Eigentlich sollte der Microlino 2.0 am 90. Genfer Automobilsalon mit grossem Pomp vorgestellt werden, nun kam er im Web (per Livestream auf Youtube) zu seinen Ehren. Die Konstrukteure Oliver und Merlin Ouboter, beides Söhne des Gründers des bekannten Rollerherstellers Micro, haben die Weiterentwicklung des auf der GIMS 2016 vorgestellten Konzeptfahrzeugs nach den Rückschlägen, die das Schweizer Unternehmen mit der deutschen Firma Artega erlitten hatte, völlig neu überdacht. Zur Erinnerung: Artega hatte Mirco das Konzept des Isetta-ähnlichen Kleinwagens stibitzt und es in Karo umbenannt. Wir haben Oliver Ouboter, einen der Initiatoren des Konzepts, getroffen.
Automobil Revue: Wie ist die Situation bezüglich Artega und Klaus Frers?
Oliver Ouboter: Die Angelegenheit wurde gerichtlich geklärt. Wir haben eine Vereinbarung mit ihnen unterzeichnet. Leider kann ich keine Angaben dazu machen. Andererseits kann ich sagen, dass wir im Grossen und Ganzen mit den Bedingungen dieser Vereinbarung zufrieden sind, auch wenn sie vorsieht, dass Artega den Karo weiterhin bauen kann. Wir haben nichts mehr mit ihnen zu tun, und sie haben nichts mehr mit uns zu tun, was gut ist.
Das Modell, das Anfang März auf dem Genfer Autosalon präsentiert werden sollte, scheint viel besser zu sein als das 2016 vorgestellte Modell.
Auf jeden Fall! Nachdem wir Ende des vergangenen Jahres eine Vereinbarung mit Artega gefunden hatten, haben wir Peter Müller als CTO eingestellt. Wir haben unser Projekt erneut überdacht und sind zum Schluss gekommen, dass der Microlino bei der Qualität zulegen muss. Als rein schweizerisches Produkt muss der Microlino nicht nur technisch, sondern auch stilistisch ein Premiumfahrzeug sein. (Angesichts der ersten Bilder des Fahrzeugs und der technischen Einzelheiten von Peter Müller [s. Box] wurde dieses Ziel offensichtlich eingelöst. – Red.) Ich sollte auch darauf hinweisen, dass wir, als wir vor fünf Jahren anfingen, nicht die Erfahrung hatten, die wir heute haben.
Wer ist Ihr neuer Partner für die Entwicklung des Microlino 2.0?
Wir haben uns an mehrere Hersteller gewandt, aber letztlich gefiel uns die italienische Firma Cecomp am besten. Das Unternehmen hat eine lange Tradition in der Automobilmontage, denn es war beispielsweise an der Produktion der Prototypen VW Golf 1 und Fiat Panda 1 beteiligt. Darüber hinaus – und das ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum wir uns an sie gewandt haben – waren sie in der Vergangenheit in die Entwicklung und Produktion des Bolloré Bluecar eingebunden, eines Elektroautos, das für das Carsharing konzipiert wurde.
Ist der Preis von 13 500 Franken bei allen technischen Verbesserungen noch immer realistisch?
Ja, absolut.
Wann werden Sie das Fahrzeug auf den Markt bringen?
Zum jetzigen Zeitpunkt ziehen wir es vor, kein genaues Datum anzugeben, aber wir können das Jahr angeben: 2021.
Wie oft wurde der Microlino vorbestellt?
17 000 Bestellungen haben wir aktuell. Der Microletta (ein dreirädriger Elektroroller, für den ein Autoführerschein erforderlich ist – Red.) wurde, angesichts von über 1000 Bestellungen in der ersten Woche, ebenfalls gut aufgenommen. Die Leute scheinen vor allem das Design zu mögen.
Wie viele Autos wollen Sie verkaufen?
In dieser Phase ist es schwierig, eine konkrete Zahl zu nennen, zumal wir schrittweise vorgehen und die Produktion nach und nach steigern wollen. Langfristig planen wir 5000 Einheiten pro Jahr. Wir möchten auf jeden Fall vermeiden, dass wir mehr Exemplare produzieren, als wir verkaufen können.
Die Mobilität ist eine der grössten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Mit einer Modellpalette aus Elektrorollern, der Microletta und dem Microlino scheint Micro gut gerüstet zu sein, um ein wichtiger Akteur in diesem Bereich zu werden. Was sind Ihre Ziele für die kommenden Monate und das kommende Jahr?
Unsere Vision ist es, einer der führenden Anbieter im Premiumsegment hochwertiger, elektrischer Mikromobilität zu werden. Wir haben deshalb vor, uns auf hochwertige Produkte mit stylischem Design zu konzentrieren. Diese reichen vom Elektroroller über den Microlino bis hin zu Scootern und Elektrofahrrädern.
Völlig neu konzipiertes Fahrzeug
Für Oliver und Merlin Ouboter ist der Microlino nichts weniger als eine erstklassige Alternative zum Auto. Mit diesem Ziel mussten die Schweizer gewisse Anforderungen in Bezug auf die wahrgenommene Qualität, die Sicherheit und das Fahrverhalten erfüllen. Kriterien, die mit dem auf der Messe 2016 vorgestellten Prototyp unmöglich einzulösen waren. Um diese Aspekte zu verbessern, hat Micro Peter Müller, einen ehemaligen Mitarbeiter von Porsche und BMW, mit der technischen Leitung des Projekts beauftragt. Müller hat das gesamte Fahrzeug überarbeitet, wie er erläutert: «Das Chassis wurde komplett neu konstruiert. Wir haben beim Fahrgestell die ursprünglich geplante Rohrkonstruktion durch tiefgezogene Stahlbleche ersetzt. Die Karosserie besteht nun aus Stahl und Aluminium statt aus Kunststoff. Dieser wird nur noch für die Stossfänger verwendet. Auch das Fahrwerk haben wir überarbeitet, weil wir eine Einzelradaufhängung nicht nur an der Vorderachse, sondern auch an der Hinterachse haben. Eine neue Architektur zwang uns, die hintere Spur des Fahrzeugs um 50 Prozent zu verbreitern. Der Vorteil ist, dass dadurch die Stabilität erhöht wird. Der E-Motor befindet sich nicht mehr an der Hinterachse, sondern in der Mitte des Chassis. Dadurch verringert sich die ungefederte Masse. Auch der Motor ist völlig neu. Wir verwenden einen Permanentmagnet-Synchronmotor, der einen um 15 Prozent höheren Wirkungsgrad hat. Die Batterien befinden sich im Unterboden und besitzen eine höhere Energiedichte.» OD
Leider mit derart grosser Verspätung – warum auch immer, ist wahrscheinlich bereits preislich und von Konkurrenten überholt