Die lächelnde Raubkatze

NEUE IDENTITÄT Der Ford Puma, einst ein kleines Coupé, kommt als Crossover im B-Segment zurück. Er erfreut mit ­modernsten Assistenzsystemen – und der Kofferraum sorgt für eine waschechte Überraschung.

Wie sehr hat sich die Welt des Automobils doch innerhalb von dreissig Jahren gewandelt. In den 90er-Jahren fuhren Familien in unansehnlichen, aber praktischen Kleinbussen durch die Gegend, die Hersteller übertrafen sich gegenseitig im Erfindungsreichtum, um alle Marktnischen abzudecken. Zu jener Zeit entstanden Autos wie der Opel Tigra und der Ford Puma, zwei kleine Coupés. Heute müssen die Minivans nach und nach den attraktiveren SUV Platz machen – und auch die kleinen Coupés gehören inzwischen der Vergangenheit an. Bei Ford sprach also nichts dagegen, den Namen Puma für sein neuestes SUV (oder CUV für Crossover Utility Vehicle) zu verwenden. 

Die Wahl mag auch deshalb auf diese Bezeichnung gefallen sein, weil sie den Fans des kleines Coupés noch gut in Erinnerung ist. «Der Name wurde uns von einer Dame vorgeschlagen, die wir zu unseren Tests mit einem repräsentativen Kundenpanel eingeladen hatten», erklärt Thomas Morel, Leiter des Exterieur-Designs bei Ford Europa, «und er fand bei uns sehr schnell immer mehr Unterstützer.» Die weit geöffnete Front des Crossovers mag an das Maul eines Räubers erinnern, allerdings eher an das eines Stubentigers als einer wirklichen Raubkatze. Jedenfalls verleihen ihm seine hochgezogenen Mundwinkel und sein Gitter – Ford nennt das Optimistic Grill – ein eher fröhliches oder gar lustiges Aussehen denn einen aggressiven Charakter. Immerhin steht der Crossover im Vergleich zum Fiesta, mit dem er die Plattform teilt, auf einem um 56 Millimeter breiteren Geläuf. 

Geht man um den Puma herum, so zeigt er sich dann von einer anderen Seite. Mit einer Länge von 4.19 Metern und dank seiner gestreckten Form erinnert er schon eher an eine Katze auf der Jagd. Er verdankt dies dem weit nach hinten gezogenen Dach und der gleichzeitig hochgezogenen Gürtellinie. Diese verläuft bis zur muskulösen Schulter über den hinteren Radhäusern. Die gewölbte Flanke setzt sich fort und endet beim Rücklicht, das ­einen eleganten Übergang zum Heck bildet.

Ausstattung, wie man sie selten sieht
Es ist ungewöhnlich, dass uns der Puma auf dem Flughafen von Malaga (Spanien), dem Schauplatz dieser ersten Begegnung, mit offener Heckklappe erwartete. Auf diese Weise konnte Ford eine der wichtigsten Innovationen des neuesten Modells hervorheben: die sogenannte Megabox, ein unter dem Ladeboden befindliches Staufach (s. Kasten). Die Heckklappe schliesst auf Knopfdruck elektrisch – eine weitere Rarität im B-Segment.

Dass Ford bei der Ausstattung nicht gespart hat, zeigt sich auch im Innenraum, wo der Puma durch eine umfassende Ausstattung glänzt, darunter einige Elemente, die in seinem Segment eher untypisch sind. Dazu gehören die tadellosen Bildschirme des Infotainmentsystems (8 Zoll, serienmässig) und der Instrumentenanzeige (12.3 Zoll). Letzterer soll auch vorausliegende Gefahren anzeigen, beispielsweise einen Unfall oder ein Hindernis, und nutzt dafür Informationen, die von anderen Fahrzeugen gesammelt und übertragen werden. Zumindest in der Theorie, denn bei der Testfahrt warnte uns das System nicht vor einem Verkehrsunfall, obwohl die Strasse mehr als eine Stunde lang blockiert war. Man muss Ford zugutehalten, dass das Gerät nur funktioniert, wenn genügend Fahrzeuge mit entsprechender Ausstattung auf den Strassen unterwegs sind.

