Die Motivation zur Einführung und Subventionierung von Elektroautos und auch ihr grosser Vorteil im Kampf gegen den Klimawandel sind ihre (vermeintlich) geringen CO2-Emissionen. Und tatsächlich, ein Blick auf die Energieetikette zeigt: Absolut sauber. Es gibt keinen CO2-Ausstoss im Betrieb, nur ein minimaler Energieaufwand wird für die Bereitstellung der Energie benötigt, was aber auf der offiziellen Energieettikette des Bundes nicht ausgewiesen wird.
Aber: Ist ein Elektroauto wirklich so sauber? Das Problem liegt in der Bewertung von Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit von Elektroautos im Vergleich zu Verbrennern, da mit der heute gängigen Bewertung nur die Tailpipe-Emissions, also der Schadstoffausstoss am Auspuff, bewertet wird. Was aber fehlt, ist die Betrachtung von Rohstoffgewinnung, Herstellung und Transport der Fahrzeuge und der vielen weiteren Komponenten, also eine Analye Cradle-to-grave, des ganzen Lebenswegs von der Wiege bis ins Grab.
Batteriefahrzeuge werden heute gleich zweifach bevorzugt bewertet. Einerseits fällt bei ihnen ein gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor höherer Anteil der Umweltbelastung bereits vor dem ersten Einsatz an. Andererseits ist ihre Produktion (jetzt noch) deutlich umweltbelastender als die Produktion eines Verbrenners. Um diesen Missstand zu beheben, sollen in Zukunft für die Bewertung der Umweltbilanz von Personenwagen nicht mehr nur die Emissionen während des Betriebs berücksichtigt werden, sondern der komplette Lebenszyklus, eben Cradle-to-grave.
Schwierige Bewertung
Bereits die zuverlässige Bestimmung von Auspuff-Emissionen ist nicht ganz unproblematisch, wie die Diskussionen um den Dieselskandal und die Einführung von RDE (Real Driving Emissions) gezeigt haben. Wenn die Umwelteinflüsse von Batterieproduktionen bewertet werden sollen, wird es aber noch einmal um einiges komplexer, da unzählige einzelne Parameter einen Einfluss darauf haben, nicht zuletzt die Auslastung eines Werkes und wo dieses steht oder woher es die Energie bezieht. Da die Batterieproduktion eine globale Industrie mit Minen und Produktionsstandorten in der ganzen Welt ist, hat jeder Produzent unterschiedliche Methoden zur Fertigung und unterschiedliche Energiequellen. Und während der Energiebedarf eines Batteriewerkes einigermassen zuverlässig bestimmt werden kann, ist der tatsächliche CO2-Ausstoss sehr schwer zu definieren und kann sehr stark variieren. Denn ob eine Batteriefabrik ihre Energie aus einem Wasserkraftwerk bezieht oder aus einem Kohlekraftwerk, ist ein Unterschied.
Ironischerweise verfügt gerade Südchina, wo heute ein grosser Teil der Batterieproduktion stattfindet, über einen riesigen Anteil Wasserkraft – und somit über sauberere Energie als grosse Teile Europas. So machen die Pläne der Europäischen Batterie-Allianz, die Batterieproduktion im Rahmen des Euopean Green Deal nach Europa zu holen, zwar aus wirtschaftlicher und politischer Sicht auf jeden Fall Sinn, könnten sich aber sogar als klimaschädlich erweisen. Denn gerade Deutschland, Tschechien, Polen und andere osteuropäische Länder sind noch immer sehr stark von mit fossilen Ressourcen wie Kohle oder Erdgas betriebenen Stromkraftwerken abhängig.
Mehr Reichweite – mehr Schadstoffe
Wie klimaschädlich ist ein Elektroauto wirklich? In der Bewertung muss beachtet werden, dass jede einzelne Batteriezelle in der Produktion einen gewissen CO2-Ausstoss verursacht. Dies bedeutet, dass die Umweltbelastung direkt abhängig ist von der Grösse, also der Kapazität der Batterie. In anderen Worten: Je höher die Reichweite eines Elektroautos ist, desto grösser ist die Batterie – und desto grösser die Umweltbelastung.
