Wir können es auch nach all den Jahren kaum glauben. Das, was da hinten herauskommt, ist nicht nur echt, sondern auch wunderschön. Eine canzone mit ganz viel passione. Es ist bekannt, dass Carlo Abarth ein gewisses Flair für Auspuffanlagen hatte. Die Zauberröhren bildeten immer das Rückgrat seiner Unternehmungen, selbst Ferrari war Kunde. Im heutigen Kontext mit verschärften Lärmgesetzen scheint es dagegen schier unwirklich, dass ein Auto klingen darf, wie es der Abarth tut – rotziger als so manch ein Sportwagen. Wobei: Die Regelungen betreffen bis 2022 nur neue Modellgenerationen. Der Abarth 595 Competizione basiert auf dem Fiat 500 von 2007, respektive dem Facelift von 2016.
Trotz teilweise veralteter Technik klingen das Erfolgsrezept von Abarth und der Garant für jede Menge Fahrspass in etwa so: Dem wuchtigen Brummen der Record-Monza-Klappenabgasanlage lauschen, denn schon im Stand grummelt der kleine Motor erwartungsfreudig vor sich hin. Per Hand die gut geführten fünf Gänge bearbeiten. Das automatisierte Schaltgetriebe für 2000 Franken? Eine Todsünde! Dem vergrösserten Garrett-Turbo im Sportmodus unter Volllast etwas Zeit geben, um den Ladedruck von knapp 2 bar aufzubauen – die Ladedruckanzeige ist Dirigent des Auspuff-Orchesters. Das rotzige Crescendo geniessen, so macht Turboloch Spass. Tempo 100 km/h ist dank des Leistungsgewichts von
6 kg/PS in 7.9 Sekunden erreicht. Trotzdem: Bei 3000 U/min, wo das maximale Drehmoment von 250 Nm anliegt, hochschalten. Die vollen 180 PS gibts zwar erst bei 5500 U/min, doch mehr Leistung braucht in diesem Moment niemand. Weil der Abarth 595 Competizione vor allem da wie ein ganz Grosser faucht und zischt. Auf prollige Fehlzündungen verzichtet der kleine Italiener weitgehend. (Audiophiler) Fahrspass pur. Einzig zwischen 5 und 60 km/h raubt ihm die ventilgesteuerte Klappe, die in der Ausgangsstellung immer offen ist, spürbar die Stimme. Allein, das magnetische Verbindungsrelais für die Steuerung des Unterdruckventils sitzt ziemlich prominent und einfach zu erreichen im Motorraum. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.
All das kommt aus vier Zylindern. Und 1.4 Litern Hubraum. Klar, mit den entsprechenden Modifikationen schreit jeder noch so kleine Motor lautstark auf. Beim Cinquecento mit dem Skorpion auf dem Kühlergrill jedoch ist alles anders. Der Stich sitzt – Hand aufs Herz – vor allem, weil er mehr nach V8 denn getuntem Rasenmäher klingt.
Bella Italia
Lange Rede, kurzer Sinn: Man muss sie ja einfach mögen, diese Knutschkugel auf Steroiden. Die Farbe: Adrenalin-Grün (800 Fr.). Passt! Molto bene auch, wie Abarth den Zwerg mit gezielten Anbauteilen zum Muskelprotz macht. Eine veränderte Frontschürze mit grossen, funktionalen Lufteinlässen, aggressiver gezeichnete Seitenschweller, 17-Zoll-Räder und ein Diffusor am Heck – natürlich in Verbindung mit den vier Auspuffrohren – reichen. Innen, nun ja, da drückt dann halt doch die Basis durch. Der Platz reicht für zwei, hinten halten es höchstens Kinder aus, ab einer Grösse von 1.7 Meter hat man im Fond keine Chance, aufrecht zu sitzen. Beinfreiheit ist je nach Sitzposition knapp bis nicht vorhanden. Und auch das Kofferraumvolumen ist mit 185 bis 550 Litern kaum der Rede wert.
