Zwei Seelen wohnen, ach, in der PSA-Brust

VERGLEICH Optisch sprechen sie die jeweilige Markensprache. Unter der Haube der Konzernbrüder Peugeot 208 und Opel Corsa arbeitet jedoch die gleiche Technik.

Von Weitem betrachtet haben die beiden nun wahrlich nicht viel gemein. Natürlich unterscheidet sich das Aussenkleid und ist als solches klar der jeweiligen Marke zuordenbar. Der Peugeot 208 sieht aus wie ein komprimiertes Modell des 508. Die charakteristischen Frontlichter in Reisszahnoptik und der imposante Kühlergrill vereinen die beiden Markenbrüder. Was letzteren betrifft setzt Opel auf eine deutlich kleinere und schlichtere Lösung, die Struktur mit den chromfarbenen Akzenten aber tragen beide gemeinsam. Während ihnen im Profil die Verwandtschaft kaum abzusprechen ist, setzt Peugeot im Heck auf ein schwarzes Band zwischen den Rückleuchten im Klauendesign. Die Heckklappe des Opel dagegen bleibt weitestgehend unberührt.

Dahinter eröffnet sich bei beiden ein durchschnittlich grosser Kofferraum. Der Peugeot fasst 265 Liter. Auch die 309 Liter des Corsa können sich nicht mit dem Klassenbesten VW Polo messen. Zudem musste Opel dafür rund sechs Zentimeter an Beinfreiheit im Fond opfern, denn die beiden Brüder stehen auf der identischen Plattform (PSA-CMP) mit demselben Radstand. 

Kleine Unterschiede machen Differenz
Opel wurde bekanntermassen 2017 von GM an PSA verkauft. Grund genug, um herauszuarbeiten, wie nahe sich die beiden Geschwister wirklich stehen. Die Verbundenheit liegt überwiegend unter der Haube, hier ist alles gleich. Zur Wahl stehen drei unterschiedlich starke Dreizylinder-Benziner mit Leistungen zwischen 75 und 130 PS. Oder aber ein Vierzylinder-Diesel mit 1.5 Liter Hubraum. Selbst die Elektrovarianten mit 136 PS teilen sich das komplette Antriebskonzept. Im AR-Test waren beide mit dem 1.2-Liter-Puretech-Aggregat mit 100 PS ausgerüstet. Dieser gibt sich dank 205 Nm und der angenehmen Getriebeabstufung flink und aufgeweckt. Der Antrieb ist klar auf die Innenstadt zugeschnitten, fällt aber auch bei Autobahngeschwindigkeiten nicht ab. Mit einem Durchschnittsverbrauch von etwa 6.2 Litern hält sich der Motor zudem angenehm zurück.

Natürlich blieb den Ingenieuren gerade bei der Fahrwerksabstimmung ein gewisser Spielraum, um sie nach ihren Bedürfnissen anzupassen. Bei Opel wählte man ein strafferes Dämpfungssystem, das etwas sportlicher sein soll. Auf der Strasse ist der Unterschied jedoch nicht allzu offensichtlich. Vielmehr beschäftigt da die bei beiden recht schwammige Lenkung. Es scheint, als hätten die PSA-Ingenieure diese für das kleine GT-Lenkrad des Peugeot abgestimmt, nicht aber für den grösseren, multifunktionalen Opel-Kranz adaptiert.

Die nötige Sexyness
Im Innern eröffnen sich zwei verschiedene Bedienkonzepte. Beide modern und hinsichtlich umfassender Vernetzung auf dem Stand der Dinge, doch aber mit einigen pikanten Unterschieden. Der Peugeot 208 tritt verspielter auf und hält mehr auf sein Aussehen. Das Doppeldecker-Armaturenbrett und das prägnante i-Cockpit wurden überarbeitet. Da bleibt die Funktionalität bisweilen auch mal zweitrangig. Beide Modelle setzten nach wie vor auf herkömmliche Tasten und Schalter, von konzernübergreifenden Baukastenteilen ist jedoch glücklicherweise (noch?) nicht viel zu sehen. Beispiels­weise aber kann die Temperatureinstellung der Klimaanlage im Peugeot nur über den Touchscreen vorgenommen werden. Auch wenn sich die Geschmäcke unterscheiden, dann wagen wir zu behaupten: In manchen Situationen muss ein Auto nicht nur gut aussehen, sondern möglichst ablenkungsfrei seine Funktion erfüllen. Das erledigt der Corsa – zwar nicht sonderlich hübsch – deutlich besser.