Zuverlässige Studien über den Energiebedarf und den CO2-Ausstoss bei der Batterieproduktion gibt es kaum. Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Einer ist, dass die Ermittlung der Zahlen nicht ganz einfach ist. Der andere: Vielen der Studien kann nicht vorbehaltlos Glauben geschenkt werden, weil die Fragestellung das Resultat oft bereits impliziert. Wenn die Prämisse lautet «Das Elektroauto ist sauber, und wir beweisen, dass es so ist», dann ist klar, wie das Resultat ausfallen wird.
Eine Analyse des Londoner Beratungsunternehmens Circular Energy Storage hat für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien einen CO2-Fussabdruck zwischen 39 und 200 kg/kWh festgestellt. Für einen Mittelklassewagen mit einer 39-kWh-Batterie bedeutet das Emissionen von
1.5 bis 7.8 Tonnen CO2, die bei der Produktion der Batterie entstehen. Ein Nachteil, der einer Fahrstrecke von 13 000 bis 68 000 Kilometern entspricht, der erst einmal aufgeholt werden muss. Und: Je grösser die Batterie, umso grösser ist dieser Nachteil. Bei einem Oberklassewagen mit einer 95-kWh-Batterie wird der Fussabdruck mit 3.7 bis 19 Tonnen CO2 noch grösser, was in diesem Segment bedeutet, dass ein Elektroauto eine Strecke von 18 000 bis 95 000 Kilometern zurücklegen muss, bevor es sich aus ökologischer Sicht lohnt.
Neue Bewertungsmethode
Eine neue Bewertungsmethode für den CO2-Ausstoss kann Abhilfe schaffen gegen die ungleiche Behandlung von Elektroautos und Verbrennern. Wenn die Bewertung in Zukunft nicht mehr nur nach dem Schadstoffausstoss im Betrieb erfolgt, sondern den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeuges miteinbezieht, ist dieses Greenwashing der Elektroautos nicht mehr möglich.
Elektroautos können, wenn sie richtig produziert werden, auch über den gesamten Lebenszyklus durchaus sauberer sein als heutige Verbrenner, darin sind sich alle Studien einig. Trotzdem dürfen die Emissionen, die bei der Produktion eines Fahrzeuges entstehen, nicht vernachlässigt werden. Wenn in Zukunft ein Fahrzeug über den gesamten Lebenszyklus bewertet wird (Life Cycle Assessment), sorgt das für gleich lange Spiesse. Nur so können auch die ökologischen Vorteile anderer Energieträger, allen voran synthetischer Treibstoffe, berücksichtigt werden. Denn während diese zwar in der Herstellung energieintensiv sind, können sie unter dem Strich auch CO2-neutral sein, da in der Produktion CO2 aus der Umgebung gebunden wird. Und bereits heute enthalten Dieseltreibstoffe einen Anteil biologischer Kohlewasserstoffe, die nicht gleich CO2-intensiv sind wie fossiler Treibstoff. Dieser Vorteil findet aber in die aktuelle Bewertung von Verbrennungsmotoren keinen Eingang.
Was auch nicht vergessen werden darf: Die aktuelle Diskussion dreht sich nahezu ausschliesslich um den CO2-Ausstoss und die Auswirkungen auf das Klima. Daneben gibt es aber viele Faktoren, die potenziell negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Und da steht die Batterie nicht besser da als der Verbrennungsmotor.
Die Batterie, das neue Erdöl
GEOPOLITIK Durch den Boom der Elektroautos werden die Batterien zum neuen schwarzen Gold. China beherrscht die Versorgungskette, aber die EU ist fest entschlossen zu reagieren.
