Bis an die Grenzen des Machbaren

LIMITIERTE SONDERAUFLAGE Der Megane R.S. Trophy-R lotet sein Antriebskonzept bis auf das Äusserste aus: Er kennt keine Kompromisse.

Dass der Renault Megane R.S. ein scharfes Gerät ist, ist längst bekannt. Dass der Trophy nochmals einen draufsetzt, auch. Nun folgt der auf 500 Stück limitierte Trophy-R, der dermassen abgeht, dass er gleich mehrere Rekordzeiten in den Asphalt brannte (s. Seite 12). Der Gegner: Honda Civic Type R, bisher schnellstes aller frontgetriebenen Serien­autos in der grünen Hölle des Nürburgrings.

Vor noch nicht allzu langer Zeit verglichen wir  auf der Rennstrecke den ebenfalls schon radikalen Type R mit dem normalen Trophy (AR 42/2019). Rennstreckentauglichkeit damals: klarer Punkt für den Honda. Alltagstauglichkeit damals: klarer Punkt für den Renault. Damaliges Gesamtpaket für die öffentliche Strasse: Sieg nach Punkten für den Franzosen. Mit dem Throphy-R werden die Karten neu gemischt. Im Vergleich mit dem Renault geht der ultrasportlich abgestimmte Civic gar als komfortabel durch. Der Trophy-R setzt voll auf Performance – und lässt den Type R damit zumindest auf der Rennstrecke locker hinter sich. Als Tracktool lotet der Franzose das Frontantriebskonzept bis aufs Äusserste aus. Damit der wilde Ritt durch Haarnadelkurven nicht zum Rodeo wird, braucht es vorderhand viel Gefühl. Denn in engen Bergkehren scheuern die 300 PS und 400 Nm des 1.8-Liter-Turbos – überdies derselbe Motor wie im Trophy und damit mit 9.0 l/100 km auch ähnlich durstig – ordentlich Gummi von den Pirelli PZero Nero GT. Die eigens entwickelten Bridgestone Potenza S007 mit besserem Grip sind dem optionalen Karbonkeramik-Paket (s. Box) vorbehalten. Ja, die Traktion am Kurvenausgang könnte besser sein. Oder anders: Beim harten Herausbeschleunigen will der Trophy-R durchaus gezähmt werden. Trotz Sperrdifferen­zials und eines um ein Grad erhöhten, für eine Strassenabstimmung stark negativen Sturzes an der Vorderachse (–2.05 Grad) zerrt der R gehörig am Lenkrad.

Deutlich abgespeckt
Das Fahrwerk ist hart, um nicht zu sagen bretthart, weshalb der Kompakte ungemein satt auf der Strasse liegt. Übermässiger Komfort? Muss nicht sein, immerhin handelt es sich um eine Rennsemmel mit Strassenzulassung. Durch unzählige Aero­dynamikmassnahmen saugt sich der Trophy-R am Untergrund fest und gibt dessen Beschaffenheit beinahe ungefiltert an den Fahrer weiter.

Auf der Motorhaube sorgt die Naca-Lufteinlasshutze für minimale Verwirbelungen und geringeren Luftwiderstand. Die unter dem Stossfänger platzierte Lamelle wurde angepasst, um die aerodynamische Balance zwischen Front und Heck zu optimieren. Die Verschalung am Unterboden führt die Luft in Richtung Diffusor, der aus Karbon gefertigt und direkt aus der Formel 1 abgeleitet ist. All das erhöht den Anpressdruck, was insofern wichtig ist, als dass die Hinterachse doch um einiges leichter geworden ist.

Auch die äusserst markant bollernde und nicht selten knallende Titan-Auspuffanlage ist an den Heckdiffusor angepasst. Nebst der verbesserten Aerodynamik reduziert die Akrapovic-Lösung das Gewicht um sechs Kilogramm. Die Gewichtsreduktion nimmt im Trophy-R besonders konsequente Formen an. Im Vergleich zum normalen Trophy bringt der R 130 Kilogramm weniger auf die Waage (1306 kg).

Die Verbundlenker-Hinterachse spart weitere 38 Kilogramm an Gewicht ein. Die Öhlins-Stossdämpfer des Sportfahrwerks können vorne wie hinten separat auf Zug und Druck eingestellt werden. Das macht das Auto einerseits leichter und gibt andererseits ein direkteres und heckbetonteres Fahrgefühl. Die für den Strasseneinsatz grandiose Allradlenkung wurde also der Abmagerungskur geopfert. In letzter Konsequenz wurden die Rücksitze wegrationalisiert (–25.3 kg). Die Abgrenzung zum Kofferraum bildet eine Domstrebe, auf der Abdeckung der Rückbank können zusätzliche Reifen für die Rennstrecke fixiert werden – oder aber ein neu gekauftes Möbel. Durch den erhöhten Kofferraumboden wird der Trophy-R zum veritablen Raumwunder. Schneller lässt sich in diesem Segment kaum ein Billy-Regal transportieren.

