Lautes Gebrüll und Ferdinands Strahlen

IN PORSCHES HEIMAT Am GP Ice Race in Zell am See schliesst sich ein Kreis – es ist wie Magie. Dazu gibt es viele krachende Momente.

Ohne Strom wäre die Geschichte vom Sportwagenbauer Porsche vielleicht nie so geschrieben worden, wie wir sie kennen. Fasziniert von der Nachricht des elektrischen Lichts von Edison will der Bub Ferdinand seinerzeit das elterliche Haus als erstes in seinem Dorf elektrisch beleuchten. Dafür baut er im Keller einen eigenen, handgetriebenen Generator. Gegen den Willen seines gestrengen Vaters Anton, der seinem Sohn den Umgang mit Elektrizität verbietet, ihn als Nachfolger in seinem Klempnergeschäft sieht. Allein, die neue elektrische Welt sorgt dafür, dass aus Ferdinand Porsche ein begnadeter Ingenieur wird. Einer, der nie studiert. Es zieht ihn nach Wien, wo er 1893 18-jährig in die Vereinigte Elektrizitäts-AG Béla Egger – später Brown, Boveri – eintritt. 1899 wechselt er zu den Lohner-Werken und baut im selben Jahr sein erstes Elektroauto, den Lohner-Porsche. Das Rad dreht sich als Rotor des Gleichstrommotors um den Stator, der fest mit der Aufhängung verbunden ist. Der Antrieb erzielt frei von mechanischen Reibungsverlusten einen Wirkungsgrad von 83 Prozent. Die Welt ist begeistert. 1896 meldet Porsche sein erstes Patent auf diesen Radnabenelektromotor an. 1902 folgt das erste Hybridfahrzeug der Welt.

Was gibt es Schöneres?
120 Jahre nach der Weltausstellung in Paris läutet Porsche jetzt mit dem Taycan das elektrische Zeitalter zum zweiten Mal ein. Alles, was heute hinsichtlich Antriebstechnologie in der Automobilwelt State of the Art ist und die Zukunft bestimmen wird, hatte Ferdinand Porsche schon als 25-jähriger hingestellt. Ein Kreis, also ein Stromkreis, schliesst sich. Und das in diesem Fall in Zell am See (A), jenem Ort, an den die Familien Porsche und Piëch während des Zweiten Weltkrieges ihre Kinder in Sicherheit bringen, wo seit 1974 das Designcenter der Firma steht und wo Ferdinands Sohn Ferry Porsche am 27. März 1998 verstarb. Vor diesem Hintergrund hat es schon etwas Trans­zendentes, was am GP Ice Race geschieht. Just als die Taycans für die Taxifahrten die Bühne betreten, öffnet sich der Himmel und Sonne scheint über dem Flughafengelände. Vorher und nachher war der Event in Nebel gehüllt. Ist es das Strahlen von Ferdinand Porsche selig?

Auf erwähnter Taxifahrt fühlt sich der Taycan authentisch an. Man hat nie das Gefühl, dass dieser Porsche daran scheitern könnte, nicht als echter Porsche wahr- und hingenommen zu werden.  Klar, der Sound fehlt. Doch wie sagt Vorstand Andreas Haffner: «Viele schätzen genau die Ruhe.» Es wird Generationen nach uns geben, denen der Sound nicht fehlen wird, weil sie es gar nicht anders kennen. Abgesehen davon setzt Porsche nur rund ein Drittel seiner Autos in Europa ab. «Er fährt sich toll, und die Beschleunigung ist gigantisch», sagt Werksfahrer Neel Jani. Und: «Ich fühle mich absolut wie in einem Porsche.» Wenn der Le-Mans-Sieger und Langstrecken-Weltmeister  das sagt, was will man da entgegenhalten? 

René Rast kämpft sich im DTM-Audi (l.) lautstark über das ungewohnte Terrain. Aksel Lund Svindal zeigt seine Skikünste hinter dem Dakar-Porsche (M.), und Tanner Foust spielt den Beetle-Beat.