Die Lösung von Peugeot hingegen gleicht einer Spielerei, die ohne praktischen Mehrwert ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder. Zwar war der Opel-Testwagen rund 1200 Franken teurer. Wer sich jedoch auf das Wesentliche besinnt, kommt bei Opel preislich leicht besser weg. Absolut lohnenswert ist bei Opel das Scheinwerfer-Upgrade auf die Matrix-LED-Technologie mit situativer Lichtverteilung. Es ist überdies der einzig mögliche technische Unterschied in der Aufpreisliste der beiden Modelle. Mit seinem Gesamtpaket hat trotzdem der Peugeot 208 knapp die Nase vorn. Die einen Hauch komfortablere Fahrwerksabstimmung, die deutlich bessere – wenn auch immer noch nicht gute – Lenkung sowie das allgemein hochwertigere Erscheinungsbild entscheiden das Rennen. Zudem bietet der 208 eine gewisse Sexyness, weshalb man ihm auch einige Fehler verzeiht. Nicht ohne Grund wurde er kürzlich zum Auto des Jahres gewählt. 

Beeindruckend, aber nicht sehr intuitiv

Am stärksten unterscheiden sich die beiden Konzernbrüder im Cockpit. Der Opel Corsa hat eher schlichte und zweckmässige Züge. Peugeot hingegen zeichnet auch den Innenraum des 208 expressiver und deutlich verspielter. Was besser gefällt, liegt im Auge des Betrachters. Der grösste Unterschied betrifft die Tacho-Einheit. Beide Marken setzen in den niedrigen Ausstattungslinien auf zwei herkömmliche Rundinstrumente mit einem mittigen Fahrerinfodisplay. Falls gewünscht, ist auch bei Opel ein volldigitales Cockpit zu haben. Dieses aber ist längst nicht so spektakulär wie die virtuelle 3D-Lösung von Peugeot. Zugegeben: Es ist durchaus beeindruckend, dass es ein solches Feature in einen Kleinwagen schafft. Es hebt wichtige Informationen deutlich hervor und sieht spannend aus, kämpft dafür bei Darstellungsänderungen mit einer gewissen Trägheit.

Abgesehen davor waren wir uns auf der Redaktion einig, dass der Opel punkto Ergonomie klar die Nase vorn hat. Beide setzten nach wie vor auf herkömmliche Tasten, Knöpfe und Drehregler. Darüber gesteuert werden alle Funktionen der Klimaregulierung – zumindest im Corsa. Der 208 verfügt zwar über kapazitive Schnellwahltasten, die Temperatur beispielsweise kann aber nur über die Touchbedienung eingestellt werden. Der bei beiden optional bis zu zehn Zoll grosse, berührungssensitive Bildschirm ist im Corsa in das Dashboard eingelassen. Die Variante des Peugeot thront über diesem und neigt sich merklich dem Fahrer zu, was der Erreichbarkeit und Ablesbarkeit stark zugutekommt. Über eine ansprechende Responsivität verfügen beide, ebenso wie über die integrierte Vernetzung des Smartphones. Weil aber die Bedienung via Touchscreen ohnehin ablenkt, bevorzugen wir die zwar tiefer positionierte, dafür aber besser erreichbare und einfach zu handhabende Opel-Lösung. Selbiges gilt überdies für das Layout des Bediensystems, das nicht nur durchdachter, sondern wegen der grösseren Bedienelemente auch benutzerfreundlicher erscheint.

