Was zusammengehört

ANGEPASST Der Opel Corsa-E vereint deutsche und französische Technik, Kleinwagen-Know-How und Elektroantrieb. In der Summe ergibt das ein Auto, das, richtig eingesetzt, kaum Nachteile bietet.

Der Corsa-E soll Opels Weg in die elektrische Zukunft sein. Nach dem PHEV Grandland X Hybrid 4 ist der Corsa-E das erste richtige Elektroauto seit der Übernahme durch PSA.

Während bereits der normale Corsa stark von der Fusion profitieren konnte, weil er in letzter Minute noch auf die Common Modular Platform (CMP) von PSA portiert wurde, so ist der Corsa-E endgültig ein Kind der Partnerschaft zwischen Opel und Peugeot. Das ist für Opel ein sehr wichtiger Schritt nach vorn, der Ampera-E, der noch unter der Ägide von GM entstand, musste in Europa aus politischen Gründen sehr stiefmütterlich behandelt werden. 

Keine eigene Plattform
An den Grundzügen des Franko-Germanen ändert sich beim Elektromodell im Vergleich zum Verbrenner (s. Test in AR 12/2020) wenig. Das optische Gesamtpaket wirkt modern, aber nicht übertrieben: In der Frontansicht werden die grimmigen Scheinwerfer mit dem breiten Lufteinlass und der typischen Bügelfalte zu einem stimmigen Gesamtbild vereint, von der Seite sorgen der Dachkantenspoiler und das abgesetzte Dach für eine sportliche Optik, und in der Heckansicht ist er eben weiterhin – ein Corsa. Das trifft alles auch auf das Elektromodell zu, erst beim zweiten Mal Hinschauen offenbaren sich die E-Plakette an der B-Säule sowie am Heck. Und der Blick aufs Datenblatt zeigt schliesslich, dass der Radstand und die Spurweite an der Vorderachse um einige Millimeter zugelegt haben.

Auf den Platz im Innenraum wirkt sich dies freilich nicht aus, auch da hält sich der Corsa-E nah an seine Verbrennerbrüder. Das heisst, auf den vorderen Sitzen hockt man angenehm mit genügend Platz, auf der – allgemein nicht sehr komfortablen – Rückbank wird es für Erwachsene schnell einmal eng. Schade auch, dass man beim Corsa-E nicht auf einen Mitteltunnel verzichten konnte, so wie dies bei anderen Elektroautos der Fall ist. Dies ist dem Packaging geschuldet, da die E-CMP-Plattform, auf der der Corsa-E basiert, keine dedizierte Elektroplattform ist, sondern eine Weiterentwicklung der gewöhnlichen CMP. So ist die Batterie nicht flach im Unterboden angeordnet, sondern in 18 einzelnen Modulen überall dort verstaut, wo es Platz gibt: unter den Sitzen vorne und hinten, auf der ganzen Länge im Kardantunnel und unter dem Kofferraum. Dadurch fällt auch ein möglicher Stauraum unter dem Ladeboden, der als Aufbewahrungsort für das Ladekabel dienen könnte, dem Batteriepaket zum Opfer. Die Kabel liegen unschön lose im Kofferraum.

Benötigte Optionen
Apropos Ladekabel: Serienmässig wird beim Elektro-Corsa bloss ein Ladekabel für die Haushaltsteckdose mitgeliefert, was natürlich nicht wirklich etwas bringt, denn eine Vollladung an einem Hausanschluss mit 1.4 kW dauert ewig (40 Stunden und 9 Minuten gibt Opel dafür an). Wer nicht so viel Geduld hat, sollte sich entweder das Typ-3-Kabel bis 11 kW für 250 Franken kaufen oder gleich den Schnellladeadapter bis 22 kW für 1050 Franken.

Der Blick auf die Preisliste offenbart auch sonst noch einige merkwürdige Abhängigkeiten. So kommt man fast nicht darum herum, ins Infotainment zu investieren und entweder die Option Multimedia-Navi (640 Fr.) oder Navi Pro (1490 Fr.) hinzuzufügen, da sonst zeitversetztes Laden, Fahrmoduswahl (Eco, Normal, Sport) und Energieverbrauchsstatistiken nicht genutzt werden können.

Ein weiteres Detail: Die im Test des 1.2-Liter-Benziners gelobten Sitze mit Massagefunktion sind für den Corsa-E nicht erhältlich. Dafür gibt es exklusiv für den Corsa-E einen aktiven Spurassistenten für den moderaten Aufpreis von 390 Franken, weiterhin kann ein adaptiver Tempomat mit Stauassistent bestellt werden. Unter dem Strich kostet der elektrische Corsa bei vergleichbarer Ausstattung und Motorisierung rund 10 000 Franken mehr als der Verbrenner. Eine Preisdifferenz, die auch bei der Konkurrenz üblich ist.

