der Importeure fossiler und anderer Flüssigtreibstoffe und ist mit dieser Entwicklung alles andere als zufrieden. Die Art, wie die Schweizer Strassen finanziert würden, müsse überdacht werden, sagt er im Interview.
Automobil Revue: Früher war es die Erdöl-Vereinigung, heute heissen Sie Avenergy Suisse. Wieso diese Namensänderung?
Roland Bilang: Die Namensänderung stand am Enden eines langen Prozesses. In den vergangenen rund acht Jahren gewannen alternative Treibstoffe und Biotreibstoffe bei uns mehr und mehr an Bedeutung. Der Ausbau des Wasserstoffnetzes in Deutschland und in der Schweiz zum Beispiel hat uns gezeigt, dass wir auch in diesem Bereich etwas unternehmen sollten, und so ist der Gedanke gereift, dass der Name Erdöl-Vereinigung nicht mehr zutreffend ist. Aber ich möchte betonen, dass wir nach wie vor der wichtigste Player im Erdölmarkt in der Schweiz sind und dass das Erdöl der wichtigste Energieträger in unserem Land ist. Wir vollführen eine Gratwanderung: Wir müssen heute die Versorgung mit Erdölprodukten sicherstellen und gleichzeitig auch über die Zukunft nachdenken. Deswegen auch Av, das für Avenir steht: Wir sehen für diese Branche sehr wohl eine Zukunft.
Der Rohölpreis ist in den letzten Monaten stark eingebrochen. Wieso wurde der Benzinpreis nicht im gleichen Masse günstiger?
Mehr als die Hälfte des Benzinpreises ist durch Steuern und Abgaben fix festgelegt, alles in allem sind das rund 85 Rappen. Das ist der Preis, den wir nicht unterschreiten können, selbst wenn das Benzin gratis wäre. Dazu haben wir Verarbeitungsprozesse, das Öl muss raffiniert werden, es gibt Transport- und Vertriebskosten. Wir haben uns auch schon überlegt, was der tiefstmögliche Benzinpreis an der Zapfsäule sein könnte, wenn das Rohöl nichts kosten würde: Er liegt deutlich über einem Franken pro Liter. Gesamthaft sind das rund fünf Milliarden Franken, die in die Bundeskasse fliessen. Der Bund hat deshalb auch ein Interesse daran, dass der Konsum auf diesem Niveau bleibt – auch wenn das so natürlich niemand sagen würde.
Wenn immer mehr Leute Elektroautos kaufen und die Nachfrage nach Benzin abnimmt, müsste der Benzinpreis eigentlich sinken …
Ich würde die Argumentation eher umkehren: Die Elektromobilität wird auch ihren Teil zur Finanzierung der Infrastruktur leisten müssen. Wir befinden uns immer noch in einem Fördermodus, der aber unserer Meinung nach sehr bald überdacht werden muss. Man darf nicht vergessen: Elektroautos haben den gleichen Bedarf an Infrastruktur und nutzen die Strassen eher noch etwas mehr ab, da sie tendenziell schwerer sind als Verbrenner. Aber auf der anderen Seite ist die Elektromobilität immer noch eine sehr kleine Nische, und deshalb ist diese Frage noch nicht sehr drängend. Wir würden uns dagegen wehren, dass man jetzt einfach auf der Treibstoffseite die Abgaben erhöht, um die fehlenden Einnahmen zu kompensieren.
Und wo wird das hinführen?
Wir werden auch Alternativen auf den Markt bringen, wie Biotreibstoffe. Diese sind im Moment noch steuerbefreit, aber die Politik hat entschieden, dass dies in Zukunft nicht mehr der Fall sein wird. Für uns ist es stossend, dass Biotreibstoffe besteuert werden, aber auf der anderen Seite die Elektroautos nicht. Das ist eine versteckte Förderung der Elektromobilität. Auch aus Sicht der Tankstellenbetreiber sind Elektroautos unattraktiv: Sie benötigen eine eigene Infrastruktur und viel Platz, weil sie relativ lange stehen. Wenn der Kunde kommt, tankt, im Laden noch etwas kauft und wieder geht, ist das natürlich wirtschaftlich attraktiver.
