Ein Vierzylinder kam nicht in Frage, denn deren Einsatz im Boxster und Cayman anstelle der Sechszylinder-Boxermotoren als Zugeständnis an die CO2-Normen wurde nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen. Die Leistung der Downsizing-Motoren steht ausser Zweifel, da sind sie sogar besser als die alten Sechszylinder. Doch so angriffslustig sie sich auch geben mögen, in Sachen Klang und Charakter können sie mit den Vorgängern nicht mithalten. Porsches Ankündigung der Rückkehr zum Sechszylinder-Sauger sorgte deshalb für Begeisterung.
Dusche inbegriffen
Um sich seinen Platz im Line-up zu sichern, zeigt der Spyder Reminiszenzen an den legendären 550 Spyder, etwa mit den Höckern hinter dem Cockpit. Auch auf den elektrischen Verdeckmechanismus wurde verzichtet, das Öffnen und Schliessen des Daches erfolgt von Hand. Man muss also aus dem Auto aussteigen, die beiden Verdeckenden lösen und die Motorhaube öffnen, um das Dach zu verstauen. Auch mit Verdeck verliert der Spyder nur wenig von seiner Anmut, wobei die beiden am Heck befestigten Verdeckenden der Dachlinie zusätzliche optische Spannung verleihen. Zum bühnenreifen Auftritt tragen neben der aerodynamischen Formgebung beispielsweise die neu gestalteten Stossfänger bei oder der imposante Heckdiffusor. Der Spyder ist eben trotz seiner lässigen Erscheinung nicht zu Spässen aufgelegt.
Funktional, aber gealtert
Im Innenraum sind die für den Spyder typischen Elemente diskreter ausgefallen. Sie zeigen sich nur an wenigen Stellen wie den Türgriffen, die durch Gewebegurte ersetzt wurden. Darüber hinaus prangt der «Spyder»-Schriftzug auf den Kopfstützen der schönen Karbon-Schalensitze, eine Option, die Sie um 6510 Franken ärmer macht. Die Sitzposition ist trotz der fixen Neigung der Rückenlehne ausgezeichnet.
Zu unserer grossen Freude bleibt die Instrumententafel weitgehend analog, allerdings findet sich auch noch Platz für einen Bildschirm. Auch das Armaturenbrett und der Mitteltunnel sind alte Schule geblieben, wie die unzähligen Knöpfe beweisen. Beide sind ein Überbleibsel der traditionellen Eine-Funktion-ein-Knopf-Bedienung von Porsche. Im Vergleich zu den jüngsten Modellen aus Zuffenhausen sieht das Cockpit tatsächlich veraltet aus, die gewünschte Funktion zu finden, kann etwas gewöhnungsbedürftig werden. Die Verarbeitung hält, was das Wappen auf der Haube verspricht, und gibt keinerlei Anlass zur Kritik. Unter der vorderen Haube verbirgt sich ein 150 Liter fassender Kofferraum, der gerade genügend Platz für einen Weekender oder einige Einkäufe bietet. Der Innenraum bietet den zwei Passagieren lediglich Platz für ein Smartphone unter der Mittelarmlehne und Kleinkram in den Ablagefächern der Türen.
Saugertypische Werte
Ganz nach Porsche-Tradition erfolgt das Starten des Motors mit dem Schlüssel auf der linken Seite des Lenkrads. Der Sechszylinder erwacht mit einem durchdringenden Knurren zum Leben. Der Sound passt ideal zur niedrigen Sitzposition oder dem in perfekter Reichweite liegenden Schalthebel. Wir werfen einen Blick unter die Haube. Der Hubraum von vier Litern könnte täuschen, aber es ist nicht das gleiche Aggregat, das den 911 GT3 antreibt. Dieser Motor wurde aus dem Dreiliter-Turbo des letzten 911 entwickelt – unter Verzicht auf den Turbo. Während der Drehzahlmesser ein beeindruckendes Maximum von 8000 U/min anzeigt, werden die 420 PS bei 7600 U/min erreicht. Das Drehmoment entwickelt sein Optimum von 420 Nm zwischen 5000 und 6800 U/min. Saugertypische Werte also, die man seit der Verbreitung der Turbomotoren nicht mehr gewohnt ist.