Verführerischer Innenraum

Aufgrund der identischen Plattform und des gleichen Radstandes (2.54 m) war zu erwarten, dass sich das Raumkonzept der beiden Rivalen sehr ähnelt. Das Massband bestätigt, dass die Innenraumabmessungen des Peugeot und des Corsa kaum voneinander abweichen. Während die Fahrposition beim Peugeot etwas sportlicher ausfällt, lassen sich vor allem im Fond signifikante Unterschiede ausmachen. Opel hat zugunsten des Kofferraums etwa sechs Zentimeter Beinfreiheit geopfert, sodass der Kofferraum des deutschen Modells 309 Liter gegenüber 265 Liter beim Franzosen fasst. In beiden Fällen haben wir es jedoch keineswegs mit Raumwundern zu tun.

Auch die Modularität ist bei unseren beiden Kontrahenten nicht optimal gelöst, da bei umgeklappter Rückbank keine ebene Ladefläche entsteht. Das Ladevolumen erweitert sich dabei auf 1106 Liter beim 208 und auf 1080 Liter beim Corsa.

Deutlicher heben sich die Kontrahenten bei der Verarbeitungsqualität, bei den Materialien und der stilistischen Innovation voneinander ab. In dieser Disziplin schlägt der Löwe den kleinen Opel um Längen. Das nüchterne, um nicht zu sagen trostlose Cockpit des Kleinwagens mit dem Blitz erscheint angesichts des Armaturenbretts des 208 wie aus einem anderen Zeitalter. Das zweistufige Armaturenbrett des 208 hingegen mit sportlichen Applikationen spielt mit seinen Kanten und Kontrasten. Die Materialqualität ist um einiges höherwertig als beim Corsa, obwohl man bei genauerer Betrachtung an vielen Stellen Hartplastik erkennt. Dennoch macht das Armaturenbrett im Peugeot einen bestechenden Eindruck.

Natürlich ist der markante Look des Franzosen nicht nach jedermanns Geschmack. Viele werden das vertraute Erscheinungsbild des Deutschen bevorzugen, das auf klassischen Bedienelementen und grossen, analogen Anzeigen basiert. Dennoch setzt sich der Peugeot aufgrund des innovativen Designs und der erstklassigen Verarbeitung, die an die Qualität des nächsthöheren Segments heranreicht, in dieser Kategorie klar durch.

Bissiger Löwe trotz mehr Komfort

Von der ganz unterschiedlichen Aussengestalt sollte man sich nicht täuschen lassen. Unter der Karosserie sind die beiden Brüder völlig identisch: CMP-Plattform, Puretech-Motoren und Getriebe stammen allesamt vom Mutterkonzern PSA. Allerdings hatten die Ingenieure einen gewissen Spielraum, um beispielsweise bei der Fahrwerksabstimmung eigene Akzente zu setzen. Beim Corsa entschied man sich für eine straffere, vermeintlich sportlichere Dämpfung. Allerdings zeigen sich im Fahrverhalten zwischen den beiden Rivalen keine signifikanten Unterschiede. Das straffer abgestimmte Fahrwerk bringt ihm jedenfalls keinen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Peugeot. 

Wir geben der feiner abgestimmten Dämpfung des Franzosen den Vorzug, denn der 208 ist ebenso bissig wie der Corsa, bietet jedoch mehr Komfort. Auch hat das ESP des Franzosen besser gefallen, weil es später eingreift als beim Corsa. Apropos elektronische Hilfsmittel: Der aktive, deaktivierbare Spurhalteassistent ist bei beiden Kandidaten ziemlich aufdringlich. Die Lenkung sticht bei beiden Rivalen nicht besonders hervor, sie ist schwammig und nicht besonders präzise. Der Peugeot ist hier einen Deut besser, weil das Lenksystem besser auf das kleine GT-Lenkrad abgestimmt ist. Paradoxerweise ist der Corsa trotz seines grossen Lenkrads nervöser, was sich auch im Geradeauslauf niederschlägt. Die 100 PS starken Dreizylindermotoren sind auf den Kubikzentimeter gleich. Ideal bei niedrigen Drehzahlen und temperamentvoll auf der Autobahn konnte uns der 1199 Kubikzentimeter grosse Puretech-Motor bei beiden Autos überzeugen. Das i-Tüpfelchen ist – mit einem Durchschnitt von etwa 6.2 l/100 km − der Verbrauch, der dem flotten Motor durchaus angemessen ist. Schade, dass das Bild des tollen Antriebs bei beiden Fahrzeugen durch eine wenig präzise Führung des Schalthebels getrübt wird.