Bedingt durch die schrittweise Energiewende hin zur Elektrifizierung werden die Batterien der Elektrofahrzeuge zum entscheidenden Streitobjekt. Trotz einer drastischen Senkung des Preises pro Kilowattstunde – er liegt heute bei 146 Dollar im Vergleich zu 1000 Dollar noch 2010 – bleiben die Speicherzellen das teuerste Element eines Elektroautos. Sie machen 35 bis 40 Prozent der Produktionskosten eines Elektrofahrzeugs aus. Laut einem Bericht der Europäischen Kommission werden bis 2028 zwischen 50 und 200 Millionen Elektrofahrzeuge (derzeit 7 Millionen) unterwegs sein, was einem potenziellen Umsatz von ungefähr 250 Milliarden Euro allein in der EU entspricht.
Hier hatten die asiatischen Länder den richtigen Riecher: Alle weltweit führenden Batteriehersteller – CATL, Panasonic, BYD, LG Chem, Samsung – stammen aus dem Fernen Osten. Nach Schätzungen der Europäischen Union kommen 85 Prozent der Akkumulatoren aus Asien. China spielt die führende Rolle, da man dort schon 2009 grosse Elektrifizierungsprogramme für die eigene Fahrzeugflotte auflegte. Diese wurden gleichzeitig von Beihilfen für den Kauf von New Energy Vehicles (NEV) gefördert, was wiederum das Aufkommen chinesischer Automobilhersteller deutlich beschleunigte.
«Der Weg führt über China»
«Während der Krise 2008 fingen die Chinesen an, überall auf der Welt Rohstoffe aufzukaufen», erklärt Laurent Horvath, Geo-Ökonome für Energie und Gründer der Website 2000watts.org, «wenn man heute eine Batterie herstellen will, führt kein Weg an den Chinesen vorbei.» Hier geht es um das berühmte Lithium, das in Chile und Bolivien reichlich vorkommt, aber auch um Kobalt. Dieses Metall kommt als Stabilisator an der Kathode zum Einsatz und verhindert ein Überhitzen der Batterie. Es stammt hauptsächlich aus der Demokratischen Republik Kongo (DRK), das 50 bis 70 Prozent der weltweiten Nachfrage abdeckt. China kontrolliert sieben der grössten Kobaltbergwerke der DRK. Heute liegt der Preis für eine Tonne wieder bei 28 500 Dollar, 2018 waren es 95 000 Dollar. Die Batteriehersteller suchen nach Alternativen für diesen Rohstoff, der 30 Prozent der Batteriebestandteile (Lithium 11 %) ausmacht. Die politischen Unruhen in der DRK zwingen die Interessenten, nach Alternativen Ausschau zu halten, die Ausbeute der Bergwerke schüren weitere Konflikte an. «Für seltene Mineralien sind die Auswirkungen vergleichbar mit dem Erdöl, der Abbau kann das Risiko von Kriegen erhöhen, vor allem, wenn er durch unverantwortliche Unternehmen erfolgt und die Landesregierung labil ist», meint Dominic Rohner, Professor für politische und institutionelle Ökonomie an der Universität Lausanne.
