Der Honda E ist die Speerspitze der Electric-Vision-Strategie der Marke in Europa. Die Gelegenheit zu einer ersten Fahrt bot sich an der spanischen Costa Blanca, wo das kleine, perlweisse Auto in der Sonne hell leuchtete. Das schlichte, retroartige Design der Karosserie mit runden Scheinwerfern passt gut zu den zeitgemässen, ja futuristischen Merkmalen.
Sobald das Auto entriegelt ist, was über das Smartphone geschehen kann, das auch Zugang zu diversen anderen Funktionen des Autos bietet, fahren die bündig versenkten Türgriffe aus und laden zum Einsteigen ein. Die rahmenlosen Türen verfeinern die Silhouette und verstärken den schwebenden Eindruck des in Kontrastfarbe ausgeführten Daches. Während die Rücksitze trotz des mit dem Jazz identischen Radstands (253 cm) eher knapp bemessen wirken, fühlt man sich hinter dem Lenkrad sofort wohl. Die recht hart gepolsterten Vordersitze sind bequem, obwohl sie relativ schmal sind und wenig Seitenhalt bieten. Aber eben – es ist ein Stadtauto! Das erste überraschende Element ist das Armaturenbrett. Ohne Vertiefungen steht es fast senkrecht und hat eine Holzeinlage über die gesamte Breite, die aussieht, als käme sie direkt aus den 90eer-Jahren. Auch das Zwei-Speichen-Lenkrad versprüht trotz zahlreicher Knöpfe einen Vintage-Look – aber hier endet die Reise in die Vergangenheit, die Zukunft beginnt. Die von den beiden als Aussenspiegel fungierenden Minikameras aufgenommenen Bilder werden in zwei Sechs-Zoll-Bildschirme an beiden Enden des Armaturenbretts gestochen scharf wiedergegeben. Der Innenspiegel kann entweder im Kameramodus oder als herkömmlicher Spiegel genutzt werden.
Aber der elektrische Kleinwagen hat noch mehr Tricks auf Lager. Die breite Blende mit integrierten Armaturenbrett-Touchscreens kann beispielsweise von Fahrer und Beifahrer gemeinsam genutzt werden. Sie können alle Arten von Informationen teilen oder austauschen. Künstliche Intelligenz ist an Bord allgegenwärtig, es ist schlicht unmöglich, hier alles im Detail zu beschreiben. Zu erwähnen wäre beispielsweis der Parkassistent, oder der Sprachassistent («O. k., Honda!»), der dem Fahrer jederzeit zur Seite steht.
Ein echter Hecktriebler
Das Losfahren gestaltet sich nach dem bei Elektroautos üblichen Verfahren. Bei niedriger Geschwindigkeit warnt ein leichtes, vor allem im Freien hörbares Summen unachtsame Fussgänger, die von dem Gefährt auf leisen Sohlen überrascht sein könnten. Schon bei leichtem Druck aufs Gaspedal nimmt der Honda E Fahrt auf. Auf dem Papier weist Honda 8.3 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h aus, was für zügige Ampelstarts mehr als ausreichend ist. Zudem importiert Honda Schweiz nur die leistungsstärkste Advance-Variante, deren Elektromotor 113 kW (154 PS) und ein Drehmoment von 315 Nm liefert.
Wichtiges Detail: Der Motor ist über der Hinterachse montiert und verhilft dem Honda E so zu einem Heckantrieb. Von der Aufgabe der Antriebsmomentübertragung befreit, können die Vorderräder daher grosszügig einlenken und ermöglichen das Manövrieren auf engstem Raum. Aber Achtung, der Wendekreis von gerade einmal 8.6 Metern (zwischen Bordsteinkanten) könnte den einen oder anderen zu U-Turns veranlassen, die das Strassenverkehrsgesetz eigentlich verbieten.
Die 35.5-kWh-Lithium-Ionen-Batterie ist in den Fahrzeugboden integriert, wodurch der Schwerpunkt tief liegt und die Masse perfekt ausbalanciert ist. Der Honda E ist daher ein sehr wendiges Auto. Bei dynamischem Fahren vermitteln Hinterradaufhängung und Lenkung das typische und sehr angenehme Gefühl eines Hecktrieblers.
Variable Energierekuperation
Die Menge der beim Verzögern zurückgewonnenen Bewegungsenergie, die zu einer mehr oder weniger starken Motorbremsung führt, ist am Lenkrad einstellbar. Der mögliche Verstellbereich von maximal 0.18 g erlaubt jedoch nicht immer die vom Hersteller versprochene One-Pedal-Fahrweise. Gerade wenn es bergab geht oder auf Strassen mit vielen Kreuzungen und Kreisverkehr muss des öfteren auch das Bremspedal bemüht werden.
Der Honda E kann in der Schweiz ab Juni oder Juli bestellt werden, die Auslieferung erfolgt ab Sommer. Sein Listenpreis von 43 100 Franken (inklusive Wallbox) ist für einen Kleinwagen doch relativ hoch angesetzt. Aber die ersten 150 Exemplare sind bereits reserviert, sodass Honda keinen Grund hat, seinen neuen Kleinwagen günstiger zu verscherbeln.
Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.