Den Innenraum übernimmt der Trophy-R vom normalen Trophy. Dem R eigen sind die Modifikationen von Sabelt und Akrapovic. Vorne kommen 355-Millimeter-Bremsscheiben und neue 42-Millimeter-Vierkolben-Zangen von Brembo zum Einsatz.

Einigermassen kurios ist die Tatsache, dass die hinteren Türen gleich ausgekleidet sind wie die vorderen. Das ist ein erstes Anzeichen dafür, dass der Trophy-R entgegen den Aussagen von Renault doch keine komplette Neuentwicklung ist, sondern lediglich – konsequent und durchdacht – an den richtigen Schrauben bei der R.S.-Basis gedreht wurde. Allgemein unterscheidet sich der R in der Handhabung im Innenraum kaum von seinen Brüdern. Das Dashboard, das Lenkrad, alle Hebel und die Menüführung des Infotainments wurden übernommen. Einzig der hochkant gestellte Touchscreen ist aus Gewichtsgründen um 1.7 auf 7.0 Zoll geschrumpft. Interessant ist, dass über den Bildschirm nach wie vor die individuellen Einstellmöglichkeiten für das Fahrwerk vorhanden sind. Freilich ändert sich dadurch nichts, die Abstimmung springt jeweils auf den Ursprungswert zurück.

Dreistufig in der Höhe verstellbar sind die Sabelt-Schalensitze (–14 kg). Gut ausgeformt, bieten sie nebst viel Seitenhalt durchaus Langstreckenkomfort. Sehr atmungsaktiv ist der Alcantara-Bezug allerdings nicht, bei der möglichen Querdynamik des R kommt man so zusätzlich ins Schwitzen.

Der letzte Schliff
Wie bereits angetönt, bietet das bisher leistungsstärkste Serienfahrzeug in der Renault-Geschichte Traktion satt. Zum Vergleich: Der Mittelmotorsportler Alpine A110S durchfährt Kurven aufgrund der besseren Gewichtsverteilung noch einen Tick filigraner. Dennoch ist die Alpine etwas zurückhaltender, leiser, komfortabler als der Megane. Der Trophy-R ist definitiv das kompromissloseste Fahrzeug im Renault-Fuhrpark. Und selbst wenn der Franzose am Kurvenausgang gelegentlich etwas Traktion vermissen lässt, dann nur, weil der omnipräsente R-Charakter gehörig dazu verleitet, immer voll durchzutreten. Unterstützend hilft die präzise Lenkung, den R selbst nahe am Limit millimetergenau und kontrolliert zu platzieren. Etwas weniger passend ist die Sechsgang-Handschaltung. Nicht etwa, weil die Gassen zu lang oder zu ungenau geführt wären. Ganz im Gegenteil. Nur sind die Schaltvorgänge nicht ganz so befriedigend wie bei der Konkurrenz (s. Fazit) sind. Der Schaltknauf dürfte sich hochwertiger anfühlen, die Plastikabdeckung oben stört doch gehörig.

Womit wir zum Schluss etwas auf die sauber dosierbare und angemessen verzögernde Bremse treten. Während vorne alles vom Feinsten ist, verlieren sich die Bremsscheiben hinten in den 19-Zoll-Leichtmetallfelgen. Der Verzögerung im Alltag tut dies keinen Abbruch. Trotzdem ist es eines der wenigen Zugeständnisse an – ja, an was eigentlich? Am Preis von 63 740 Franken (ohne Karbon-Paket für weitere 29 000 Fr.) kann es nicht liegen. Zumindest optisch hätten grössere Scheiben dem derzeit schärftsten Franzosen den letzten Schliff gegeben – verführerisch ist der R aber auch so. 

Noch exklusiver ist nicht möglich
Wem die Auflage von 500 Stück (50 in der Schweiz) nicht exklusiv genug ist, der kommt um das Karbon-Paket kaum herum. Weltweit werden nur 50 Trophy-R in dieser Konfiguration ausgeliefert, für die Schweiz sind zwei Autos reserviert. Trotzdem: Für den Strasseneinsatz lohnen sich die Modifikationen kaum. Für 29 000 Franken Aufpreis gibt es Front-Lufteinlassöffnungen anstelle der RS-Vision-Scheinwerfer im Zielflaggendesign. Auffällig sind die goldigen Bremssättel der vorderen Karbonkeramik-Bremsscheiben mit 390 Millimeter Durchmesser. Die Abstimmung erforderte eine spezifische Kalibrierung von ABS und ESP, damit das System eine – auf der Rennstrecke – konstantere Bremsleistung und längere Betriebszeiten ermöglicht. Das Highlight sind die pro Rad nochmals um zwei Kilogramm leichteren 19-Zoll-Karbonräder. Als Bereifung kommen die eigens entwickelten Niederquerschnittreifen Bridgestone Potenza S007 zum Einsatz.