Neben der Plattform haben es auch noch diverse weitere Bauteile aus dem französischen Mutterhaus in den deutschen Kleinwagen geschafft, weshalb auch der Innenraum ein nicht ganz kohärentes Bild abgibt: Infotainment, Wählhebel und Drive-Mode-Schalter sind klar französisch, der Rest ist deutsch. Somit wird die Klimaanlage über eine eigene Bedieneinheit gesteuert und nicht wie bei Peugeot über das Infotainment – was in diesem Fall eine gute Sache ist, da die Bedienung über den Zehn-Zoll-Touchscreen nicht ganz einwandfrei funktioniert. Des Öfteren reagiert er nicht oder nur sehr behäbig auf Eingaben. Das Lenkrad mit den Bedienelementen für Tempomat und Multimedia, die Lenkstockschalter und der Lichtschalter sind klar deutsch, ebenso das nutzwertorientierte rechteckige Sieben-Zoll-Display des Kombiintruments.

Geeignetes Gesamtpaket
Auch die Sitze sind kleinwagentypisch funktional, mit wenig Seitenhalt – was keine Schande ist, denn der Corsa-E ist kein Kurvenräuber. Er ist dank tieferen Schwerpunkts, steiferer Karosserie und direkterer Lenkung etwas sportlicher als der Verbrenner und meistert kurvenreiche Strecken mit Bravour, aber sein Revier bleibt der Nahverkehr.

Der 136-PS-Elektromotor bietet nicht viel mehr Drehmoment als der 1.2-Liter-Benziner mit 130 PS, aber dadurch, dass es direkt aus dem Stand anliegt, geht zügiges Fahren in der Stadt leicht vom Fuss. Auf Tempo 50 beschleunigt der Corsa-E ähnlich wie der 130-PS-Benziner in knapp drei Sekunden. Aber das Ganze geht viel müheloser als bei einem Verbrenner. Beim Ampelstart genügt ein einfacher Tritt aufs Gaspedal, um den kleinen Stromer nahezu lautlos anzutreiben.

Gebremst wird beim Corsa-E mit dem Bremspedal – ausschliesslich damit. Der B-Modus sorgt zwar für ein verstärktes Rekuperieren beim Loslassen des Gaspedals, aber One-Pedal-Driving ist nicht möglich, dafür reicht die Verzögerung nicht aus.

Die grosszügige 50-kWh-Batterie soll gemäss WLTP für eine Reichweite von 337 Kilometern ausreichen, ein realistischer Wert liegt etwa 20 Prozent darunter. Der Energieverbrauch nach WLTP liegt bei 16.8 kWh/100 km, auf der AR-Normrunde mit einem grossen Überland- und Autobahnanteil erreichten wir einen Schnitt von 19.6 kWh/ 100 km. Wieder einmal sei darauf hingewiesen, dass der Verbrauch bei einem Elektroauto noch viel stärker als bei einem Verbrenner vom Einsatzgebiet abhängt. Wer in der Stadt und im Langsamverkehr mit bis zu 50 oder 60 km/h unterwegs ist, wird problemlos unter den Normwert kommen. Auf der Autobahn steigt der Leistungsbedarf und damit der Energieverbrauch überproportional an, und die Reichweite schrumpft entsprechend.

Über Sinn und Unsinn von Elektroantrieben in grossen SUV kann man sich streiten, in einem praktischen Kleinwagen ist er sicher nicht fehl am Platz. Wer sich primär in der Stadt bewegt und gerne geräuscharm, lokal emissionsfrei oder einfach aus Prinzip elektrisch unterwegs sein möchte und bereit ist, dafür einen Aufpreis zu zahlen, der wird mit dem Gesamtpakt, das der Opel Corsa-E bietet, mehr als zufrieden sein. 

FAZIT
Der Opel Corsa-E unterscheidet sich technisch klar von anderen Elektroautos wie dem Honda E oder dem VW ID 3, deren Plattform von Grund auf neu entwickelt wurde, denn er basiert auf einer Abwandlung der CMP-Plattform für Klein- und Kompaktwagen von PSA. Das ändert nichts daran, dass er ein vollwertiges Elektroauto ist, dessen Antrieb für das Einsatzgebiet eines Kleinwagens voll ins Schwarze trifft. Preislich zwischen den Budget-Stromern wie Seat Mii und Co. und den Lifestyleautos wie Honda E und Fiat 500E angesiedelt, liefert er einen doppelt guten Job: Er ist ein guter Kleinwagen und ein gutes Elektroauto. Als Rückgrat der Marke wäre auch kein Modell besser geeignet als der Corsa-E, um diese Aufgabe im Hause Opel zu übernehmen.

Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

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