Teure Preispolitik

EXTRAS Welche Marken verlangen am meisten für zusätzliche Optionen? Wir haben die Basismodelle mit voll ausgestatteten ­Versionen in unterschiedlichen Segmenten miteinander verglichen.

Wie treue Leser nur allzu gut wissen, ist die Aufpreispolitik der Hersteller einer der häufigsten Kritikpunkte bei unseren Autotests. So rügen wir immer wieder die Angewohnheit gewisser Marken, jedes Extra und jede Mehrausstattung in Gold aufzuwiegen.

Wir haben Segment für Segment unter die Lupe genommen, um herauszufinden, welche Hersteller sich jede Ziernaht extra bezahlen lassen – und ob diejenigen, die sich mit dem Attribut All inclusive rühmen, wirklich so preiswert sind, wie sie vorgeben. Um dabei keine unfairen Voraussetzungen zu schaffen, haben wir Motor, Getriebe und Antriebsart als unveränderlich angenommen, egal ob Basismodell oder voll ausgestattet. Und voll ausgestattet bedeutet in unserem Sinne, dass wir Zubehörlinien grösstenteils ignoriert haben, also nicht noch Skiträger, Kindersitze und Dachboxen miteinbezogen haben – das würde zu sehr ausufern. Wenn es aber Sonderlackierungen, Zierelemente oder Heckflügel hinzuzufügen gab, so haben wir die natürlich ausgewählt.

Schnell stellt man fest: Die Optionslisten, ebenso wie die Zubehörlinien, variieren von Hersteller zu Hersteller enorm. Die Premiummarken bieten Möglichkeiten an, die es im Budgetsegment verständlicherweise nicht gibt. So weisen wir an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass die Preise von verschiedenen Modellen und Marken nicht miteinander vergleichbar sind. Ein voll ausgestatteter Audi A1 wird deutlich mehr Sonderausstattung haben als ein Seat Ibiza oder ein Dacia San­dero. Trotzdem erlauben es uns die Resultate, gewisse Trends in der Preispolitik der Hersteller zu erahnen.

Bei den SUV des B-Segments zeigt Ingolstadt, wozu man fähig ist, wenn es um Aufpreise geht: Zwischen der Basis und dem Top-Q2 liegen fast 84 Prozent – oder 30 000 Franken! Auch in diesem Segment zeigen sich die Premiumambitionen von Mazda mit 90 Prozent Aufschlag auf den CX-3. Hier gilt: Der Basispreis ist tief, entsprechend stark fallen Optionen ins Gewicht.

Keine Überraschungen
Es überrascht wohl niemanden, dass das deutsche Trio der sogenannten Premiumhersteller mit der am stärksten geöffneten Schere zwischen Basisversion und Vollausstattung glänzt. Mercedes schafft es auf eine Preisdifferenz von 68 Prozent, BMW auf 72 Prozent und Audi sogar auf 76 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Wer eine All-inclusive-Version mit der kompletten Vollausstattung erhalten will, bezahlt auf den Grundpreis noch einmal drei Viertel drauf. Bei der gemässigteren Konkurrenz wie Toyota oder Renault beträgt der Aufschlag übrigens zwischen 35 und 40 Prozent.

Wer sich beim Konfigurieren des A3 austobt, muss tief ins Portemonnaie greifen: Bis zu 91 Prozent Aufpreis sind möglich. Auch Alfa Romeo gönnt einem nichts und bietet für die zehn Jahre alte Giulietta Sonderausstattung im Wert von 88 Prozent des Grundpreises an. Am besten davon kommen Seat mit dem Leon und Toyota mit dem Auris (jeweils zirka 40 %).

Wirklich alles dabei?
Überraschenderweise können auch einige Marken, die sich vermeintlich einen Ruf als All-inclusive-Champions geschaffen haben, nicht gerade glänzen. So gibt es auch bei Hyundai, trotz einfachster Aufpreisstruktur, fast 50 Prozent Abweichung zwischen der Basisversion und einer Ver­sion mit umfassender Ausstattung. Die Erklärung dafür muss bei den sehr tiefen Einstiegspreisen gesucht werden, die für die spartanisch ausgestatteten Basisvarianten fällig werden. Einen Hyundai Kona 1.0 T-GDi mit 120 PS und Sechsgang-Handschaltgetriebe gibt es bereits ab 19 900 Franken, für eine wirklich komplette Ausstattung hingegen werden fast doppelt so viele Scheine nötig (36 000 Fr.). Allerdings ist auch dieser Preis noch mehr als konkurrenzfähig.

Ingolstadt – schon wieder: Plus 87 Prozent für den Q3. Aber auch VW verlangt beim Tiguan bis zu drei Viertel Aufschlag zum Grundpreis. Aber sowohl Audi als auch VW bieten eine massiv grössere Auswahl an Zusatzausstattung als die Konkurrenz. Der Mazda CX-30 ist eine angenehme Überraschung: Trotz edlen Interieurs und guter Ausstattung bleibt der Preis fair (+41 %).

Sogar Preis-Leistungs-Helden wie Škoda und Seat bekommen in diesem Spiel ihr Fett weg. Die Modelle des tschechischen Herstellers verzeichnen ­einen Preisunterschied von bis zu 49 Prozent, bei Seat sind es sogar bis zu 53 Prozent. Im Volkswagen-Konzern scheint das System zu haben, denn auch die Flaggschiffmarke selber weist über 50 Prozent Preisdifferenz auf. Allerdings bieten derzeit, zwecks Aufschwung nach der Krise, alle Marken erhebliche Rabatte und Prämien. 

90 000 Franken Aufpreis
Im Vergleich dazu sieht es bei den Sportwagen mit Preisunterschieden von 25 bis 35 Prozent vermeintlich günstig aus. Aber eben: Absolut betrachtet, ergibt sich dann doch ein anderes Bild – da können Extras schon mal 50 000 Franken und mehr kosten. Oder auch 90 000 Franken wie im Falle des Porsche 911 Carrera 4. Für diesen Preis gäbe es bereits einen Cayman. Ohnehin sticht Porsche hervor, was die Individualisierungsmöglichkeiten anbelangt – wer genügend Bares mitbringt, kann auf Wunsch selbst die Lüftungsdüsen mit exklusivem Leder in der Lieblingsfarbe überziehen lassen. 

Wie auch in den anderen Segmenten ist ein direkter Vergleich zwischen den Marken aufgrund von Ausstattungsunterschieden nicht möglich. Dennoch fällt auf, dass die deutschen Premiumhersteller mit ihrer Preispolitik weiterhin die Nase vorn haben. Am anderen Ende der Skala steht der Nissan X-Trail: Die Differenz zwischen Basis- und Vollversion beträgt nur 19 Prozent.
Wenn bereits die Basispreise hoch sind, werden die Unterschiede zu den All-inclusive-Ausstattungen prozentual geringer. Absolut gesehen sind sie aber umso grösser: Die
22 Prozent Aufpreis bei einem Audi R8 V10 bedeuten 50 000 Franken mehr! Wie eingangs erwähnt, lässt Porsche mit seinen exklusiven Individualisierungsprogrammen alle anderen hinter sich. Aussen und innen kann so ziemlich jedes Detail angepasst werden. Bei einem 911 Carrera 4S kommt die Sonderausstattung so auf den Gegenwert eines Cayman.

1 Kommentar

  1. Sportwagen:
    Interessant ist, dass ein voll ausgerüsteter Porsche gleich viel kostet wie der Basispreis bei einem R8 oder Mercedes AMG-GT.

    Hier fehlt für mich Ferrari und Lamborghini. Den Individualisierung ist in dem Segment alles.

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