Kommt das CO2-Gesetz unter die Räder?

CO2 Die vom Nationalrat verabschiedete Total­revision des Gesetzes hat Konsequenzen für die ­Autofahrer. Aber es kündigt sich ein Referendum an.

Der Nationalrat hat die Totalrevision des CO2 -Gesetzes nahezu widerstandslos durchgewunken, im Dezember 2018 hatte er es noch abgelehnt. Am 10. Juni dieses Jahres nahm er es nun mit 135 zu 59 Stimmen an. Ziel des neuen Gesetzes ist es, die Verpflichtungen der Schweiz im Kampf gegen die Klimaerwärmung im Rahmen des 2015 unterzeichneten Pariser Abkommens umzusetzen.

Ab 2025 sollen Importeure von Fahrzeugen, die mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen, maximal 90 Prozent der Emissionen und mindestens 20 Prozent durch Massnahmen in der Schweiz kompensieren. Der Preis für einen Liter Benzin würde also bis 2024 um maximal zehn Rappen, ab 2025 um maximal zwölf Rappen steigen. 

Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. Während manche die angenommene Fassung als nahezu identisch mit den Entwürfen von Stände- und Bundesrat betrachten, behauptet insbesondere die SVP, der Nationalrat habe sie verschärft.

Referendum kündigt sich an
Die SVP bestätigte, dass Einzelpersonen und Unternehmen durch die Änderungen massive finanzielle Einbussen erleiden würden. Sie will deshalb das Schweizer Volk zu Wort kommen lassen und erwägt ein Referendum.

SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor hofft, dass «diejenigen Kreise, die unter anderem die Interessen der Autofahrer vertreten, gegen dieses nutzlose Gesetz Front machen und es durch ein Referendum bekämpfen, da es gerade jetzt, wo die Covid-19-Krise und die damit verbundenen Massnahmen vielen Mitbürger schwer zugesetzt haben, den Interessen der Bevölkerung zuwiderläuft». Der Walliser Politiker gehört innerhalb der Partei zu einer Minderheit, die sich dafür einsetzt, dass die SVP in dieser Kampagne die Führung übernimmt.

Der Parteivorsitzende und Nationalrat Albert Rösti ist der Ansicht, dass das CO2-Gesetz die Wirtschaft zu stark belaste und dem Klima nicht hilft, «weil andere Länder der Welt weit weniger tun». Er bestätigt, dass die SVP ein Referendum mit anderen Parteien und Wirtschaftsorganisationen ergreifen will und gegebenenfalls die Führung übernehmen werde.

Verschärfung oder nicht?
Und was ist mit der FDP, die offenbar weiter auf der grünen Welle mitschwimmt? Laut Nationalrat Philippe Nantermod hat das Schweizer Volk den klaren Willen gezeigt, ein CO2-Gesetz zu verabschieden: «Das gilt auch für unsere Basis, wie die Umfrage vom letzten Jahr zeigt.» Der Walliser fügt hinzu: «Wahrscheinlich wird es ein Referendum geben. Das Volk wird das letzte Wort haben, und ich denke, das ist die beste Lösung.»

Sein Parteikollege Jacques Bourgeois ist der Ansicht, dass der Vorschlag des Ständerats nicht verschärft wurde: «Wir konnten verhindern, dass alle Strafen für Fahrzeugimporteure, die derzeit in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds fliessen, in den Klimafonds einfliessen werden. Ich persönlich war gegen diesen Transfer, und es war der Vorschlag meines Kollegen Paganini, der sich mit einer Hälfte für den NAF und der anderen für den Klimafonds durchsetzte.» Der Freiburger ergänzt: «Was den Vorschlag einer Obergrenze von zehn und zwölf Rappen ab 2025 betrifft, so stammt er vom Ständerat, und wir haben ihn nur gebilligt.»

Optimismus bei den Linken
Es überrascht nicht, dass die linken oder grünen Parteien zufrieden sind. Der sozialdemokratische Nationalrat Samuel Bendahan glaubt nicht, dass die Bevölkerung das Gesetz ablehnen wird, da es  nicht so weitgreifend sei, sondern Vorhaben auf den Weg bringe, die von der Bevölkerung erwartet  würden. Er weiss jedoch aus Erfahrung, dass es möglich ist, 50 000 Unterschriften zu sammeln und ein Referendum zu starten, wenn man genügend Geld investiert.

Die Grünen unterstützen das Gesetz, selbst wenn sie es mit Blick auf den Klimanotstand für noch zu gemässigt halten. Daniel Brélaz ist sicher, dass es ein Referendum geben wird, so wie die SVP das ankündige. Laut Brélaz, der aus der Waadt stammt, würden alle Parteien ausser der SVP, deren Präsident auch den Vorsitz von Swissoil innehabe, das Gesetz unterstützen. Er weist darauf hin, dass den Elektrofahrzeugen Vorteile eingeräumt worden seien und dass die den Importeuren auferlegten Verpflichtungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu einer Verringerung des Benzinverbrauchs führten: «Letztlich werden alle Autofahrer, die auf Elektroantriebe umsteigen oder ein neues Hybrid- oder Benzinfahrzeug kaufen, für ihre Fahrten weniger als heute bezahlen, da die Senkung des Treibstoffverbrauchs mehr kompensiert als die Auswirkungen der zehn bis zwölf Rappen – weniger als acht Prozent des Gesamtpreises für Benzin.»

