Freitag, zwölf Uhr mittags. Schauplatz ist das Dynamic Test Center in Vauffelin BE. Traditionell versammelt sich das AR-Testteam jeweils dann im DTC, um den aktuellen Testfahrzeugen auf den Zahn zu fühlen. Umfassende Messungen werden gemacht, also Beschleunigungszeiten, Bremswege, Geräuschwerte, Tachoabweichungen und Wendekreise erhoben. Die dynamischen Messwerte werden mittels GPS-basierter Messtechnik erhoben. Um Vergleiche ziehen zu können, sind die gemessenen Daten auf die Standardbedingungen von 20 Grad Umgebungstemperatur und 1000 mbar Luftdruck bereinigt. Nebenverbraucher wie Klimaanlage oder Radio sind zur Vermeidung von Messfehlern ausgeschaltet. Reifen quietschen und Bremsen stinken, die Fahrzeuge werden auf Herz und Niere geprüft.
Nebst den nackten Zahlen sind die (fahr-)emotionalen Werte eines jeden Autos von entscheidender Bedeutung. Wie fühlt es sich im Allgemeinen an, wie agiert es unter fortdauernder Belastung, wie funktioniert es nahe am Grenzwert? Auf der 800 Meter lange Prüfstrecke des DTC in Vauffelin lassen sich die Feinheiten von Motor, Assistenzsystemen, Fahrwerk und Lenkung hervorragend erfahren.
Getrennte Verbrauchsmessungen
Natürlich geht es auf der abgesperrten Teststrecke in Vauffelin ordentlich zur Sache, deshalb werden diese Rennkilometer bei den Verbrauchswerten markiert und eigens berücksichtigt. Bei den einzelnen Unterteilungen werden möglichst isolierte Streckenabschnitte erhoben. Jeweils über 100 Kilometer am Stück sollten deshalb in den Einzeldisziplinen Autobahn, Landstrasse und Stadt absolviert werden. Nicht selten wird der Arbeitsweg deshalb an die Messungen angepasst, oder aber es wird noch eine Extraschlaufe auf dem Nachhauseweg eingeschlagen.
Angelehnt an WLTP
Die definierte und immer identische AR-Normrunde wird stets von denselben Fahrern und zu etwa derselben Uhrzeit absolviert, um eine möglichst unverfälschte und konsistente Vergleichsgrundlage zu erhalten. Die 122 Kilometer lange Strecke führt von Niederwangen BE durch die Stadt Bern in Richtung Murten FR, von da über die Autobahn bis nach Lyss BE und dann über Land zurück zur Redaktion. Die Aufteilung unserer Normrunde orientiert sich am WLTC (Worldwide harmonized Light vehicles Test Cycle), auch wenn die Strecke über fünfmal so lang ist wie die offizielle Prüfrunde. Dadurch, und weil wir uns im normalen Strassenverkehr ohne zusätzliche Modifikationen am Fahrzeug bewegen, sind die Resultate meist realitätsnaher als die nach wie vor zu modulierbaren WLTP-Angaben (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure). Die Abweichung wird umso grösser, wenn das getestete Fahrzeug zusätzlich über einen elektrischen Antrieb verfügt.
Deshalb absolvieren alle Plug-in-Hybride und Vollstromer seit Neustem zusätzlich eine Strecke vorwiegend im Stadtverkehr. Diese rund 30 Kilometer lange Route soll die tägliche Pendlerstrecke und das Streckenprofil abbilden. Der Gesamtverbrauch widerspiegelt den Verbrauch der gesamten Testdauer, für die das Auto für eine umfassende Meinungsbildung der Redaktoren bewegt wurde.
Messungen als Diskussionsgrundlage
Für alle Messungen sind die Testwagen jeweils komplett vollgetankt. Vorab werden sie auf einer geeichten Waage gewogen, um das tatsächliche Leergewicht sowie die Gewichtsverteilung zwischen der Vorder- und Hinterachse zu ermitteln.
Die Lärmmessungen werden mit Hilfe eines Schallmessgeräts auf dem immer gleichen Streckenabschnitt und nur bei gutem Wetter erhoben.
Zum Schluss werden die Innenraummessungen mittels Lasermessgerät an vordefinierten Punkten jeweils vom Haupttester vorgenommen, der sich zugleich ein detailliertes Bild von der Variabilität und Ergonomie sprich unter anderem der Materialqualität und dem Ladevermögen des Innenraumlebens macht.
Streng nach dem Protokoll
Alle diese Werte und Erfahrungen laufen beim Leiter des Testteams zusammen, der sie in die abschliessende Diskussionsrunde über jedes einzelne Testfahrzeug einbringt. Ein akribisches Testprotokoll garantiert, dass kein Aspekt vergessen geht. Die Erkenntnisse und Messwerte werden auch mit anderen Fahrzeugen aus demselben Segment verglichen, was jeweils bei den Beschleunigungs- und Bremswerten in der Tabelle neben den Testberichten aufgeführt wird. Die Durchschnittswerte im Segment beziehen sich auf Autos der vergangenen sieben Jahre, also ungefähr die Lebensdauer einer Fahrzeuggeneration. Mindestens fünf getestete Autos braucht es, um einen sinnvollen Mittelwert angeben zu können. Wurden sämtliche Autos im Segment beispielsweise im Winter gemessen, fehlt gegebenenfalls ein entsprechender und sinnvoller Durchschnittswert im Sommer.
Neues Notensystem
Anschliessend werden gemeinsam die Noten vergeben und die Punkte in den je nach Segment unterschiedlich gewichteten Kategorien gesprochen. Dieses Jahr folgt die Notengebung einem neuen System, weshalb die Punkte in der Regel tiefer als noch im letzetn Jahr ausfallen. Innerhalb des Jahres sind die Noten allerdings immer vergleichbar.
Der Haupttester verfasst zum Schluss den Artikel, trotzdem widerspiegeln die Testberichte in der «Automobil Revue» nie Einzelmeinungen, sondern repräsentieren die Erfahrungen sämtlicher Redaktoren. Nicht selten gibt es dabei herzhafte Diskussionen über einzelne Feinheiten, die von allen unterschiedlich erlebt und dann im Fazit individuell verarbeitet werden dürfen.
Und auch die Hersteller und die Importeure haben nicht immer nur Freude an den Testberichten der «Automobil Revue». Manchmal müssen wir uns im Nachgang für einen Testbericht oder einzelne Kritikpunkte erklären. Das machen wir aber gerne, unsere Testberichte sollen kritisch, unabhängig und für potenzielle Käufer relevant sein. Als Grundlage dafür und als Diskussionsgrundlagen dienen jeweils die harten Fakten unserer umfassenden Messungen.