Das erste Statement der Yamaha Tracer 700 wurde unmissverständlich klar, noch bevor der Motor überhaupt lief: Dieses Ding ist bequem ohne Ende. Mit der mattblauen Lackierung und der neuen, aggressiven Front mit LED-Scheinwerfern ist sie zudem auch ein ziemlicher Hingucker – und damit fast schon ein Bike, dass man sich in der Winterpause eher in die Wohnung als in die Garage stellt.
Das Gefühl des absoluten Komforts lässt einen schnell darauf schliessen, man sitze auf der perfekten Touringmaschine, zumal die aufrechte Sitzposition und der bequeme Sattel doch relativ lange Fahrten ermöglichen, ohne dass sich der Rücken oder der Allerwerteste von Fahrer oder Sozius beschweren. Lange Fahrten, bei denen übrigens auch das Tankvolumen mit 17 Litern eine nicht unwichtige Rolle spielt. Und nicht nur diese Feinheiten haben sich auch bei uns auf längeren Strecken ohne Pause bewährt. Die Windschutzscheibe, die sich ganz einfach mit einer Hand auch während der Fahrt in der Höhe verstellen lässt, erfüllt ihren Dienst zweifellos. Die zweckmässigen Streckenabschnitte auf der Autobahn wurden damit nicht zur unangenehmen Fahrt im Windkanal, sondern dienten dank der verhältnismässigen Windstille fast schon der Erholung. Die zahlreichen Gepäckoptionen haben wir zwar nicht getestet, sie lassen einen aber wohl problemlos einen Stauraum von 20 Litern pro Seitentasche oder 39 Litern durch das Topcase dazugewinnen.
Das grosse Aber
Hinter die klassische und doch überzeugende Touringausstattung setzt Yamaha jedoch ein ausdrückliches Aber. Denn auch wenn die Yamaha Tracer 700 die perfekte Begleiterin für die nächste Motorradreise ist, muss man mit ihr keineswegs auf spassige Kurvenexkursionen verzichten, schliesslich ist sie nicht umsonst das neue Sporttourer-Aushängeschild der Japaner. Spätestens in der ersten Kurve nach der Erholung auf der Landstrasse oder der nicht mehr ganz so windigen Autobahn kommt nebst dem Komfort auch der Spass zum Zug: Die Mittelklassemaschine zieht in die Kurve, als wäre sie nur dafür gebaut worden, was bei der Testfahrt in den ersten paar Ecken doch ziemlich überrascht hat. Doch mit ihrem fahrbereiten Gewicht von nur 196 Kilogramm (dank des kompakten Leichtbau-Stahlrahmens) sowie dank des Radstands von 1440 Millimetern bringt die Tracer schliesslich die perfekten Voraussetzungen für ein agiles und dynamisches Bike mit. Der Zweizylinder-Viertaktmotor zieht dann mit seinen original 75 PS (in unserem Fall 48 PS) auch mindestens genauso schön aus der Kurve heraus, wie das Bike sich hineingelegt hat.
Für Allroundfans und Fahranfänger
Das maximale Drehmoment erreicht die Tracer 700 in der Originalausführung übrigens bei 7500 Umdrehungen, in der gedrosselten 35-kW-Variante bei 6500, während die Leistungsentfaltung ziemlich linear verläuft und somit auch Fahranfängern ein konstantes Gefühl der Kontrolle und Sicherheit ermöglicht. Apropos Anfänger: Während die einen schon vor ihrer allerersten Motorradfahrt genau wissen, ob es sie eher zum Supersportler, zur Enduro oder doch zum Naked Bike hinzieht, gibt es unter den angehenden Motorradfahrern doch auch immer die, die sich nicht entscheiden können. Entweder, weil sie ihren eigenen Fahrstil als Neulenker erst noch kennenlernen müssen, oder weil ihr Alltag einfach so vielfältig ist, dass ein zu spezialisiertes Bike nicht allen Möglichkeiten gerecht würde. Und genau da hat die Yamaha Tracer 700 ihren Einsatz: Gerade Fahranfängern oder Allroundliebhabern vermittelt sie einen perfekten Mix aus Touring, Komfort und einfach zu handhabender, sportlicher Leistung, die richtig Spass macht. Zudem lässt sich die Standardsitzhöhe von nicht zu tiefen 835 Millimetern nach unten anpassen, sodass auch kleinere Motorradfans auf ihre Kosten kommen. Und erschwinglich ist sie auch noch: Die Yamaha Tracer 700 startet bereits bei 8490 Franken.
Finding Neverland – der Weg ist das Ziel
Für die einen ein lahmer Glückskeks-Spruch, für andere das Motto des wohl grössten Abenteuers ihres Lebens: «Der Weg ist das Ziel.»
So ziemlich jeder hat doch irgendwo im Hinterkopf diese grosse Idee. Dieses eine Abenteuer, das er oder sie irgendwann einmal erleben möchte. Dann, wenn der richtige Moment da ist. Doch wann kommt dieser richtige Moment? Wann passt zum Beispiel die Idee einer sechsmonatigen Motorradreise ins Leben, bei der man einmal von Europa quer durch Afrika nach Kapstadt fährt, mit dem Ziel, Weihnachten am Kap der Guten Hoffnung zu verbringen? Ganz sicher nicht während eines Jahres, in dem Corona unser aller Leben auf den Kopf stellt.
Ich selber zähle mich zwar nicht zu den langweiligsten Individuen dieses Planeten, muss aber gestehen, dass ich eine solche Reise wohl während der jetzigen Zeit auch eher nicht angetreten hätte. Irgendwie ist doch dann diese berüchtigte Sicherheit auch irgendwie zu wichtig.
Und doch gibt es sie noch, die Abenteurer, die nicht auf den perfekten Moment warten, der sowieso nie kommen wird. Die, die einfach machen, anstatt ein Leben lang zu träumen. Zwei davon sind Maia und Lennart, die genau diese beschriebene Reise vor sich haben. Die beiden sind am 31. Juli mit ihren beiden Triumph Tiger 900 alias Zebro und Rhino vom wunderschönen Beckenried NW aus losgefahren. Nicht mit dem Ziel, Weihnachten in Kapstadt zu verbringen – nein, dies ist nur der Grund der Reise, wie sie auf ihrem Blog schreiben. Das Ziel ist die Reise selbst. Kulturen zu entdecken, sich selber zu finden, das Leben von einer anderen Seite kennenzulernen. Und eben sechs Monate lang einfach nur für den Moment zu leben, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Termine morgen anstehen oder zu welcher Serie man sich am Abend aufs Sofa setzt, um den Alltag einen Moment lang hinter sich zu lassen. Die beiden schreiben ihre ganz eigene Serie und lassen sich von Tag zu Tag wieder neu vom Drehbuch ihrer Reise überraschen.
Es lohnt sich, das Abenteuer der beiden auf ihren Social-Media-Kanälen (@maias_travels und @lennart.andreas) oder auf www.finding-neverland.com zu verfolgen. Aber noch mehr lohnt es sich, seine eigenen Träume wieder einmal hervorzugraben, sie etwas abzustauben, und vielleicht doch darüber nachzudenken, diese Träume irgendwann noch wahr werden zu lassen. Auch wenn es nicht der perfekte Moment dafür ist.
Anja Tschopp
www.motorladies.ch
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