Wie stehen Sie einem Modell wie Mobility-Pricing gegenüber? Könnte das eine Lösung sein?
Absolut! Wir sind der Meinung, dass man mit der Umsetzung von Mobility-Pricing beginnen muss. Aber es darf ausschliesslich dazu dienen, die Finanzierung der Infrastruktur zu gewährleisten. Mobility-Pricing darf nicht dazu dienen, das Verhalten der Leute zu lenken, Verkehrsspitzen zu brechen oder sogar noch eine ökologische Komponente beinhalten. Dafür verfügen wir bereits über Instrumente wie das CO2-Gesetz oder das Energiegesetz. Mit den Abgaben muss eine Infrastruktur bereitgestellt werden, damit die Mobilität gewährleistet ist und die Wirtschaft funktionieren kann. Wir sind auch der Meinung, dass jeder gefahrene Kilometer bepreist werden muss, unabhängig davon, welches Gefährt genutzt wird. Auch Velofahrerinnen und -fahrer, die immer mehr Infrastruktur für sich beanspruchen wollen, sollen ihren finanziellen Beitrag leisten. Es wäre eine provokative und richtungsweisende Diskussion, die wir bis jetzt aber noch nicht angestossen haben.
Im Ausland führen immer mehr Städte Fahrverbotszonen für Verbrennungsmotoren ein. Auch in der Schweiz gibt es entsprechende Bestrebungen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Das ist meiner Meinung nach nicht zu Ende gedacht. Die 4.6 Millionen benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeuge, die heute in der Schweiz unterwegs sind, können unmöglich eins zu eins durch Elektroautos ersetzt werden. Es müssten Milliardenbeträge investiert werden, um einen minimalen Umweltfortschritt zu erzielen. Die ökologische Differenz zwischen einem guten Diesel und einem Elektroauto ist heute nahezu vernachlässigbar. Das sollte nicht der Staat regeln. Ich persönlich erachte es als angenehm, 1000 Kilometer mit einem Tank zu fahren, der innert drei Minuten gefüllt ist.
Sind synthetische Treibstoffe die Zukunft?
Synthetische Treibstoffe – wir nennen sie Synfuels – werden sicher ihren Platz haben in der Mobilität der Zukunft, denn in gewissen Anwendungen gibt es schlichtweg keine Alternativen zu flüssigen Treibstoffen. In der Luftfahrt beispielsweise wäre es illusorisch anzunehmen, dass da etwas anderes als flüssiger Treibstoff zum Einsatz kommen kann. Das gleiche gilt für Schwertransporte und Schiffe.
Wie gehen Sie mit dieser Entwicklung um?
Wir machen bereits heute die Treibstoffe sukzessive emissionsärmer, indem wir Biotreibstoffe beimischen. So sparen wir jährlich rund 600 000 Tonnen an CO2 ein. Das lässt sich problemlos extrapolieren, sodass wir diesen Wert in den nächsten Jahren auf eine Million Tonnen CO2 jährlich steigern können. Hundert Prozent Biotreibstoff wird wohl nicht möglich sein, denn Biotreibstoff ist nicht billig und müsste politisch unterstützt werden.
Was haben Biotreibstoffe sonst für Vorteile?
Bis 2023 sind sie noch steuerbefreit, aber mit der Änderung des CO2-Gesetzes wird das nicht mehr der Fall sein. Ein unverständlicher Entscheid, da man grosse Investitionen getätigt hat, die eben erst begonnen hätten, sich auszuzahlen. Im schlimmsten Fall könnte das sogar das Ende der Biotreibstoffe bedeuten. Das gleiche gilt für die synthetischen Treibstoffe. Das Ziel sollte aber sein, dass wir bis 2050 keine fossile Komponente mehr in den flüssigen Treibstoffen haben. Aber alternative Treibstoffe sind teuer, und man muss über ein Finanzierungsmodell nachdenken. Deshalb geht die Transition auch nicht schneller. Für Synfuels müssen Sie Wasserstoff synthetisieren und benötigen eine CO2-Quelle. Und es nützt nichts, wenn Sie ein paar Liter herstellen können, Sie brauchen ein paar Milliarden Liter pro Jahr. Doch die Entwicklung schreitet voran, alleine schon weil man in der Luftfahrt nicht auf Kerosin verzichten kann.