Abgesehen vom Local Hazard Information System verfügt der Ford Puma über einen intelligenten adaptiven Tempomaten, der sich selbständig nach der auf der Beschilderung angezeigten Höchstgeschwindigkeit richten kann. Es gibt auch abnehmbare Sitzbezüge und Massagesitze, die in diesem Segment sonst kaum zu finden sind. Im Fond sind der Zugang der Passagiere und die Kopffreiheit durch die absteigende Dachlinie beeinträchtigt. Auch der Platz für die Knie ist trotz eines gegenüber dem Fiesta um zehn Zentimeter längeren Radstands (2.59 m) nicht berauschend. 

Deutlich besser schneidet der kleine Crossover bei der Bedienungsfreundlichkeit ab, die wirklich ausgezeichnet ist. Glücklicherweise folgt Ford (noch) nicht der törichten Mode, alle Bedienelemente auf dem Touchscreen zusammenzufassen. Besser könnte dagegen die Qualität der beim Armaturenbrett und bei den Türverkleidungen verwendeten Materialien sein, die zwischen akzeptabel und suboptimal schwankt. Allerdings hinterlassen sie einen deutlich besseren Eindruck als jene, die beim VW T-Cross zum Einsatz kommen.

Nur Dreizylinder im Angebot
Zeit, den frontgetriebenen Puma anzuwerfen! In allen Fällen wird es sich um einen Dreizylinder-Benziner handeln, wobei sich der Unterschied auf die Leistung und den Einsatz des Mild-Hybridsystems beschränkt. Ein Diesel ist nicht vorgesehen. Die Motorenpalette beginnt mit dem bekannten, 125 PS starken Dreizylinder-Turbo und geht weiter mit zwei Hybriden mit 125 beziehungsweise 155 PS. Sie alle sind vorerst nur mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe verfügbar, im Sommer wird ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe nachgereicht. Eine Allradvariante ist nicht geplant.

Bei unserer Testfahrt nehmen wir am Steuer der beiden Hybridversionen Platz, die bei Ford neu im Angebot sind. Ein Startergenerator, der durch ein 48-Volt-System versorgt wird, entlastet den Motor beim Anfahren und bei hoher Last, während eine Batterie beim Verzögern und Bremsen ­rekuperierte Energie aufnimmt. Die Ford-Ingenieure erläutern, dass die Unterstützung durch das Hybridsystem auch in Abhängigkeit vom gewählten Fahrmodus variiert: So wird beispielsweise im Profil Sport das maximale Drehmoment schon bei niedrigerer Motordrehzahl abgegeben. Die 210 Nm (Overboost) des 125 PS starken Antriebs stehen bereits ab 1750 U/min zur Verfügung. 

Die Seiten- und Heckansicht wirkt dynamischer als die Frontansicht, insbesondere in der ST-Line-Version. Der Einliter-­Ecoboost-Hybridmotor ist hier im Einsatz. Ein 12.3 Zoll grosses und übersichtliches Display dient als Armaturenbrett.