Alles halb so wild und gar nicht so wichtig. Im Abarth 595 vergisst man schnell, dass man eigentlich in einem Fiat 500 sitzt. Das leider nur in der Länge verstellbare Lederlenkrad hat Abarth mit Alcantara geschmückt, genauso den Buckel über der Tachoeinheit. Die Bestuhlung kommt von Sabelt, ist auf lange Sicht unbequem und fällt je nach Statur arg eng aus. Dafür bietet sie guten Seitenhalt, auch wenn man im Schulterbereich dann doch noch etwas mehr gestützt werden könnte. Und: Die Schalensitze sind nach wie vor zu hoch angebracht, minimal besser als in der Serie immerhin, und stehen doch jedesmal aufs Neue dem sportlichen Erscheinungsbild diametral entgegen.
Dolce Vita
Chi se ne frega! Wen interessierts, sagt sich der Italiener salopp. Den Abarth 595 jedenfalls nicht. Wie gesagt, er ist anders, einzigartig. Wo andere vor Panik mit den Hufen scharren, bleibt der Competizione trotz kleinen Radstands von 2300 Millimetern erstaunlich gelassen. Dank der – für eine elektronische – hervorragenden Lenkung lässt er sich vor Kurven millimetergenau platzieren. Untersteuern ist erst äusserst spät ein Thema. Das serienmässige Koni-Sportfahrwerk verrichtet dahingehend einen ausgezeichneten Job, wobei es eine ganz eigene Auslegung von Komfort beweist. Selbst im Normalmodus spürt man jede noch so kleine Unebenheit, er federt wie ein Skatebord auf einer Steintreppe. Im Sportmodus, wo die Lenkung direkter wird und der Motor die Befehle des Gaspedals nochmals deutlich spontaner annimmt, springt man von Bodenwelle zu Bodenwelle. Das muss so sein, denn schliesslich vermittelt der nur 1182 Kilogramm schwere Abarth damit ein ungefiltertes Bild der Strasse und ist wahnsinnig authentisch. Man weiss zu jeder Zeit, wie sich die angetriebenen Vorderräder gerade fühlen. Nach einiger Zeit macht sich ein leichter Bremsgeruch bemerkbar. Nicht etwa, weil die leider nur vorne üppig dimensionierten Brembo-Bremsen (550 Fr.) am Anschlag wären. Diese packen derart vehement zu, dass der Knirps dann doch etwas zu nervös wird. Vielmehr bremst die einschaltbare Elektronik (Torque Transfer Control) das kurveninnere Rad ein. Ihr Verdienst sind die für dieses Segment extrem hohen Kurvengeschwindigkeiten. Auch wenn sich der Abarth in tiefen Gängen dann doch aus den Kurven scharrt. Das mechanische Sperrdifferenzial ist bestimmt die stimmigere Wahl, auch wenn es im Paket nochmals mit 4000 Franken zu Buche schlägt.
Wahrlich, der Abarth 565 Competizione ist keinesfalls perfekt. Muss er auch gar nicht sein, dafür ist er zu verführerisch. Und extrem lebendig. Das Gesamtpaket lässt leidenschaftliche Abarthisti gar darüber hinwegsehen, dass 37 000 Franken für unseren Testwagen – rational gesehen – wohl zu viel für einen aufgemotzten Fiat 500 sind. Nicht nur, weil der grosse «500»-Schriftzug über dem Handschuhfach stehengeblieben ist. Sondern auch, weil man sich mit einer veralteten Plattform, der langsamen Navigationstechnik und einer Unmenge Hartplastik abgeben muss. Assistenzsysteme sind keine an Bord. Tempomat? Fehlanzeige. Doch wo Fahrspass im Zentrum steht, ist das nur eines: unbedeutend! Gleiches gilt für den Verbrauch. 8.2 Liter auf 100 Kilometer waren es nach dem Testzeitraum (AR-Normrunde: 6.4 l). Gut zwei Liter gingen dabei wohl für Klang-Eskapaden drauf.
Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.