Obwohl technisch identisch, gefällt das Fahrverhalten des 208 dank kleiner − aber entscheidender − Unterschiede in den Feinabstimmungen besser.

Konzernregal mit einer Opel-Besonderheit

Die Preisdiskussion ist nicht ganz einfach, der Vergleich mit der Konkurrenz noch weniger. Kaum eine Wagenklasse ist so umkämpft wie das preissensitive B-Segment. Beinahe jeder Hersteller hat sehr günstige bis sehr teure Autos für jeden Geschmack im Angebot. Aber konzentrieren wir uns auf unsere beiden Kontrahenten.

Der Basis-Corsa beginnt bei 16 990 Franken und bietet gegenüber dem Einstiegs-208 (Like, ab 18 300 Fr.) eine Berganfahrhilfe sowie elektrisch verstell- und beheizbare Aussenspiegel. Diese sind bei Peugeot erst ab der zweithöchsten Ausstattungsvariante Active ab 19 750 Franken serienmässig. Dafür bietet der 208 ab der Grundausstattung eine Klimaanlage, die bei Opel erst für 1290 Franken oder in der höheren Linie (Edition, ab 20 490 Fr.) mit an Bord ist. Den Sieben-Zoll-Farbtouchscreen bekommt der Corsa in den beiden höchsten Varianten Elegance und GS-Line.

Bei Peugeot setzt sich die – zumindest optisch – sportlichere GT-Line (ab 25 500 Fr.) preislich klar von der zweithöchsten Variante Allure (ab 23 750 Fr.) ab. Bei Opel hingegen sind die beiden Pendants preislich gleichgestellt (ab 23 990 Fr.). Deshalb kommt die GS-Line zwar mit Attributen wie Sportsitzen oder einem Sportmodus daher, muss dafür in der Serie aber auf kleine Komfortfeatures wie die Mittelarmlehne oder das automatische Abblendlicht verzichten.

Für die Achtgang-Automatik werden bei beiden Marken 2000 Franken Aufpreis fällig. Der leistungsstärkste Motor mit 130 PS kostet gegenüber dem 100-PS-Aggregat bei Opel 1500 Franken und bei Peugeot für 1800 Fanken mehr. Bei den Optionen sieht es bei den beiden Brüdern sowohl bezüglich Umfang als auch Preis ähnlich aus, grösstenteils jedenfalls. So verlangt Opel für das Panoramadach 390 Franken und für den Zehn-Zoll-Touchscreen je nach Funktionsumfang maximal 890 Franken mehr. Jedoch hat der Corsa einen starken Trumpf auf der Aufpreisliste: Das Intellilux-LED-Matrix-Licht für 890 Franken sollte in den beiden höchsten Linien unbedingt mitbestellt werden.

Während zwar auch beim Peugeot Voll-LED-Scheinwerfer (1300 Fr.) zum Einsatz kommen, spielt die Matrix-Technologie mit situativer Lichtverteilung in einer anderen Liga. Es ist die einzige Position in der Aufpreisliste, in der sich die beiden Marken faktisch unterscheiden. Der Rest ist gleich. Und trotzdem: Beschränkt man sich nur auf das Wesentliche – wie könnte es auch anders sein? – fährt man mit dem Opel preislich einen Hauch besser.

Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

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