FAZIT
Renault-Chefingenieur François-Xavier Delange erklärte, dass der Trophy-R nicht gebaut wurde, um Rekorde zu brechen. Dass er das nun tut, ist beeindruckend. Mit dem R setzen die Franzosen der Megane-
Baureihe die Krone auf. Darüber, ob sich der sportliche Preis für die Strasse lohnt, lässt sich streiten. Zumal es mit dem Karbon-Paket noch exklusiver geht. Dafür gäbe es einen Porsche 718 Cayman S oder gleich zwei Honda Civic Type R. Sicher ist, dass der japanische Konkurrent – trotz riesigem Flügel – die Blicke nicht annähernd so stark auf sich zieht. Durch die limitierte Stückzahl scheint der Renault zudem wertstabiler als der Honda. Auch – und davon ist leider auszugehen – weil der Trophy der letzte sportliche Megane mit reinem Verbrenner sein wird.

Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

«Der Trophy-R beweist die Kompetenz von Renault Sport»

TESTFAHRER Laurent Hurgon spricht über die ­Entwicklung des Trophy-R.

Testfahrer Laurent Hurgon hat die ­Entwicklung des Trophy-R begleitet.

Die Ära der reinen Verbrenner neigt sich wohl oder übel dem Ende zu, und Renault Sport wollte mit dem Megane R.S. Trophy-R noch einmal ein Zeichen setzen. Wir haben uns mit Testfahrer Laurent Hurgon unterhalten, der die Entwicklung des Kompaktsportlers begleitete.

Automobil Revue: Laurent Hurgon, was ist die Philosophie hinter dem Trophy-R?
Laurent Hurgon: Im Zentrum der Entwicklung standen Puristen, die es gewohnt sind, auf der Rennstrecke zu fahren. Wir haben ein Auto gebaut, das nicht ganz einfach zu fahren ist und das eine gewisse Erfahrung erfordert, um es an seine Grenzen zu bringen. Wir haben viel Zeit investiert in die Verbesserung der Vorderachse, des Fahrverhaltens und der Wankstabilität und ein Auto konstruiert, das sehr reaktiv ist auf Lastwechsel. Es ist, als führe man einen Serienwagen mit den Einstellungen eines Rennwagens.

Welche Einstellungen kamen für die Rekord­fahrten zum Einsatz?
Auf den schnellen Strecken wie Nürburgring oder Spa-Francorchamps hatten wir minimale Bodenfreiheit, um den Luftwiderstand zu verringern und Höchstgeschwindigkeit zu gewinnen. Für Spa mit nahezu perfektem Belag haben wir die Stossdämpfer hart gestellt. Am Nürburgring mit seinem unebenen Belag haben wir die Aufhängung weicher gemacht, um Unebenheiten besser aufzufangen. Auf den langsameren Strecken legten wir das Auto etwas höher, da wir keine hohe Höchstgeschwindigkeit brauchten und so noch etwas Federweg gewinnen konnten. Je tiefer das Fahrzeug liegt, umso schneller schlagen die Stossdämpfer durch.

Weshalb hat der Trophy-R keine Allradlenkung?
Wir wollten maximale Gewichtsreduktion und haben ein Auto für Puristen gebaut, die so wenig Unterstützung wie möglich wollen. Das Fehlen der Allradlenkung wird kompensiert durch einen grösseren Sturz der Vorderräder.

Was spricht dafür, einen Trophy-R statt einer Alpine A110 zu kaufen?
Die beiden Autos haben zwei ganz unterschiedliche Philosophien. Bei der Alpine steht der Fahrspass im Vordergrund, das Fahrverhalten ist angelehnt an die alte A110. Das waren relativ komfortable Autos, die aber schon bei tiefen Geschwindigkeiten viel Spass machen. Die reine Performance stand da nicht im Vordergrund, sondern das Auto soll leicht zu beherrschen sein. Der Megane ist das pure Gegenteil: Der Fokus liegt auf der Performance. Wir wollten eine Ikone bauen, da es vermutlich das letzte Fahrzeug seiner Art mit Verbrennungsmotor sein wird. Der Trophy-R beweist die gesamte Kompetenz von Renault Sport. 

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