Benachteiligte Wirtschaft
In der Automobilindustrie ist die Unzufriedenheit greifbar. François Launaz, Präsident der Importeursvereinigung Auto-Schweiz, ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Parlaments nicht zum richtigen Zeitpunkt getroffen wurde: «Die Schweiz durchlebt eine Zeit grosser Schwierigkeiten, Zweifel und finanzieller Probleme, und es wird eine Erhöhung der Treibstoffpreise um zehn bis zwölf Rappen angekündigt, insbesondere ohne dabei an die Autofahrer zu denken, die gezwungen sind, mit dem Auto in Regionen zu fahren, die keine anderen Möglichkeiten bieten.» 

Der Präsident des Dachverbandes der Importeure bedauert ausserdem, dass die Finanzierung einer Ermässigung von vier Rappen für sogenannte Biotreibstoffe und weiteren vier Rappen für den NAF nicht erwähnt werde, wodurch die Steuern auf einen Liter Benzin in einigen Jahren um fast 20 Rappen stiegen. Er fordert mehr Ehrlichkeit. «Es ist nicht wahr, dass die Hälfte der Erhöhung an die Verbraucher umverteilt wird», sagt François Launaz. 

Im Namen der Importeure

MOTION SVP-Nationalrat Walter Wobmann reicht eine Motion ein, die Importeure von den CO2-Lenkungsabgaben befreien soll.

SVP-Nationalrat Walter Wobmann.

Seit diesem Jahr gilt ein Emissions-Flottendurchschnitt für neu zugelassene Personenwagen in der Schweiz von 95 statt bisher 130 g CO2/km. Allein, schon von 2015 bis 2019 wurde der geltende gesetzliche Zielwert hierzulande nie erreicht. Die Schweizer lieben eben luxuriöse, allradgetriebene SUV. Das heisst für die Importeure, dass sie zahlen müssen – und zwar massiv. 2019 waren es pro Gramm Abweichung und Auto 109 Franken (die Abgabe wird jährlich neu festgelegt). In der Summe ergab das 2018 rund 32 Millionen Franken, 2019 sogar über 100 Millionen. Selbst wenn nicht klar ist, wie viele Autos 2020 neu zugelassen werden (derzeit liegt man 50 Prozent hinter den Werten von 2019), werden die Strafzahlungen für die Importeure 2020 gigantisch. Gerechnet wird mit 200 bis 300 Millionen Franken. Das bedeutet für die Grossen wie Amag und Emil Frey voraussichtlich jeweils um die 100 Millionen Strafe. «Geld, das letztlich der Konsument via Kaufpreis bezahlt», sagt SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Dessen müssten sich die Konsumenten  bewusst sein. 

Im Namen der Importeure 
Noch in dieser Woche wird der Solothurner, seines Zeichens unter anderem Präsident der Föderation der Motorradfahrer der Schweiz (FMS), darum ­eine Motion einreichen, die fordert, dass die  CO2-Lenkungsabgaben für die Importeure 2020 und 2021 ausgesetzt werden. «Das ist ist ein logischer Schritt in einer ganzen Reihe von Massnahmen, die verhindern soll, dass die Bevölkerung in der Krise noch mit zusätzlichen Kosten belastet wird», sagt Wobmann. Sollte das neue CO2-Gesetz wie jüngst vom Nationalrat verabschiedet (s. oben) umgesetzt werden, kommen noch jede Menge weiterer Kosten auf die Bürgerinnen und Bürger zu. Die Benzinpreiserhöhung von 12 Rappen bedeute effektiv 20 Rappen pro Liter: «Zu den 12 Rappen kommen noch vier Rappen Steuererlass für Biotreibstoff sowie bald die bereits früher beschlossenen vier Rappen für den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds.» Wobmann moniert zudem, dass das Bussgeld aus der CO2-Lenkungsabgabe, das bisher in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) floss, fortan hälftig den neuen Klimafonds speisen soll: «Niemand weiss bisher, wie das Geld aus diesem Fonds eingesetzt wird.»

Die Importeure ihrerseits führen ins Feld, dass sie angesichts der Ausnahmesituation kein Geld vom Staat wollen wie in Deutschland, wo es Kaufprämien gibt. Man wolle lediglich einen Zahlungsaufschub. Schliesslich hätten die Hersteller wegen Corona gar nicht so viele saubere Autos produzieren respektive liefern können wie vorgesehen. Und sie hätten obendrauf ihrerseits viele krisengenerierte zusätzlichen Milliarden an Ausgaben zu stemmen. Geld, das auch hätte benutzt werden können, um die Strafzahlungen zu berappen. Von staatlichen Kaufprämien hält Wobmann übrigens gar nichts. «Nein, damit verkauft man sich wie die deutschen Hersteller an die Regierung.» Der Markt müsse spielen können – und zwar über alle Antriebsmodelle von Strom bis Diesel hinweg. 

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