Es geht auch extrem laut
Wie die Batterie hat auch der GP Ice Race zwei Pole. Einen neuen, elektrischen. Und einen alten, thermischen. So steht der Event für den Kontrast zwischen surrender E-Zukunft und tosender Verbrennervergangenheit. Zwischen Rotor und Kolben. Das Highlight aus der Abteilung Gebrüll liefert heuer Mitorganisator Hans-Joachim Stuck, der einen historischen Jägermeister-Formel-1-Renner vom Typ March-Cosworth 741 bei 11 200 Touren aufheulen lässt. Mit einer eigens angefertigten Spikes-Zwillingsbereifung an der Hinterachse, welche die 480 PS des Cosworth-V8-Triebwerks auf die Eispiste nageln. Stuck fuhr das Auto unter anderem 1976 in jenem Rennen auf dem Nürburgring, in dem Niki Lauda verunfallte. «Wie viele Spikes ich auf den Zwillingsreifen hinten und den Pneus vorne habe, weiss ich nicht. Auf jeden Fall ist es ein Spektakel, hier zu fahren», so Stuck. 

Auf gleiche Höhe punkto brachial orchestrierter PS-Eufonie kommt der Audi Sport Quattro S1 mit 476 PS aus einem Fünfzylinder-Leichtmetall-Reihenmotor, pilotiert von Stig Blomqvist, dem Rallye-Weltmeister von 1984. Gebaut wurde das Tier, das an der Rallye Monte Carlo 1986 von Walter Röhrl und Christian Geissdörfer gefahren wurde, 1985 und 1986. Verbrauch: 50 bis 70 Liter auf 100 Kilometer! Erzähl das mal Greta. Allein, diese letzte Weiterentwicklung des Rallye-Quattro, bei der alle möglichen Aggregate wie der Motorkühler, die Lichtmaschine, der Motorölkühler oder die Batterie zwecks besserer Gewichtsverteilung nach hinten in den Kofferraum verlegt wurden, macht nicht nur einen irren Sound, er repräsentiert definitiv auch das, was das Auto zum Kulturgut macht. Irgendwann werden unsere Nachfahren diesen 2.1-Liter-Hubraum-T-Rex mit knapp 1100 Kilogramm Gewicht mit offenen Ohren, Mäulern und grossen Augen bewundern, wenn er um die Ecke geschossen kommt.

Stark und laut ist auch der Auftritt von Gérard Larrousse. Der im Mai 80 Jahre alt werdende Franzose driftet im Porsche 914/6 um den Kurs – einer Gemeinschaftsentwicklung von VW und Porsche. 1971 fuhr Björn Waldegard mit der Rallyeversion des Mittelmotorwagens mit Zweiliter-Sechszylindermotor aus dem Porsche 911 bei der Monte auf Rang drei. Larrousse gründete 1975 das Elf-Switzer­land-Formel-2-Team und wurde mit Jean-Pierre Jabouille Europameister. 1976 wurde Larrousse dann Sportchef der neu formierten Motorsportabteilung von Renault. Unter seiner Leitung stieg das Team in die Formel 1 ein, gewann 1978 in Le Mans und 1981 die Monte. Später gründete der Franzose mit Partner Didier Calmels ein eigenes Formel-1-Team, Larousse-Calmels. «Das Auto ist sehr gut abgestimmt für diese Verhältnisse», sagt der Rentner, ganz der Vollblut-Rennfahrer eben.

Porsche präsentiert in Zell am See eine hübsche Auswahl an Klassikern aus dem Werksmuseum, darunter auch den ersten 911 mit Vierradantrieb von 1984, interner Modellcode 953. Entwickelt für die Dakar-Rallye, modifizierte Porsche den 3.2-Liter-Motor, um der erwarteten schlechten Kraftstoffqualität vorzubeugen. Ausserdem wurde das Fahrwerk stark angepasst. Die 330 PS reichten René Metge und Beifahrer Dominique Lemoyne zu einem überlegenen Sieg.

