Kamikaze? Sicher nicht. Mutig? Das schon. Sandro Mesquita, bisher Generaldirektor von Publicis Communications, hat die schwierige Aufgabe angenommen, den Autosalon in seinen schwersten Zeiten zu übernehmen. Auch wenn der 45-jährige Waadtländer seine Entscheidung bereits vor der Absage der GIMS 2020 getroffen hatte, versichert er der AR im Gespräch, dass sich seine Überzeugung nicht geändert habe. Der Experte in Kommunikation (Universität Lugano) und Leadership (IMD Lausanne) sagt, er sei komplizierte Herausforderungen gewohnt, da er für Swisscom und Alpiq in einer Zeit gearbeitet habe, in der die jeweiligen Märkte geöffnet worden seien.
Für Maurice Turrettini, Präsident des Stiftungsrats des Genfer Autosalons, passt Sandro Mesquita in dasselbe Raster wie Olivier Rihs. «Wir wollten jemanden, der jung ist, sich mit neuen Technologien auskennt und an Marketing und Werbung gewöhnt ist», sagt der Genfer Anwalt. «Die Aufgabe als Direktor der GIMS ist ein Vollzeitjob, das kann nicht ein Markenverantwortlicher nebenbei machen. Dieses Konzept hat früher gut funktioniert, aber jetzt müssen wir einen neuen Weg einschlagen, einen, der stärker digital ausgerichtet ist.» Wie Maurice Turrettini weiss, gibt es viele Unbekannte, die schwer auf der GIMS 2021 lasten, zum Beispiel die Absagen der Marken: «Klar, einige Marken werden im nächsten Jahr nicht mehr dabei sein, sei es aus finanziellen Gründen, oder weil sie keine Weltpremieren zu zeigen haben. Dafür werden neue Hersteller hinzukommen, die wir bisher nicht hatten. Das ist ein Phänomen, das wir alle zwei bis drei Jahre beobachten können.» Tatsächlich bemühen sich die Autofirmen derzeit, das für die in letzter Minute abgesagte Ausgabe 2020 investierte Geld zurückzuerhalten, um den Schaden zu begrenzen. «Die Marken haben durch die Absage einen grossen finanziellen Schaden erlitten, sie würden gerne einen Teil zurückerstattet bekommen von dem, was sie bezahlt haben. Zusammen mit dem Palexpo müssen wir jetzt einen Weg finden, wie wir uns mit den Herstellern einigen können, sodass sie uns weiterhin die Treue halten. Aber alle Seiten werden Opfer bringen müssen.»
Wenig Handlungsspielraum
Der Präsident der GIMS weiss, dass der Handlungsspielraum eng begrenzt ist, und dass ein grosses Risiko besteht, die Hersteller endgültig zu verärgern. «Es kommt nicht in Frage, dass wir gegen die Marken Krieg führen werden.» Allerdings könnten die Absagen anderer, ähnlicher Veranstaltungen die Zähler zurücksetzen und dem Genfer Autosalon wieder eine Chance geben: «Viele Messen in diesem Jahr wurden bereits abgesagt. Wir könnten die erste grosse Ausstellung sein, die im März 2021 wieder stattfinden wird. Sollte es jedoch im Herbst zu einer zweiten Welle von Corona-Infektionen kommen, ist nicht garantiert, dass der Salon im März 2021 überhaupt stattfinden kann.»
Das grosse Interview mit Sandro Mesquita können Sie ab Donnerstag in der aktuellen Ausgabe der AR lesen. Oder auf dem Newsletter, den Sie hier abonnieren können.