Zusätzliche Merkmale
Nach einer spürbaren Verzögerung bei niedrigen Drehzahlen, die auf das Turboloch zurückzuführen ist, dreht der Hybridantrieb munter hoch, untermalt vom typischen Trommeln des Dreizylindermotors. Fahrten in der Stadt, dem bevorzugten Terrain für diesen Wagen, wickelt er ohne die geringste Schwierigkeit ab, er beschleunigt und verzögert brillant. Sobald man vom Gas geht, nutzt das Hybridsystem die überschüssige Energie zum Aufladen der Batterie, was zu einer gut spürbaren Verlangsamung führt. Tatsächlich arbeitet diese Funktion gut mit den Eigenschaften des Dreizylindermotors zusammen, der sich normalerweise aufgrund eines schwereren Schwungrades durch einen langsameren Abfall der Drehzahl auszeichnet. Der 125 PS starke Antrieb fühlt sich auch auf der Autobahn wohl, zumal er ausreichend Durchzugskraft für zügige Überholmanöver besitzt. Natürlich kann er in diesem Bereich nicht mit dem 155-PS-Motor konkurrieren, der in den oberen Gängen eine Länge Vorsprung hat. Bei moderateren Drehzahlen glänzt der stärkere Benziner mit mit seinem Overboost-Drehmoment (240 Nm bei 2500 U/min), bei der Annäherung an das Drehzahlmaximum (6000 U/min) geschieht dann aber nicht mehr viel. Bei beiden Antrieben sind die Schaltvorgänge angenehm und präzise, wenngleich wir etwas enger stehende Pedale für die Wechsel zwischen Gas und Bremse geschätzt hätten.

Auf der Strasse ein echter Ford
Der Puma scheut die flotte Fahrt um die Kurven nicht, egal ob mit oder ohne Sportfahrwerk (Serie beim ST-Line X). Selbst in der Titanium-Ausführung liegt der kleine Crossover gut auf der Strasse, obwohl die Präzision der Vorderachse logischerweise hinter der des Fiesta zurücksteht. Der Preis für die Dynamik ist eine gewisse Härte, unbequem ist der Puma aber nicht. Für das Sportfahrwerk der ST-Line X, das auf schlechtem Untergrund ruppig werden kann, gilt das schon weniger, obwohl der Zugewinn an Dynamik nicht offensichtlich ist. In dieser Hinsicht scheint der Antrieb, der dem Konzept dieses Autos am besten entspricht, der 125-PS-Motor in Verbindung mit der Komfort-Ausführung Titanium zu sein. Das ist allerdings ein vorläufiges Urteil, das in einem gründlichen Test zu bestätigen ist. Der Ford Puma ist ab sofort ab 25 900 Franken erhältlich. 

Mega, dieser Kofferraum

Eines der hervorstechenden Merkmale dieses Puma ist der Kofferraum. Das Ladevolumen beträgt insgesamt 456 Liter, was der höchste Wert bei einem SUV des B-Segments ist. Der kleine Crossover schafft dies dank einer 80 Liter fassenden, sogenannten Megabox, wie das Becken unter dem Kofferraumboden genannt wird. Das Wort Becken trifft es insofern, als dieses vollständig mit Kunststoff ausgekleidete Fach einen Abfluss im Boden besitzt. Die Megabox kann also mit einem Hochdruckreiniger gesäubert werden, wenn man schmutzige Gegenstände transportiert hat. Das ist nicht ganz unwahrscheinlich, da sich dieses Abteil ideal für den Transport etwa von Topfpflanzen eignet, da die Ladehöhe ganze 1.14 Meter beträgt. Damit sind die Möglichkeiten jedoch noch nicht ausgeschöpft. Ford denkt über ein Zubehörprogramm nach. «Wir sind mit Samsonite im Gespräch, um Koffer mit passenden Abmessungen anzubieten», erklärt Dieter Leffers, Chefingenieur des Projekts. Doch man braucht nicht auf die Verfügbarkeit dieser Koffer zu warten, um zu erkennen, dass in die Megabox problemlos zwei Handgepäckkoffer hineinpassen. Ein Pannen-Kit sucht man allerdings vergeblich. «Es wird als Zusatzausrüstung erhältlich sein», ergänzt Leffers beinahe verlegen, «es wäre zu kompliziert gewesen, dies am Fliessband einzubauen.» Da fragt man sich doch, wie sie das denn früher hinbekommen haben.

Die technischen Daten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

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