Marcel Hirscher (l.) lässts im Rallycross-Audi krachen. Der 80-jährige Gérard Larrousse im Porsche 914/6 (M). Das hätte seinem gleichnamigen Urgrossvater gefallen: Organisator Ferdinand Porsche.

Ein einzigartiges Feld
Dann ist da noch der 600 PS starke, polternde Rallyecross-Audi, den Marcel Hirscher pilotiert. Der Skigott, seines Zeichens Doppel-Olympiasieger von Pyeongchang 2018 und neunfacher Weltmeister, meint, er sei ja nur ein normaler Autofahrer: «Das ist, wie wenn man einen Skianfänger auf die schwarze Piste schickt.» Freilich bändigt der Salzburger sein Ungetüm souverän und wedelt mit dem Audi um die Kurven wie früher auf Ski um die Stangen. «Respekt hob i scho ghabt», so Hirscher, «aber es hat Spass gmacht.»

Apropos Audi: DTM-Champion René Rast und Benoît Tréluyer, Sieger des 24-Stunden-Rennens in Le Mans 2011, wechseln sich am Lenkrad eines 610 PS starken Audi RS 5 DTM ab. Das Geschoss kommt zwar nicht richtig in Fahrt, versetzt die Ohren der Zuschauer indes problemos ins künstliche Koma. Zum Driften ist dieser Tiefflieger nicht wirklich gemacht. «Eigentlich kann ich das ganz gut, aber bei den tiefen Fahrrillen bist du ziemlich verloren», so Rast. Für Aufsehen sorgt auch Rennfahrer und TV-Moderator Tanner Foust mit seinem 560 PS starken Allrad-Beetle, mit dem er die amerikanische Rally­cross-Meisterschaft gewonnen hatte. «Ich wohne in Südkalifornien. Da gibt es weder Schnee noch Eis», so Foust. Und: «Es ist schon abgefahren, mit dem Beetle hier übers Eis zu jagen.»

Schliesslich sind da noch die Verwegenen, die beim Skijöring von einem Auto beschleunigt werden. Der Slalom-Weltmeister von 1987, Frank Wörndl, lässt sich auf Willy Bogners Original-Olympia-Ski aus dem Jahr 1960 von FIA-Langstrecken-Weltmeister 2012 Benoît Tréluyer mit einem historischen DKW F91 ziehen. Porsche-Werksfahrer Jörg Bergmeister seinerseits nimmt im Dakar-Porsche den zweifachen Gesamtweltcupsieger Aksel Lund Svindal in Schlepptau. Wirklich ein Spektakel für die ganze Familie.

Wer hats erfunden?

Die ursprüngliche Variante des heutigen Eisrennens in Zell am See geht zurück aufs Jahr 1928, als an den Olympischen Winterspielen in St. Moritz zum ersten Mal Pferde Skifahrer über eine Rennpiste zogen. Das Skijöring war geboren. Die ersten Rennen in Zell am See fuhren 1937 Motorräder mit Skifahrern im Schlepptau. Organisator war damals der Salzburger Automobil-, Motorrad- und Touring-Club. Anfang der 1950er-Jahre noch als Prof.-Porsche-Gedächtnis-Eisrennen bezeichnet (Bild), fand 1956 eine Umbenennung in Internationales Motorrad- und Auto-Eisrennen Zell am See statt. Im selben Jahr siegte erstmalig Otto Mathé auf MA-01 vor dem legendären Porsche-Rennleiter Huschke von Hanstein auf einem Porsche RSK. 1974 kam das Porsche-Gedächtnisrennen zu einem jähen Ende, als es bei den vorbereitenden Räumungen zu einem Unfall kam und das bevorstehende Rennen kurzfristig abgesagt wurde. 2019 fand es nach langer Pause erstmals wieder statt, heuer also zum zweiten Mal. Bleibt die Hoffnung, dass das OK um Ferdinand Porsche weitermacht – als Kulturgut wird das GP Ice Race in Zell am See nur noch wertvoller. MS

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