Elektromotorräder sind im Kommen, zumindest wenn man dem Importeur der Marke Energica in Stans, Adi van Büren, Glauben schenken möchte. Er stellte sein neustes Modell im Showroom, die Eva Ribelle 107 made in Modena, zum Testfahren zur Verfügung. Mit Eva hatte sie gleich ihren Namen weg. Da es sich um eine Italienierin handelt, und dazu um eine rebellische, durfte man davon ausgehen, dass sie ziemlich Feuer im Hintern haben würde. Zudem sieht sie gut aus und dürfte der Kategorie Streetfighter oder Café-Racer zugeordnet werden. Die Benamserei macht indes nicht viel Sinn, bevor man sie nicht gefahren hat. «Geh erst mal aufladen», empfahl Importeur Adi van Büren, denn er fand, dass das Tanken bei einem E-Bike-Test dazugehört, da es sich ja um eine neue Technik handelt, die ein gewisses Umgewöhnen verlangt. Die Befürchtung, dass die Ladestation in der Nähe, in Beckenried NW, überlaufen sein könnte, erwies sich als ungerechtfertigt.
Ein Schritt zurück
Vor dem Losfahren sind einige Erklärungen nötig: Es gibt keinen Kupplungshebel und keinen Fussschalthebel. Es gibt einen Starter, aber kein Motorengeräusch. Es gibt keine Gänge, sondern vier Fahr- und damit verbundene Rekuperationsmodi von Eco bis Sport. Im Tank steckt ein Inverter. Darunter sind ein 110 Kilo schwerer 21.5-kWh-Akku und ein massiver Permanentmotor angeordnet, der das Gewicht der Eva im Vergleich zum Vormodell um zehn Kilo schrumpfen lässt – sie bringt allerdings immer noch 275 Kilogramm auf die Waage. Sie verfügt über Traktionskontrolle, Tempomat und Kurven-ABS. Und vor allem, und das ist wohl eher selten bei Motorrädern dieser Gewichtsklasse, besitzt die Rebellin einen Rückwärtsgang. Ja, einen Rückwärtsgang! Manövrieren vorwärts und rückwärts mit 2.8 km/h geht. Dafür aber kann man beim Abstellen keinen Gang einlegen, weshalb zu empfehlen ist, ein starkes Gummiband um den Handbremshebel zu spannen; eine elegantere Lösung wäre toll. Aber egal, man will ja fahren, oder? Die Eva ist definitiv kein Stehzeug, ausser an der Ladestation. Denn Eva verfügt über Leistung satt, umgerechnet 145 PS (107 kW bei 6000 U/min) mit einem Drehmoment von 250 Nm, das bereits bei 351 U/min anliegt, weshalb sie ein bisschen gedrosselt ist. Sie läuft bis maximal 200 km/h und beschleunigt in rund drei Sekunden auf 100 km/h. Sehr attraktiv. Aber nicht auszufahren. Zumindest nicht in der Schweiz, wo beinahe hinter jedem Begrenzungspfahl ein Blitzer lauert. Keiner lauerte den Brünigpass hinauf. Trotzdem: Maximal 80 km/h bei etwa 3300 U/min.
Der kleine grosse Unterschied
Von einem Verbrenner unterscheidet sich ein E-Motorrad erstens durch das Geräusch, zweitens durch die unglaubliche Beschleunigung und drittens durch die sehr einfache Handhabung. Nach einem Ritt mit Eva muss sich die Hand, die sonst kuppelt, nicht erholen, weil man ständig zwischen zweitem und dritten Gang wechseln muss. Auch der Schaltfuss bleibt in Ruhestellung. Die Passkurven sind wie für Eva gemacht, vor allem, wenn sie bar jeden Verkehrs sind, wie während (oder dank?) der Corona-Virus-Auswirkungen. Das Motorradvirus jedoch wirkt voll, hervorgelockt durch das Fahrverhalten, denn ab einer bestimmten Geschwindigkeit hört man auch das Pfeifen des E-Aggregats nicht mehr. Um die Probefahrt zusammenzufassen: Fahrspass pur. Nur allzu lange sitzen mag man auf dem schmalen, harten Sattel nicht, aber nach 150 Kilometern machen Durchschnittsfahrer sowieso ein Päuschen.