Durchzug ist das Schlüsselwort
Im Alltagseinsatz entfacht der Spyder ausreichend Power, um blitzschnell zu überholen, wobei er bereits zwischen 1500 und 2800 U/min 340 Nm Drehmoment liefert. Man kommt nicht umhin, sich in das direkt ansprechende Gaspedal zu verlieben: Die Natürlichkeit, mit der der Sechszylinder gehorcht, ist verdammt erfrischend in einer Zeit, in der man immer auf das Einsetzen der Turbos warten muss. Der Vortrieb und das Crescendo, das die Kurbelwelle beim Hochdrehen erfasst, wirkt auf den Fahrer wie ein Jungbrunnen. Der Sechszylinder-Boxer, schon im mittleren Drehzahlbereich kraftvoll unterwegs, steigert sich ab etwa 4000 U/min in Rage und entwickelt seine volle Wucht praktisch ab 5000 U/min. Das Schlüsselwort hier ist Durchzug – die Achillesferse aller Turbomotoren. Dabei ist der Sechszylinder-Boxermotor einigermassen durstig. Im Test kamen wir auf durchschnittlich 12 l/100 km, nicht weit über dem angegebenen Wert von 11 l/100 km.
Zu lange Übersetzungen
Leider liegt ein Schatten über diesem schönen Bild. Obwohl die Beschleunigungswerte mit einem Spurt von 0 bis 100 km/h in (gemessenen) 4.6 Sekunden eindrucksvoll sind, wäre hier doch noch Luft nach oben. Der Grund dafür ist, dass die Getriebeübersetzungen zu lang geraten sind. Leider hat Porsche einfach die gleichen Getriebeuntersetzungen wie für die Vierzylinder-Turbomotoren übernommen, die mit dieser Konfiguration besser klarkommen. Besonders beeinträchtigend wirkt sich dies in Spitzkehren aus, wo es der Beschleunigung am Kurvenausgang etwas an Punch fehlt. Das probate Gegenmittel besteht darin, die Kurven schneller anzugehen, damit die Motordrehzahl nicht zu sehr absinkt. Dies ist umso bedauerlicher, weil das Sechsganggetriebe dank seiner kurzen Wege und dem präzisen Einrasten eine unerschöpfliche Quelle der Freude ist.
Fahrverhalten auf Topniveau
Abgesehen davon eignen sich Spitzkehren aber auch, um zu zeigen, was an diesem 718 Spyder das Beste ist, nämlich sein Fahrwerk. Neben einer um 30 Millimeter abgesenkten Karosserie kann das Cabrio auf Upside-down-Dämpfer und leichtere Federbeine zählen, genau wie Seine Majestät, der 911 GT3. Die Dämpfungseinstellung ist trocken, vielleicht zu trocken für den touristischen Charakter dieses Cabrios. Der andere, positive Aspekt dabei ist, dass die Agilität des Deutschen süchtig macht, seine geringe Seitenneigung und die ideale Gewichtsverteilung verleihen ihm eine erstaunliche Wendigkeit und eine atemberaubende Strassenlage, trotz eines Leergewichts von 1420 Kilogramm. Der Spyder scheint in engen Kurven um die eigene Achse zu lenken und findet dank seiner natürlichen Balance wieder in die richtige Bahn. Sein kurzer Radstand (2.48 Meter) kann zu nervösen Reaktionen (Übersteuern) führen, aber es braucht nur sehr geringe Korrekturen, um den 718 wieder in die Spur zu bringen. Der Lenkung, die gefühlvoll und messerscharf mit einer Präzision im Mikrometerbereich arbeitet, sei Dank! Die Bremsen schliesslich stehen der Zuffenhausener Tradition gut an, denn ihre Kraft, Ausdauer und Dosierbarkeit sind über jede Kritik erhaben. Damit sind alle Noten für den Schlussakkord dieses mitreissenden Konzerts beisammen, das der 718 Spyder darstellt: ein Traum für Liebhaber unverfälschter Genüsse.
Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.