Nach dem M133, der in der ersten Generation des AMG A45 schon für vehementen Vortrieb sorgte, mussten sich die Entwickler des Nachfolgeraggregats einiges einfallen lassen, um die erwartete, weitere Leistungssteigerung und parallel dazu die Verbesserung der Abgasemissionen zu erreichen. Als Ziel formulierte Ralph Illenberger, Abteilungsleiter Motorenkonstruktion bei Mercedes-AMG in seinem Referat für das Wiener Motorensymposium dieses Jahres: «Nicht nur Leistung und Drehmoment sollten den neuen Benchmark abbilden, auch eine höhere Maximaldrehzahl sowie ein noch besseres Ansprechverhalten als das des Vorgängers sollten die Sportlichkeit und den Fahrspass weiter steigern – alles mit Blick auf bestmögliche Effizienz.»
Der Coup ist gelungen: Mit den Leistungs- und Drehmoment-Maximalwerten von 285 und 310 kW (388 und 421 PS) respektive 480 und 500 Nm ist die Neukonstruktion M139 weltweit das leistungsfähigste Grossserien-Vierzylinderaggregat. Mit der spezifischen Leistungsausbeute von 155 kW/l übertrifft die S-Version sogar die meisten Supersportwagen. Die sehr herausfordernde Kombination von Hochdrehzahlkonzept und Turboaufladung ist gelungen, wie die saugmotorähnlich spontane Kraftentfaltung sowie die Maximaldrehzahl von 7200 U/min belegen.
Effizientere Gaswechsel
Trotz gegenüber dem Vorgängeraggregat M133 unveränderter Hauptabmessungen (Bohrung 83 mm, Hub 92 mm) ist der M139 ein von Grund auf neu entwickelter Motor, der wieder nach dem Prinzip «One man, one engine» bei AMG in Affalterbach (D) gefertigt wird. Die augenfälligste Neuerung ist die Ausrichtung von Ein- und Auslassseite: Im M139 ist die Frischluftseite in Fahrtrichtung vorne, die Abgasseite hinten. Weitere neue Merkmale des Motors sind die zweifache Benzineinspritzung, der wälzgelagerte Twinscroll-Turbolader mit elektrisch gesteuertem Wastegate, der flutengetrennte Abgaskrümmer sowie das neue Kühlsystem.
Das Kurbelgehäuse mit Nanoslide-Zylinderbearbeitung ist eine Open-Deck-Konstruktion aus Aluminium für dieselähnliche Maximaldrücke bis 160 bar. Die neuen Druck- und Drehzahlniveaus verlangten auch einen verstärkten Kurbeltrieb mit geschmiedeter Kurbelwelle und hinsichtlich Gewicht und Festigkeit optimierten Kolben.
Im Brennraumdach sind Piezo-Injektoren und M10-Zündkerzen jetzt längs ausgerichtet, was grössere Auslassventile und -kanalquerschnitte und damit effizientere Gaswechsel ermöglicht. Die ebenfalls neue Einlasskanalgeometrie bringt eine höhere Tumble-Strömung in den Brennraum. Schnelles Ansprechverhalten und mehr Drehmoment schon bei niedrigen Drehzahlen ermöglicht die variable Ventilsteuerung Camtronic auf der Auslassseite. Diese arbeitet mit zwei unterschiedlichen Nocken, sodass die Ventile abhängig von der Fahrsituation kurz oder lang geöffnet werden können. Davon profitieren das Ansprechverhalten bei niedrigen Drehzahlen, Verbrauch und Komfort bei mittleren Drehzahlen und die Leistungsentfaltung im oberen Drehzahlbereich.
Immer schön cool bleiben
Aufgrund der hohen spezifischen Leistung treten Mitteldrücke von bis zu 32 bar auf. Das bedeutet, dass das Kühlsystem so ausgelegt werden muss, dass die Klopfgrenze nach oben verschoben werden kann. Um die Kühlmitteltemperatur im Kurbelgehäuse optimal zu halten, sind zwei Kühlkreisläufe getrennt ausgeführt und jeweils mit Pumpe, Thermostat und Kühler ausgestattet. Zwei Ölspritzdüsen pro Zylinder kühlen den Kolbenboden.
Die Ladeluftkühlung ist als indirekte Kühlung in einem weiteren Niedertemperaturkreislauf ausgelegt. Um die maximale Ladeluftabwärme auch bei hohen Aussentemperaturen mit einem einzelnen Ladeluftkühler abzuführen, wird der Kühlkreislauf um einen Chiller erweitert. Dieser senkt die Kühlmitteltemperatur nach dem Fahrzeugkühler und vor dem Ladeluftkühler. Damit ist eine perfekte Kühlung sowohl im Alltagsbetrieb als auch auf der Rennstrecke gewährleistet.
Der Twinscroll-Turbolader leitet das Abgas dank getrennter Kanäle perfekt auf das Turbinenrad. In Kombination mit der Auslass-Camtronic wird die Abgasenergie im Teillastbetrieb optimal genutzt. Neu gestaltet wurde ausserdem die Geometrie von Verdichter- und Turbinenrad, und für die Ladedruckregelung wird ein elektronischer Wastegate-Aktor eingesetzt.
Das zweistufige Einspritzsystem arbeitet mit Hochdruck-Piezo-Injektoren und Niederdruck-Magnet-Injektoren. Die Piezo-Injektoren befördern den Treibstoff mit bis zu 200 bar Druck in die Brennräume, und pro Arbeitsspiel sind bis zu acht Teileinspritzungen möglich. In Volllastnähe wird neben der Direkteinspritzung auch die Kanaleinspritzung aktiviert. Durch die Aufteilung der Einspritzmenge auf beide Systeme lassen sich die Vorteile der Direkteinspritzung mit den Vorteilen der Kanaleinspritzung kombinieren. Im Abgasstrang ist motornah ein beschichteter Partikelfilter der zweiten Generation eingebaut.