Wird das Leid von Genf zur Freude von Zürich?

UMZUG Klar: Corona. Doch weil der Salon in Genf 2021 erneut ausfallen wird, findet die nächste Ausgabe der Auto Zürich kurz nach Ostern von 15. bis 18. April 2021 statt.

Corona spielt der Auto Zürich eigentlich in die Karten. Dies ganz im Gegensatz zum Autosalon in Genf, dem die Pandemie endgültig den Garaus zu machen droht. Schon vor Covid-19 hatte die GIMS aufgrund der hohen Kosten und einer für viele Aussteller zunehmend ungünstigen Kosten-Nutzen-Rechnung immer mehr Hersteller zum Fernbleiben veranlasst. Jetzt ist alles noch übler geworden. Gross und international ist gerade gar nicht gefragt. Dass die GIMS auch 2021 nicht stattfindet, ist insofern schon länger klar. 

National und regional dagegen ist Trumpf. Zu Hause bleiben – ob in der eigenen Stube oder dem eigenen Land – heisst das Gebot der Stunde. In diesem Sinn erweist sich das kompakte, national basierte und seit 34 Jahren bewährte Konzept der Auto Zürich mit notabene unveränderten Standpreisen (!) jetzt in dieser aussergewöhnlichen Zeit auch als krisenresistent. Zumindest scheint es so. Freilich wird die grösste Regionalmesse Europas heuer zum gewohnten November-Termin auch nicht stattfinden. Die Unsicherheit, wie sich die Krise entwickelt, sei «zu gross», sagt CEO Karl Bieri. Allein, das ist nicht der einzige Grund.

Frühling ist allen lieber
Alle Marken, Händler und Importeure wollen selbstverständlich lieber eine Messe im Frühling als im Winter. Und da der März-Termin der GIMS wegfällt, springt jetzt eben Zürich zur Primetime ein. Dies in Absprache mit den angeschriebenen Ausstellern, von denen mehr als 90 Prozent ihr Kommen bereits zugesagt haben. «Die Auto Zürich 2021 wird zwei Wochen nach Ostern stattfinden», sagt CEO Karl Bieri. Dieser Zeitpunkt ist für die Mehrheit der Aussteller ideal. «Wir hätten die Messe auch Ende Februar durchführen können», hält Karl Bieri fest. 

Da Ostern 2021 jedoch eher früh im Kalenderjahr ist, passt das mit dem 15. bis 18. April 2021 ideal. Immer unter der Voraussetzung natürlich, dass Corona mitspielt.

Neue Normalität erfordert Mehraufwand
So oder so ist Karl Bieri zuversichtlich, dass seine Erfolgsmesse im April stattfinden kann: «Auch wenn es bis dann kein Medikament und keine Impfung gibt, werden sich die Menschen bis dahin auf jeden Fall noch besser an die neue Normalität, mit der wir uns vorderhand wohl abfinden müssen, gewöhnt haben.» Insofern werde es nicht mehr so aussergewöhnlich sein, wenn man als Messebesucher dann möglicherweise Masken und eventuell Handschuhe tragen, Abstände einhalten und sich an andere Schutzmassnahmen (s. Box) halten müsse. Das Schutzkonzept der Auto Zürich 2021 wird neu sein und generiert neuen, organisato­rischen Aufwand. Am Messekonzept per se soll sich freilich nichts ändern. «Die Hersteller werden die Ähnlichen sein wie im Vorjahr», sagt Bieri. Zu 99 Prozent aus der Schweiz. Die wenigen Ausländer kamen meist aus Deutschland, was auch im Frühling kein allzu grosses Problem darstellen dürfte. Auch an den vier Messetagen soll sich nichts ändern. Wobei es hier den einen oder anderen Markenvertreter gibt, der die Auto Zürich gern auf ­eine Woche ausgedehnt hätte. «Ich bin der Meinung, dass wir mit den vier Tagen genau richtig liegen», so Bieri. Da hat er vermutlich recht.

Karl Bieri zügelt mit seiner Auto Zürich in den Frühling.

Stellt sich die Frage, wie sich Corona auf das Zuschauerinteresse auswirken wird. Nicht der Masken- und Schutzmassnahmen wegen, sondern generell dem Thema Automobil und Mobilität gegenüber. Es würde nicht wirklich erstaunen, wenn das Interesse an der nächsten Auto Zürich überdurchschnittlich gross sein sollte. Einerseits baut sich da bei den Kunden gerade ein Nachholbedürfnis für solche Veranstaltungen auf, andererseits erfährt das Automobil als Individualverkehrsmittel, in dem man sich im Gegensatz zum ÖV geschützt durch den öffentlichen Raum bewegen kann, aktuell einen Höhenflug. Financescout 24 sagt, dass sich die Suchanfragen nach Fahrzeugversicherungen verdoppelt hätten. «Letztes Jahr haben wir das Thema Classic ausgebaut, nächstes Jahr werden wir das Thema Mobilität noch stärker in den Vordergrund rücken», sagt Bieri. Sprich den Modal-­Split. Der Verkehrmittelwahl also, um möglichst schnell von A nach B zu kommen – inklusive ÖV. «Wobei wir hier von Verkehrsmitteln reden, die ­einen Motor – unabhängig, ob elektrisch oder konventionell angetrieben – haben.»