Europäische Reaktion
Angesichts dieser Herausforderung gründete die Europäische Union im Oktober 2017 die Europäische Batterie-Allianz (EBA). Das Ziel war die Einrichtung eines europäischen Pools für die Speicherzellen-Herstellung. 20 bis 30 Batteriewerke könnten so entstehen und 2028 bis zu 25 Prozent der weltweiten Batterieproduktion ausmachen. «Sei es aus wirtschaftlichen oder aus geostrategischen Erwägungen, die EU muss darauf achten, nicht von den ausländischen Primärrohstoffen und anderen Werkstoffen der Batterie-Wertschöpfungskette abhängig zu werden», heisst es im Bericht der EU-Kommission. Dies gilt insbesondere für China, «ein Land, das die Versorgungskette der Lithium-Ionen-Batterien dominiert.» Auf dem Spiel steht mehr als nur die Lieferung von Batterien, es geht um die gesamte Automobilindustrie, die sich in Richtung Elektrofahrzeug bewegt. «Hinter der Kontrolle der Batterie-Versorgungskette geht es hier um die Kontrolle der weltweiten Automobilfertigung», warnt Laurent Horvath. «China hat in der Tat das Potenzial, sich dank seines Know-hows in der Batterietechnologie im Sektor der Elektrofahrzeuge sehr stark zu positionieren», bestätigt Olivier Perroud, Abteilungsleiter Mobilität der Industriellen Betriebe des Kantons Genf. Das offensiv agierende Reich der Mitte verfügt bereits über einen wesentlichen Vorsprung. Nun muss sich Europa als ebenbürtiger Herausforderer erweisen.
Die letzte Fahrt
RECYCLING Noch ist der Markt klein, aber er wird gewaltig wachsen. Recycling von Traktionsbatterien aus E-Autos ist in der Schweiz Sache der Firma Batrec in Wimmis.
Es stinkt muffig nach Elektrolyt. Das Ambiente ist derb, laut. Das Förderband marschiert gnadenlos im Zwei- bis Dreischichtbetrieb. Wo mag die grüne Tesla-Batteriezelle in ihrem Leben überall durchgefahren sein? Jetzt ist sie auf ihren letzten Metern Richtung Schredder – Endstation Wimmis BE!
Mit zunehmender Verbreitung elektrifizierter Fahrzeuge – in der Schweiz schafften sie im ersten Halbjahr 2020 einen Marktanteil von stolzen 21.6 Prozent – wächst auch der Bedarf, die Traktionsbatterien dieser Autos acht, zehn oder fünfzehn Jahre später zu entsorgen. Oder besser: zu recyceln. Die Firma Batrec in Wimmis ist das einzige Unternehmen im Land, das Rohstoffe aus Akkus von E-Autos und Hybriden zurückgewinnt. «Ob das so bleibt, wird sich zeigen», sagt Direktor Dieter Offenthaler. Noch ist der Markt überschaubar. Aktuell erreichen das Werk im Berner Oberland monatlich vier bis fünf Batteriepakete von E- oder Hybrid-Fahrzeugen. Die meisten davon nicht, weil sie total am Ende sind, sondern weil sie aus Testautos stammen, in Unfälle verwickelt waren oder Mängel aufweisen. «Doch das wird sich in den nächsten Jahren gewaltig ändern», so Offenthaler. Die Produktion und damit einhergehend das Volumen für die Entsorgung wird exponenziell steigen (s. Grafik). Was jetzt schon in grossen Mengen und regelmässig bei Batrec rezykliert wird, sind Lithium-Ionen-Batterien aus E-Bikes, Smartphones und anderen Consumer-Geräten. Was den Rezyklierprozess angeht, ist der genau der gleiche wie bei Antriebsbatterien von Autos. Insofern wird die Anlage in Wimmis künftig ausgebaut. Auch um so sämtliche Schritte der Rezyklierung von Lithium-Ionen-Akkus inhouse durchführen zu können. Die finalen zwei Prozeduren finden heute noch im Schwesterwerk Veolia in Dieuze (F) in der Nähe von Metz statt. «Weil wir einfach die Menge noch nicht haben, die das Hinstellen entsprechender Apparate rechtfertigen würde», so Offenthaler. Veolia hat im Hinblick darauf, was an Akkus im Verlauf der Weltgeschichte zukünftig noch en masse kommen wird, unter anderem ein Abkommen mit Renault. Letztlich müssen indes alle Marken wissen, wohin sie mit ihren Batterien wollen, wenn diese wirklich am Ende ihrer Tage sind. «Da wird es sicher die eine oder andere Verhandlung geben in nächster Zeit», so Offenthaler.
