Dies gleich zu Beginn: Der Škoda Superb ist ein superbes Automobil. Er bietet unglaublich viel Platz, einen starken Motor und auch noch Allradantrieb zu einem erstaunlich kundenfreundlichen Preis. Aber – und da muss nun etwas ausgeholt werden – es fällt uns, zum Beispiel, zunehmend schwer, unter den vielen Produkten des Volkswagen-Konzerns noch Eigenheiten und Einzigartigkeiten zwischen den Autos zu finden. Optisch entspricht der Superb innen wie aussen der Designsprache von Škoda (beim aktuellen, sehr dezent ausgefallenen Facelift wurden die Linien etwas nachgeschärft), aber abgesehen davon werden die Unterschiede zu VW verschwindend klein. Plattform, Antriebsstrang, Assistenzsysteme, Infotainment – sie alle sind die gleichen wie in noch so manchen Brüdern und Schwestern aus dem Konzern.
Die Grösse zählt
Die grösste Stärke des Tschechen liegt wie bei den Vorgängern in seiner schier unendlichen Grösse. Wie der Scala und der Octavia ist der Superb mehr als einen Zacken grösser als der Rest des Segments, der grosse Tscheche bewegt sich schon fast auf dem Niveau einer E-Klasse. Sicherlich, was den Laderaum angeht: Mit 1950 Litern Laderaum bietet er mehr als ein Passat, eine E-Klasse hat 1820 Liter, die Konkurrenz aus Frankreich, der Peugeot 508, bietet 1780 Liter. Dies natürlich bei abgeklappter Rückbank, was glücklicherweise per Handgriff aus dem Kofferraum möglich ist. Zusätzlich gibt es auch noch weitere clevere Features wie eine Durchreiche und einen zweiten Ladeboden.
Nicht nur für das Gepäck, auch für die Insassen gibt es mehr als genug Platz, die Beinfreiheit ist auch auf den Rücksitzen mehr als genügend, und vier Erwachsene können bequem reisen im Superb. Oder aber man lässt sich chauffieren, der Platz hinten rechts bietet so viel Raum, dass man es sich auch mit Laptop gemütlich machen kann. Schade, sind die Sitze auf der Rückbank kaum konturiert und bieten dadurch auch keinen Seitenhalt.
Von den Vordersitzen lässt sich das hingegen nicht behaupten. Als Sportline beinhaltet die Limousine attraktive Sportsitze, die ordentlich Seitenhalt und eine tiefe Sitzposition bieten. Die Karbonapplikationen sind schön gemacht und passen gut in den Materialmix, der von schwarzem Leder und Klavierlack dominiert wird. Moment – Karbonapplikationen und Sportsitze? Ist es ein neuer Superb RS? Nein, das dann doch nicht, aber die 272 PS, die der 2.0 TSI leistet, machen unseren Testwagen zum aktuell stärksten Modell in der Palette der Tschechen.
Konzern-Antrieb
Beim Antrieb lässt der Superb seine Herkunft gut erkennen. Der EA888 ist ein Konzern-Motor, kam früher im Golf GTI zum Einsatz, heute setzt vor allem Audi auf den Zweiliter-Vierzylinder. Ausserdem ist er natürlich noch im VW Passat R-Line verbaut, der unter dem Blech ohnehin der (zweieiige) Zwilling des Superb ist. Das sagt eigentlich schon alles: Das Auto ist schnell, der Motor wird bei höheren Drehzahlen auch lebendiger, ansonsten fühlt er sich aber wie erwartet VW-typisch steril an. Er läuft zwar sehr gut, aber Charakter? Fehlanzeige. Da hilft es auch nicht, dass der angebliche Sportler über einen Sport-Modus verfügt und mit Launch-Control in sechs Sekunden auf 100 km/h rennt. Denn sobald die ersten Kurven kommen, wird das grosse Problem des grossen Tschechen offensichtlich: Das Fahrwerk ist viel zu weich und zu nachgiebig abgestimmt. Jede Lenkbewegung an der – VW-typisch – eher gefühllosen Lenkung wird mit starkem Wanken und Nicken quittiert, die Dämpfer sind so weich wie die Kurvenstabilisatoren. Mit dem adaptiven Fahrwerk kann das zwar ein wenig aufgefangen werden, aber trotzdem passt das so gar nicht zu der sportlichen Aufmachung und dem kräftigen Motor. Das unsportliche Fahrverhalten erstaunt auch einigermassen, da wir beim VW Passat (Test AR 10/2020) noch voll des Lobes waren für die straffe und sportliche Abstimmung des Fahrwerks.
