Der schärfste Dreizack

TECHNIK Die Wurzeln von Maserati liegen im Rennsport. Mit dem neuen Nettuno-Motor bringt die Marke aus Modena Formel-1-Technologie in die Serienproduktion.

Das Projekt Nettuno begann 2015. Mit der Einführung der Vorkammer-Zylinderköpfe in der Königsklasse des Motorsports fand auch ein kleines Entwicklerteam in Modena (I) Interesse an der neuen Technologie. Grobe Designskizzen und erste Simulationen sollten das Potenzial für eine Anwendung in eigenen Motoren evaluieren. Doch schon der erste Prüfstandsmotor übertraf alle Erwartungen. Als dieser Motor keine zwei Jahre nach Start des Projekts zum ersten Mal in den frühen Prototyp des MC20 montiert wurde, war klar: Das musste das Triebwerk für den kommenden Supersportler sein. 

Eine Entscheidung von enormem Risiko
Emissionsgesetze, CO2-Grenzwerte, Lärmvorschriften, aber auch Themen wie Fahrbarkeit und vor allem Haltbarkeit: Sollte das neue Triebwerk auch nur eine der Anforderungen zu einem späteren Entwicklungszeitpunkt nicht erfüllen können, wäre das der Todesstoss für das Projekt MC20. Entsprechend musste man sich in Modena absichern. Das Team aus Entwicklern des Maserati Innovation Lab und Spezialisten von Maserati Corse wurde aufgestockt, zog um. Am Maserati Engine Hub in der Viale Ciro Menotti wurden nicht nur Ingenieursarbeitsplätze geschaffen, es wurde ein kompletter Maschinenpark für Prototypenbau, ein moderner Prüfstandspool und eine State-of-­the-art-Produktionsstrasse für die neue Motorengeneration errichtet. Denn der Nettuno sollte nicht nur Formel-1-Technologie in die Serie bringen, er sollte zu 100 Prozent aus Modena kommen.

Die Grundkonstruktion ist klassischer Sportmotorenbau: ein leichter und kompakter V6-Motor mit einem Zylinderwinkel von 90 Grad (mit einer gewissen Ähnlichkeit zum SF90-Motor von Alfa/Ferrari). Das Aluminium-Kurbelgehäuse ist in Closed-deck-Bauweise ausgeführt, die Kolben laufen in Stahlbuchsen. Mit einer kurzhubigen Geometrie von 88 Millimetern Bohrung zu 82 Millimetern Hub bringt es der Nettuno auf drei Liter Hubraum. Eine echte Trockensumpfschmierung mit externem Öltank, DOHC-Layout mit variablen Steuerzeiten und Biturboaufladung gehören ebenfalls zum Nettuno.

Das grosse Highlight versteckt sich aber in den Zylinderköpfen. Denn das Herzstück des Maserati Nettuno ist sein patentiertes Zweifunken-Vorkammer-Zündsystem. Zentral zwischen den Ventilen sitzt die erste Zündkerze in einer Kammer, die vom Brennraum durch exakt ausgelegte Kanäle getrennt wird. Durch diese schiebt der Motor im Verdichtungstakt den in den Brennraum eingespritzten Treibstoff, der sich in der Vorkammer zu einem zündfähigen Gemisch verwirbelt.

Die Vorkammerzündung wird erst seit Kurzem in der Formel 1 verwendet: Maserati macht sich nun ihre diversen Vorteile zunutze.

Effizienz und Leistung
Die von der Zündkerze initiierte Pilotzündung breitet sich nun über durch die Vorkammerbohrungen geometrisch exakt definierte Flammstrahlen in den gesamten Brennraum aus und zündet dort das magere Restgemisch. Der Vorteil der Flammzündung ist nicht nur die schnelle Aus­breitung, sondern auch die homogene Durchbrennung des Gemischs. Das Risiko von Treibstoffablagerungen, Restgasnestern oder lokalen Überhitzungen – und damit die Ursache für Super­klopfen – ist praktisch ausgeschlossen. Nebenbei ermöglicht das Vorkammer-Brennverfahren eine Gemischabmagerung bis etwa Lambda 2 und sorgt so nicht nur für eine Verbrauchssenkung von gut zehn Prozent, sondern vor allem für eine Verringerung der NOX-Rohemissionen um bis zu 90 Prozent durch den drastisch verbesserten Verbrennungsablauf und das Ausbleiben von Temperaturspitzen.

Doch neben Effizienz und der Einhaltung schärfster Abgasgesetze geht es Maserati vor allem um Leistung. Und die Daten des Nettuno sind entsprechend herausragend. 630 PS und 730 Nm geben die Italiener als Spitzenwerte an, bei einer Höchstdrehzahl von 8000 Umdrehungen pro Minute. Der spezifische Kraftstoffverbrauch soll bei beeindruckenden 289 g/kWh liegen und markiert damit einen Bestwert in dieser Leistungsklasse. Dass Maserati den Motor dank einer zweiten Zündkerze im Brennraum und einer Kombination aus Direkt- und Saugrohreinspritzung auch in niedersten Drehzahlen und bei geringer Lastanforderung fahrbar gemacht hat, zeugt vom Know-how in Modena.

Und es ist der Beweis, dass das Risiko der Entwicklung zwar hoch war, sich am Ende aber doch ausbezahlt hat. Denn der Nettuno wird nicht nur den MC20-Supersportler antreiben, man wird den innovativen V6 in Zukunft in jedem neuen Maserati finden, wohl auch in Kombination mit elektrischer Unterstützung. Die fehlt im MC20 aus gutem Grund: Er soll die Marke in den Rennsport zurückbringen. Und dort zählen vor allem hohe Leistung und geringes Gewicht. 

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