Attraktives Angebot
Dadurch, dass viele andere, grosse Messen wegfallen, dürfen sich die Besucher 2021 in Zürich schon jetzt auf eine attraktive Modellpalette, also viele interessante Premieren freuen. Das Interesse an ­einem Auto, geleast, gekauft, gemietet oder geteilt, ist so gross wie kaum je zuvor. Und was wäre, wenn Genf 2022 wieder im März stattfindet? «Dann würden wir wieder auf den November-Termin wechseln», so Bieri, keine Frage. Freilich scheint die Chance recht gross, dass angesichts der erwähnten Probleme in Genf fortan Zürich der Ort bleibt, an dem sich die Menschen Autos ausserhalb des Cyberspace noch live ansehen, sie riechen, berühren (vielleicht auch mit Handschuhen), erfahren und sich in sie hineinsetzen können. 

Der Autosalon Genf gerät immer mehr in Schieflage

Wir würden den Verkauf der Aktiva des Autosalons gerne bis spätestens Ende August abschliessen», erklärte Maurice Turrettini, Präsident der Stiftung, am 30. Juni dieses Jahres. Der bevorzugte Partner war Palexpo, die bereits ihre Gebäude und ihr Personal für die GIMS zur Verfügung stellt. Eine Lösung ist aber nicht in Sicht. «Zurzeit sind wir auf der Suche nach Partnern, Organisatoren oder Investoren für eine Veranstaltung 2022», so Turrettini. «Eine Messe 2021 wäre nicht vernünftig. Sogar das World Economic Forum hat seinen Termin im Januar gestrichen.»

Was den Verkauf an Palexpo betrifft, so spricht  man derzeit nur noch per Rechtsanwalt. «Palexpo bietet uns die Übernahme der Aktiva der GIMS gegen die Annullierung aller vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Schuldforderungen an», so Turrettini. «Aber wir widersprechen diesen Forderungen. Palexpo kann uns nicht dieselben Leistungen wie in der Vergangenheit in Rechnung stellen, denn seit 28. Februar hat niemand mehr für die GIMS gearbeitet.» Gemäss Informationen, die der AR vorliegen, belaufen sich die Forderungen von Palexpo auf 14.5 Millionen Franken. Das entspricht in etwa dem Preis, den die Stiftung für den Vermögenswert des Salons fordert.

Wird der Salon zweckentfremdet?
Claude Membrez, der Direktor von Palexpo, bestätigt, dass die Verhandlungen nicht gut verlaufen. Die ausstehende Übernahme hindert ihn aber nicht daran, Überlegungen für eine eigene Veranstaltung im März 2021 anzustellen. Es ist die Rede von einer kurzen und kostengünstigen «Mobilitätsmesse». «Es wäre aber keinesfalls ein Automobilsalon, wie man ihn kennt», sagt Membrez. Für ihn ist wichtig, im März Präsenz zu markieren, weil es extrem schwierig sei, nach einem Terminausfall wieder durchzustarten. François Launaz ist als Präsident von Auto-Schweiz Mitglied im Stiftungsrat des Autosalons und steht dieser Idee sehr skeptisch gegenüber: «Die von Palexpo für 2021 geplante Veranstaltung stiftet nur Verwirrung in der Öffentlichkeit und bei den Marken. Der Salon wird zweckentfremdet!»

Zwischen dem Autosalon und Palexpo ist keine Einigung in Sicht.

Der Streit zwischen Palexpo und der Stiftung kann auch Auswirkungen über 2021 hinaus haben. «Ich kann mir eine Zusammenarbeit nur schwer vorstellen, wenn Palexpo nicht zu einer positiveren Einstellung zurückkehrt», so Launaz. «Das wird ein noch grösseres Problem als die finanziellen Sorgen.» Beide Seiten geben sich aber auch beschwichtigend: «Ich würde es begrüssen, wenn man sich gemeinsam an einen Tisch setzt und sich anzunähern versucht», erklärt Turrettini. «Ein Krieg bringt nichts Gutes. Es wäre wünschenswert, dass man sich gegenübersitzt, anstatt per Rechtsanwalt zu korrespondieren. Unsere Tür steht offen», bestätigt Claude Membrez. Bleibt die Frage, wer den ersten Schritt macht, bevor es zu spät ist. 

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