Das klingt alles sehr negativ, ist es aber natürlich nicht. Wie gesagt – der Superb ist auch beziehungsweise gerade mit dieser starken Motorisierung ein wirklich gutes Auto. Das Problem ist nur die Diskrepanz zwischen der sportlichen Aufmachung sowie dem kräftigen Motor und dem indirekten, unpräzisen, Fahrverhalten. Solange es nicht sportlich sein muss und man damit leben kann, einfach ein schnelles Auto fürs komfortable Fahren zu haben, ist der Superb sehr gut. Der Tscheche hat noch einen weiteren Trumpf im Hemdsärmel: Als einziger Benziner im Line-up bietet der 272-PS-Motor einen Allradantrieb. Das zusätzliche Gewicht und die rotierenden Massen drücken den Verbrauch allerdings ordentlich nach oben. Auf 7.4 l/100 km brachten wir es auf der AR-Normrunde, über 9 l/100 km waren es im Schnitt über die gesamte Testdauer.
Fahrassistenten
Komfortabel gleiten, um das noch einmal aufzugreifen, geht ganz gut mit dem Superb Sportline. Oder auch: fahren lassen, denn auch bei der Fülle an Fahrassistenzsystemen ist Škoda längst auf dem Niveau der internen Konkurrenz. Der Superb verfügt eigentlich über alles, von Parkautomatik über den aktiven Spurhalteassistenten bis zum adaptiven Tempomaten.
Letzterer ist – auch das ein konzernweites Problem – immer noch ein zweischneidiges Schwert. Wenn er macht, was er soll, macht er das sehr gut: Die Abstandsregelung arbeitet sanft, im fliessenden Autobahnverkehr überholt er nicht rechts, wenn die linke Spur belegt ist, und dank Miteinbezugs der GPS-Daten verlangsamt das Fahrzeug vor Kreuzungen oder engen Kurven selbständig auf eine angemessene Geschwindigkeit. Das Problem: Das System funktioniert des öfteren nicht, was schnell einmal zu gefährlichen Situationen führen kann, wenn der Tempomat auf der Autobahn bei Tempo 130 auf der Überholspur den Anker wirft in der Meinung, es befände sich auf der abzweigenden Ausfahrt. Die Hoffnung bleibt, dass das per Softwareupdate irgendwann einmal behoben werden kann. Aber bis dahin ist es vermutlich sicherer, das System zu deaktivieren – was doch etwas schade ist, denn der GPS-gestützte Tempomat würde theoretisch sehr entspanntes Reisen ermöglichen.
Die rund 64 000 Franken, die für unseren Testwagen inklusive Optionen und Rabatte fällig werden, sind im Škoda-Universum kein Schnäppchen mehr, aber trotzdem ein sehr fairer Preis. Wer ein geräumiges, leistungsstarkes und komfortables Auto sucht, das auch noch Allradantrieb bietet – echten Allradantrieb, nicht einfach ein Elektromotor auf der Hinterachse –, wird wenige attraktivere Alternativen finden. Bei Mercedes, BMW und Volvo kostet etwas Vergleichbares mindestens 20 000 Franken mehr, und auch beim Konzernbruder Passat R-Line sind es noch rund 10 000 Franken. Wer auf ein teures Markenlogo als Statussymbol verzichten kann, kann im Škoda Superb ein überzeugendes Gesamtpaket finden.
FAZIT
Der Škoda Superb Sportline mit dem 272-PS-Benziner hat zwei grosse Stärken: sein schier endloses Platzangebot und den Fahrkomfort. Wer sich von der Bezeichnung verleiten lässt, wird jedoch enttäuscht werden: Dieser Kombi ist nicht primär sportlich. Die schönen Halbschalensitze, die Karbonapplikationen und das abgeflachte Lenkrad geben zwar ein sportliches Bild ab. Und der kräftige – charakterlose – Antrieb mit 4×4 macht das Auto auch ordentlich schnell. Wer auf der Suche ist nach «primär Komfort – gelegentlich Fahrspass», wird sich über den Superb Sportline freuen. Wer vor allem sportlich fahren will, wird mit beispielsweise einem Kombi von BMW besser bedient sein. Er bezahlt dafür aber auch deutlich mehr als die rund 60 000 Franken, die Škoda für den Superb verlangt.
Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.