Die zwei Steps, die man bei Batrec nach dem Schreddern (noch) nicht selber macht, sind zuerst das mechanische Sortieren der geschredderten Zellen zur sogenannten Schwarzmasse. In diesen Prozess werden etwa Kupfer oder Aluminium separiert. Übrig bleibt ein Sand. Die wertvollen Elemente wie Kobalt, Nickel oder Mangan befinden sich in dieser schwarzen Masse. Extrahiert werden diese Übergangsmetalle sowie das Grafit mittels eines hydrometallurgischen Prozesses, also eines Säurebads. Eine andere Art ist die thermische Aufschmelzung. Mit diesem pyrometallurgischen Verfahren rezykliert Batrec andere Batterien, etwa die gemeine Haushaltbatterie. Während die Haushaltbatterie zuerst bei 700 Grad pyrolisiert wird, wobei Wasser und Quecksilber verdampfen, Papier und Plastik verkohlen und später bei 1500 Grad geschmolzen werden, wird die Autobatterie zuerst verbrannt und zermahlen. So können die Wertmetalle Kobalt, Nickel und Kupfer wiedergewonnen werden. Nicht wiederzuverwerten sind Lithium, Grafit, Aluminium und der Elektrolyt.
Der Recyclingprozess einer Traktionsbatterie ist am Ende nicht energieaufwendiger oder CO2-intensiver als vieles andere. Alle Abgase und Abwasser, die entstehen, werden in einem aufwendigen Verfahren gereinigt. Bei Batrec kommt der gesamte Strom aus erneuerbarer Wasserkraft.
Lithium wird nicht rezikliert
Lithium wird bei Batrec wie bei vielen anderen nicht rezykliert. «Es gibt genug Lithium auf der Welt, aufgrund der kleinen Menge lohnt sich das nicht», sagt Offenthaler. Der Energieaufwand zur Lithium-Gewinnung aus dem Recycling ist beispielsweise siebenmal grösser als aus Solen in Salzseen. Nur ein bis drei Prozent Lithium stecken in einem Lithium-Ionen-Akku. Zudem muss das zurückgewonnene Lithium extrem rein sein, um wiederverwendet werden zu können. Die Firma Duesenfeld in der Nähe von Braunschweig (D) hat ein Verfahren entwickelt, bei dem wiederverwendbares Lithium rezykliert werden kann. Sobald die Menge an entsorgungsreifen Batterien freilich in die Hundertausenden Tonnen geht, wird man Lithium reziklieren. Allein schon aus Imagegründen.
Ehe die geschredderten Akkus nach Frankreich ins Batrec-Schwesterwerk zur Endverarbeitung transportiert werden, passiert in Wimmis das: Die Akkus werden zerlegt. «Das ist der aufwendigste Schritt.» Die verschweissten oder verschraubten Module werden in Handarbeit aus den Aluminiumgehäuse geschält. Genau wie später die Zellen aus den Modulen. Da Formen, Art und Verarbeitung der Batteriepakete von Hersteller zu Hersteller sehr unterschiedlich sind, ist hier kein standardisierter oder gar roboterisierter Prozess möglich. «Bei einer 100-Kilowatt-Tesla-Batterie reden wir hier von vier bis fünf Stunden Handarbeit», so Offenthaler. Ein einheitliches System wäre aus Sicht des Rezyklierprofis überaus wünschenswert. Allein, der Batrec-Chef hat Verständnis: «Die Batterien, die heute zurückkommen, wurden nicht gebaut, um möglichst effizient rezykliert zu werden. Damals hatte man noch andere Probleme.» Nach der Zerlegung prüfen im Fall von Batrec Vertreter des Joint-Venture-Partners Libattion aus Glattbrugg ZH (s. Seite 16), welche Module sich für ein Second Life eignen. Sehr viele! Merke: Für den Autohersteller ist die Batterie End of Life (EoL), wenn sie 80 Prozent ihrer Nennkapazität leistet, statt für 400 Kilometer Reichweite nur noch für 300 Kilometer bürgt. Wenn Kapazität, Impedanz, Spannungsströme im grünen Bereich sind, ist der Lithium-Ionen-Stromspender reif für ein zweites Leben – zum Beispiel in einem Gabelstapler, einem Golfwagen oder als Stromspeicher. Wenn nicht, wird er per kontrolliertem Kurzschluss oder einem mehrwöchigen Wasserbad komplett entladen und für den Schredder präpariert. Auf den Elektrolyt, den entzündbaren Part in jeder Lithium-Ionen-Batterie also, achtet man auch beim Recycling besonders. Ein bisschen elektrische Spannung, ein Funke – und das ganze Material geht in Flammen auf. Duesenfeld flutet darum den luftdicht abgeschirmten Schredder mit Stickstoff, bei Batrec findet das ganz in einem flüssigen Milieu statt. Die brennbare Elektrolytflüssigkeit wird verdampft und abgepumpt, bevor das Geschredderte entnommen wird. In Tanks abgefüllt, dient er dann als Grundstoff in der chemischen Industrie.
