Die glorreichen Zeiten von Monteverdi-Luxusschlitten und unkaputtbaren Saurer-Lastwagen sind schon längst vorbei. Aber: Saurer hat sich zu einem der grössten Textilmaschinenhersteller der Welt gewandelt, und die Schweizer Zuliefererindustrie stemmt einen Jahresumsatz von 12.3 Milliarden Franken. Dafür werkeln immerhin 34 000 Mitarbeiter.
Diese Zahlen hat Anja Schulze erhoben. Die Professorin ist an der Universität Zürich tätig und auch Direktorin von Swiss CAR, dem Center for Automotive Research. Seit 2008 führt sie diese Untersuchungen durch. «Diese Autozulieferer sind häufig KMU und sehr breit aufgestellt, beispielsweise auch in der Medizinaltechnik», sagt Schulze zur Begründung, wieso diese bedeutende Branche nicht wirklich bekannt ist.
Schulze sieht «dramatische Einbrüche in einem ohnehin schon angespannten Sektor», wo der Grossteil des Umsatzes noch in «den alten Technologien» erfolge. Das führt zur Frage, ob diese Unternehmen über genügende finanzielle Rücklagen verfügen, um innovativ bei der Elektrifizierung des Transportwesens dabei zu sein.
Industrie ist verhalten positiv
Ein Rundruf bei einigen dieser Zulieferer ergibt ein eher erfreuliches Bild. «Unsere Kunden brauchen die Fahrzeuge mehr denn je», sagt Martin Kyburz. Die Elektrodreiräder von Kyburz aus Freienstein ZH werden in der Schweiz oder in Australien für die Postzustellung verwendet. Daher ist hier bislang «nur marginal ein finanzieller Schaden entstanden», es seien keine staatliche Hilfe in Anspruch genommen worden, konstatiert Kyburz. «Eine Herausforderung» stelle aber die Organisation von Transporten für den Import von Materialien und den Export der Produkte dar.
Auch Panolin in Madetswil ZH, spezialisiert auf die Herstellung von Hydraulik- und Motorenöle, bestätigt, dass «bislang kein finanzieller Schaden» entstanden sei. Der Familienbetrieb in dritter Generation, dessen Öle zum Beispiel die Schleusen des Panamakanals in Betrieb halten oder auch das Riesenrad London Eye, verspürt «bei den Werkstätten eine gewisse Stabilität in der Auftragslage». Auch der Karosseriebetrieb Hess in Bellach SO konnte «unter Einhaltung der erforderlichen Schutzmassnahmen den Betrieb stets aufrechterhalten». Hess hat bei Flughafenbussen einen Weltmarktanteil von 75 Prozent und ist auch stark bei Trolleybussen im öffentlichen Verkehr vertreten.
Nicht ganz so rosig sieht es bei Autoneum in Winterthur ZH aus. Der Weltmarktführer in Akustik- und Dämmtechnik bei Fahrzeugen ist «als internationaler Zulieferer mit 55 Produktionsstätten weltweit von der Pandemie und damit einhergehenden Restriktionen betroffen». Im Verlauf des Monats Mai hofft Autoneum, überall die Produktion wieder hochfahren zu können. Aber welche Dimension der Umsatz- und Ertragsrückgang im Jahr 2020 haben werde, das sei «heute noch nicht abschätzbar». Immerhin laufe in China bereits seit «einigen Wochen die Produktion bei Kunden und in unseren Werken wieder».
Händler sind stärker betroffen
Etwas düsterer ist die Stimmung bei den grossen Autoimporteuren. Platzhirsch Amag mit 4.6 Milliarden Umsatz im letzten Jahr lebt zurzeit davon, «dass wir sehr gut ins 2020 gestartet sind und so die Delle etwas abgefedert werden konnte». Dass die Werkstätten offenblieben, half zusätzlich. Über die finanziellen Schäden möchte man als Familienunternehmen nicht öffentlich reden, man habe aber mit der Anmeldung für Kurzarbeit in einigen Abteilungen die Auswirkungen abfedern können und dabei die 20 Prozent Lohndifferenz zur Kurzarbeitsentschädigung übernommen.
Der Verband Freier Autohandel Schweiz (VFAS) setzt auf die Agilität seiner «Vollblut-Unternehmer». «Da vom öffentlichen Verkehr abgeraten wurde, haben viele unserer Mitglieder auch Mietwagen angeboten.» Allerdings: «Die Umsatzeinbussen im Fahrzeughandel bewegen sich während des Lockdowns bei über 80 Prozent», sagt Stephan Jäggi vom VFAS. Obwohl viele der freien Händler Kurzarbeit beantragt hätten, trügen aber die Händler den «Grossteil der finanziellen Einbussen selber». Ob es zu einer Pleitewelle komme, hänge auch davon ab, ob der Bundesrat den bereits am 19. März in Bern deponierten Forderungen des VFAS nachkomme. Es sei jetzt der richtige Zeitpunkt, dass die «staatlichen Ungleichbehandlungen beendet» werde, um «dem durch die Krise gebeutelten freien Handel gleich lange Spiesse wie den Generalimporteuren zu gewähren», fordert Geschäftsleiter Jäggi.
Auch die Ems-Chemie Holding hat eine bedeutende Sparte von Produkten für die Autoindustrie. Die Bündner Firma rechnet «aufgrund des äusserst negativen Marktumfeldes mit einem Ergebnis unter Vorjahr». Man bleibe aber «dank der innovativen Spezialkunststoffen profitabel». Im Übrigen habe Ems seit Beginn der Corona-Krise «weder Kurzarbeit noch irgendwelche Unterstützungsleistungen beantragt». Nun sei es wichtig, dass die Autohändler rasch wieder öffnen könnten, man sei «zuversichtlich, dass sich die Autobranche wieder erholt, denn individuelle Mobilität» sei weiterhin ein grosses Bedürfnis.
In der ganzen Autobranche sind sowohl die KMU wie auch die grossen Töffs recht gut aufgestellt und optimistisch, durch Schweizer Flexibilität und Innovationskraft auch mit diesem Virus fertigzuwerden.