Ja, wir sind die Eva testgefahren, trotz der Empfehlung, das Motorrad stehenzulassen. Doch es ist dies ja kein Stehzeug. Und durch die Dörfer fuhren wir reinen Gewissens: kein Lärm, keine Abgase. Und die Reichweite? Egal. 150 bis 400 Kilometer gibt der Importeur an, je nach Fahrweise. Bei Passfahrten dürften es wohl eher um die 150 Kilometer sein. Danach: Zeit zum Aufladen.
Fazit: Die Eva Ribelle ist ein hübsches Motorrad, das alle Ansprüche sportlichen Fahrens erfüllt. Es eignet sich vor allem für Tagestouren, die man besser plant, damit der Saft nicht ausgeht. Sie bevorzugt gute Strassen und hat nichts gegen eine Pause zwischendurch – an der Ladestation. Da ist nur noch der Preis: 28 300 Franken.
Der Hersteller Energica
Der in Modena (I) domizilierte Elektromotorradhersteller begann bereits vor zehn Jahren mit dem Bau von Elektromotorrädern, zunächst für den Rennsport. Sein Know-how basiert auf der Grundlage der Erfahrung der Gruppe CRP in Modena, dem italienischen Motor-Valley. Die Gruppe setzt sich zusammen aus CRP Technology (1996), CRP Racing (2006) und CRP Meccanica. CRP ist ein seit 45 Jahren aktiver Automobilzulieferer, zunächst für die Formel 1. Energica ist das erste elektrische Sportmotorrad, das aus dieser Zusammenarbeit hervorging.
Wenn der Saisonstart zum Aprilscherz wird
Können wir bitte mal kurz ein paar Wochen zurückspulen und die Motorradsaison nochmals von vorne beginnen lassen?
Nach einer wie jedes Jahr legendären Swiss Moto, einer top Saisonvorbereitung in der MotoGP – beziehungsweise für mich persönlich interessanter: bei Tom Lüthi in der Moto2 – und einem kleinen Make-over meines eigenen Motorrads war ich so was von bereit für die Saison. Ich war so voller Energie, dass ich mich sogar für ein paar Rennstreckentage in Anneau du Rhin angemeldet und mich darauf gefreut habe, in diesem Zusammenhang bald von meinen Rennstreckenerfahrungen mit meiner Suzuki SV650 und vielleicht sogar mit einer Krämer GP2 erzählen zu können.
Und dann passierte das, was man auch einen ausgedehnten, komplett misslungenen 1. April nennen könnte: der Lockdown dank des Corona-Virus. Alles, was mir aktuell im Zusammenhang mit Motorradfahren noch zu Ohren kommt, ist die Diskussion darüber, ob man nun noch mit dem Bike unterwegs sein sollte oder nicht. Ich selber, sonst ziemlich entschlossen in meinen Entscheidungen, war lange so unsicher wie selten zuvor. Einmal stand ich schon im kompletten Outfit mit Helm neben dem Motorrad, bevor ich mich dann doch dazu entschieden habe, zu Hause zu bleiben. Egal, wen ich darauf anspreche – wenn das Motorrad nicht gerade das einzige Transportmittel für den Arbeitsweg ist, scheinen die wenigsten noch auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Und trotzdem könnte man beim Blick auf die Strassen meinen, der Motorradanteil im Verkehr hätte sich verdoppelt, gerade jetzt bei diesem unsäglich schönen Wetter. Was nun richtig oder falsch ist, darüber kann und möchte ich überhaupt nicht urteilen. Wahrscheinlich ist dies aber einer der Momente im Leben, in dem es vielleicht doch Sinn macht, lieber einmal zu viel als zu wenig der Vernunft nachzugeben.
Ich habe für mich selber entschieden, die angekündigten Lockerungen der Massnahmen abzuwarten und vorerst nicht aufs Bike zu steigen. Stattdessen geht meine Suzuki wohl nochmals zurück in die Werkstatt, denn wenn sie schon nicht gefahren wird, kann wenigstens noch ein neuer Auspuff her. Und vielleicht noch die ein oder andere kleine Optimierung – aber dazu mehr in der nächsten Ausgabe.
Anja Tschopp
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