Durch so zurückgewonne Rohstoffe kann sich der CO2-Fussbadruck bei der Produktion neuer Lithium-Ionen-Batterien im Idealfall um bis zu 40 Prozent reduzieren.
Ein Leben nach der Strasse
UPCYCLING Lithium-Ionen-Akkus aus Elektrofahrzeugen haben nach ihrem primären Einsatz noch nicht ausgedient. Das Start-up-Unternehmen Libattion schenkt den Batterien ein zweites Leben.
Lithium-Ionen-Akkus sind die derzeit ökologischste, kapazitäts- und leistungsstärkste Lösung für mobile Anwendungen. Das sagt Rolf Widmer von der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Zudem zeichnen sie sich bei ihrer kompakten Bauweise durch eine hohe Lebenserwartung aus. Im kleinen Massstab kommt die Akkutechnologie seit Jahren beispielsweise in Smartphones zum Einsatz, mit dem zunehmenden Elektroauto-Boom wird ihre Produktion immer ressourcen- und energieintensiver.
Geht man bei Elektrofahrzeugen von einer primären Batterie-Lebenserwartung, also dem Einsatz im Fahrzeug selbst, von zehn Jahren aus und davon, dass sich die E-Mobilität in frühestens einem Jahrzehnt richtig durchzusetzen vermag, so dürfte die erste Altakku-Welle in 20 Jahren auf uns zurollen. «Darauf müssen wir vorbereitet sein», sagt Stefan Bahamonde, CEO von Libattion.
Das Zürcher Start-up-Unternehmen arbeitet mit dem Recyclingunternehmen Batrec (s. Seite 14) zusammen und befasst sich mit dem Upcycling von Batterien. Im Gegensatz zum Recycling werden dabei die Akkus geprüft und die noch funktionstüchtigen Zellen in ein neues System verpflanzt. Bei Libattion sind das die standardisierten E-Bricks, die auf dem Markt bereits zur Anwendung kommen.
In einem Abomodell können die E-Bricks bereits gemietet werden. «Durch die Möglichkeit des Austauschs stellen wir sicher, dass das System immer leistungsfähig ist. Grundsätzlich nutzen wir deshalb auch nur diejenigen Altbatterien, die noch über 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität verfügen», sagt Bahamonde. Je nach Einsatzgebiet, das vom mobilen Gabelstapler über Reinigungsmaschinen bis zur stationären Anwendung als Batterie zur Speicherung von Solarstrom reicht, liegt die Zahl gar noch höher.
Die Anzahl Ladezyklen der um rund ein Viertel schwereren E-Bricks entspreche dabei durch das überarbeitete Batteriemanagement derselben Zahl wie im primären Batterieleben. Denn vor allem bei Akkus von E-Bikes weise oftmals nur das Batteriemanagement einen Fehler auf, während die Batteriezellen zumeist noch funktionstüchtig seien.