Was ist der Zeithorizont?
Das braucht sicher noch zehn Jahre Investitionen. Zwischen 2030 und 2040 könnten sie auf den Markt kommen. Die Finanzierung müsste bereits heute geklärt werden, sodass das bezahlbar bleibt. Wir sind aber der Meinung, dass Subventionen nicht zwingend notwendig sind. Es sollte auch marktwirtschaftlich lösbar sein. Aber es würde bedeuten, dass man den Treibstoff heute um 15 bis 20 Rappen verteuern müsste – die Empa hat das in einer Studie von Avenir Suisse dargelegt. Die Frage ist jetzt: Wollen wir diesen Betrag für die Entwicklung von Synfuels bezahlen, oder wollen wir ihn in andere Dinge investieren. Je genauer die Bevölkerung weiss, was sie unterstützt, umso grösser ist auch die Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten.
Können uns die Synfuels auch eine politische Unabhängigkeit vom Ausland bieten?
Es ist absehbar, dass wir in der Schweiz nicht genügend CO2-neutralen Strom produzieren können, um diese Menge an synthetischen Treibstoffen herzustellen, erst recht nicht, wenn zeitgleich die Kernkraftwerke abgeschaltet werden sollen.
Kann Wasserstoff die Zukunft sein?
Im Transportwesen kann das sicher funktionieren. Es kann gut sein, dass der Energieträger für den Güterverkehr ein anderer sein wird als derjenige für den Privatverkehr. Es wird sich zeigen, was sich da für eine Dynamik ergibt. Wenn viele Menschen ein Auto mit Elektroantrieb, sich aber nicht mit Reichweiten- und Ladeproblemen herumschlagen wollen, dann könnte es schon sein, dass Brennstoffzellen die Zukunft sind. Aber natürlich muss dazu das Fahrzeugangebot wachsen. Und wenn die Flotte der Wasserstoff-Lastwagen wie geplant wächst, dann ist das schon ein starkes Zeichen dafür, dass die Technologie funktioniert.
Wird die Zukunft der Energieträger vielfältiger als heute?
Davon sind wir überzeugt, und das unterscheidet uns auch von der öffentlichen und politischen Meinung, die die Elektromobilität als einzige Lösung sieht. Wir denken, dass die batterieelektrische Mobilität eine relativ kleine Nische bleiben wird. Dazu wird es die Brennstoffzelle geben und CO2-neutrale, flüssige Treibstoffe. So können die Leute ohne schlechtes Gewissen bei ihrem geliebten V8 bleiben (lacht). Die Idee müsste doch sein – und das ist in der Politik noch nicht so richtig angekommen –, das System zu behalten und den Energieträger CO2-neutral zu machen. Zurzeit beobachten wir einen riesigen medialen und politischen Hype um das Elektroauto. Trotzdem geht die Entwicklung langsam voran. Das sagt schon auch einiges aus.
CO2-neutrale, synthetische Treibstoffe, Wasserstoff … Schöne Worte, aber entscheidendes fehlt: Wieviel Primärenergie wird benötigt, um Wasserstoff und Synfuel herzustellen? Ich kann nachvollziehen, dass Avenergy die Elektromobilität schlechtreden und Fahrräder zur Kasse bitten.wollen, mit „avenir“ hat das wenig zu tun. Pech für die Verbrenner ist zudem, dass BEV-Fahren einfach Spass macht, die Geräuschkulisse ist schlicht verzichtbar.