Erste Erfahrungen werden gemacht
Hierzulande ist Libattion derzeit einzige Anbieterin solcher Lösungen. Noch bestehen ihre E-Bricks vorwiegend aus ausgedienten E-Bike-Akkus, die sie direkt bei der Batrec bezieht. Erste Gespräche mit einem Autohersteller sind aber im Gange.
Bei E-Fahrzeugen gilt ein Akku gemeinhin als nicht mehr funktionstüchtig, wenn seine Kapazität unter 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität fällt. Das bedeutet, dass beispielsweise die 100 kWh grosse Batterie eines Tesla bereits zurückgerufen wird, wenn ihre Kapazität noch 80 kWh und damit mehr als diejenige von gleich zwei neuen E-Golf-
Batterien beträgt.
Da sämtliche Hersteller gesetzlich dazu verpflichtet sind, Altbatterien zurückzunehmen, fahren viele bereits ihre eigenen Second-Life-Programme. Audi macht erste Erfahrungen mit von gebrauchten E-Tron-Akkus angetriebene Flurförderfahrzeugen. Jedes der 36 einzelnen Module wird nach der Rücknahme auf seine weitere Einsatzfähigkeit geprüft. Anschliessend werden jeweils 24 Module in eine neue Batteriewanne gebaut.
Bei Daimler sollen Altbatterien für weitere zehn Jahre als Puffer im Stromnetzt dienen. In Zusammenarbeit mit dem Recycling-Riesen Remondis werden Akkus aus dem Smart EQ zu Energiepuffern. Sie speichern überschüssige Energie aus dem Stromnetz und geben diese bei Bedarf wieder ab. Eine ähnliche Lösung verfolgt BMW, wo Wind- und Solarkraft in 700 alten und neuen Akkus aus dem i3 gespeichert wird. Auf eine mobile Lösung setzt VW, das kürzlich die erste Powerbank für E-Autos auf den Markt brachte. Sie ermöglicht den schnellen und flexiblen Aufbau einer Ladeinfrastruktur, auch an abgelegenen Orten.
Grosse Diversität
Die Situation bei Elektrofahrzeug-Batterien ist – anders als bei E-Bikes, wo überall derselbe Zelltyp verwendet wird – insofern komplex, als dass eine grosse Diversität in Sachen Batteriearchitektur und Zellchemie herrscht. Derzeit ist es für Libattion deshalb nicht möglich, sämtliche Zelltypen in die standardisierte Form des E-Bricks zu verbauen. «Das Ziel ist, dass wir von möglichst vielen Herstellern einen Typ einer Batterie bekommen, den wir dann standardisieren können. Momentan arbeiten wir noch auf Projektbasis», sagt Bahamonde. Wird eine 10-kWh-Batterie für die Energiespeicherung von Solarstrom gebraucht, so wird der E-Brick eigens dafür aufgebaut.
Das Recycling ist unausweichlich
Der normalen Alterung unterworfen nimmt die Kapazität der Energiespeicher mit fortschreitender Anzahl an Ladezyklen schleichend ab. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit demjenigen eines Smartphones, wo dem Akku nach einigen Jahren im wahrsten Sinn der Saft ausgeht. Zwar lässt sich der Akku dann noch laden, die Kapazität verringert sich aber derart stark, dass das Gerät nur noch sehr begrenzt mobil betrieben werden kann. Bahamonde: «Irgendwann kommt es unweigerlich zu einem sogenannten Kniepunkt, wo die Gesamtkapazität stark nachlässt. Dieser ist allerdings stark von der jeweiligen Zellchemie abhängig und befindet sich irgendwo zwischen 30 und 50 Prozent der ursprünglichen Kapazität der Batterie. Dann muss ein Lithium-Ionen-Akku recycelt werden. Der Kreis schliesst sich.»