Da sind sie wieder, die alten Denkmuster. Auch im Falle des Renault Zoe interessiert die Frage nach der Reichweite zu Beginn am meisten. Irgendwie logisch, denn zumindest war die Steigerung der Batteriekapazität von bisher maximal 41 auf 52 kWh das grosse neue Feature. Bei der weiterentwickelten Batterie mit identischen Abmessungen wurde die innere Struktur grundlegend optimiert. Im selben Zug wurde das Leistungspotenzial des Zoe von 80 auf 100 kW gesteigert. Zudem hat sich der Innenraum weiter zum Positiven entwickelt. Während die ersten Jahrgänge die Anmutung von China-Ramsch hatten, überzeugt der Zoe nun mit einem funktionalen und vor allem schicken Cockpit. Vieles dreht sich um den in der Mitte im Hochformat verbauten 9.3-Zoll-Touchscreen. Das Infotainmentsystem bietet allerhand Möglichkeiten zur Individualisierung und modernsten Funktionsumfang. Hinsichtlich Geschwindigkeit und Intuitivität der Menüführung müssen jedoch kleinere Abstriche hingenommen werden. Doch seien wir ehrlich: Wer sich mit der Materie beschäftigt und für E-Autos wie den Zoe interessiert, der wird das serienmässige Android Auto oder Apple Carplay verwenden. Dabei wird die Rechenkapazität des Smartphones genutzt, zudem funktioniert beispielsweise die Sprachsteuerung von Google um Welten besser als die teuren Lösungen der meisten Autohersteller. Das gilt auch für die Navigation.
Das interessanteste Feature der Renault-Navigation ist der berechnete Aktionsradius. Über der Karte wird die Fläche angezeigt, die – gemessen am bisherigen Stromverbrauch – mit der aktuellen Batterieladung zu erreichen ist. Weniger gut ist die Tatsache, dass bei der Adresseingabe nicht auf ein eventuelles Nicht-Erreichen des Zielortes hingewiesen wird. Das löst Spartenprimus Tesla deutlich smarter. Bei Renault hingegen wird erst kurz vor dem Umschalten auf Notstrom scheu nach einem Ladestopp gefragt. Unter fünf Prozent Akkuladung stellt sich der Schildkröten-Modus ein, der die Leistung drosselt – allerdings nicht so stark wie der herkömmliche Eco-Modus.
E-Mobilität ist nicht einfach
Kann das Auto etwas dafür? Jein! Schliesslich werden für den stärksten Zoe 386 Kilometer Reichweite nach WLTP angegeben. Umso erstaunlicher also, dass uns der Bordcomputer beim ersten Kontakt bei vollem Akku mit einer berechneten Restreichweite von lediglich 245Kilometern begrüsste. Natürlich hängt dieser Wert nicht erst seit dem Aufkommen der Stromerautos vom Fahrstil ab (s. Grafik), aber mehr als 300 Kilometer scheinen mit dem Zoe im Alltag nicht drinzuliegen, gerade weil die Temperaturen tief und am Testwagen die minimal verbrauchsungünstigeren 16-Zoll-Felgen verbaut waren. Auf den 280 Autobahnkilometern von Niederwangen BE nach Zürich und zurück wird es damit schon beinahe abenteuerlich. Auf dem Rückweg rollten wir trotz möglichst konstanter 90 km/h und ausgeschalteter Heizung mit einer Restreichweite von einem Kilometer zur Redaktion.
Der fremderregte Wechselstrom-Synchronmotor leistet 100 kW (136 PS), was jedoch nur selten abgerufen wurde, auch wenn die beinahe aus dem Start verfügbaren 245 Nm dafür sorgen, dass der Zoe herrlich aufgeweckt unterwegs sein kann. Auf langer Fahrt hingegen ist der Eco-Modus dein bester Freund. Der maximale Output wird auf 25 kW (36 PS) begrenzt – erstaunlich, wie flüssig man damit urban unterwegs ist! Auf der Autobahn entspricht das je nach Bedingungen einer Geschwindigkeit von 110 km/h und – die Milchbubenrechnung ist einfach – etwas über 200 Kilometer Reichweite.
Für Stadt und Land hingegen gibt es zur gesteigerten Rekuperation einen zusätzlichen Fahrmodus. In der Fahrstufe B verzögert der Zoe beim Loslassen des Gaspedals mit knapp 20 kW. Das reicht, um bei entsprechender Fahrweise das Bremspedal kaum mehr betätigen zu müssen. Die maximale Rückeinspeisung über das neue Bremssystem liegt bei 43 kW – der Verbrauch sinkt, und zwar deutlich! Der WLTP-Zyklus spielt den E-Autos also insofern in die Karten, als dass die genormte Strecke aus einer Fahrdauer von 57 Prozent in der Stadt, 25 Prozent ausserstädtisch und nur 18 Prozent auf der Autobahn besteht. Deshalb kann die Reichweitenangabe auf Langstrecken durchaus verwirren.
Apropos verwirrend: Für den Preis des Testwagens von 34 250 Franken wird die Batterie nur gemietet und nicht gekauft – dafür würden zusätzlich 10 000 Franken fällig. Die Gebühren der Batterie-Monatsmiete richten sich nach der Anzahl der gefahrenen Jahreskilometer. 94 Franken im Monat bezahlt, wer nicht mehr als 7500 Kilometer fährt. Maximal beläuft sich die Miete auf 144 Franken im Monat. Der Vorteil: Schwächelt die Batterie, wird sie ausgetauscht. Versteckte Kosten verbergen sich, abgesehen von den steigenden Gebühren, auch beim Laden. Standardmässig ist ein Wechselstromadapter, der ein- oder dreiphasiges Laden von 2 bis 22 kW erlaubt, mit an Bord. An der Steckdose zu Hause dauert eine Vollladung 37 Stunden, an einer 11-kW-Wallbox sechs Stunden. Der DC-CCS-Stecker muss dazugekauft werden (1050 Fr.). Mit einer Ladeleistung von maximal 50 kW ist die Batterie in 65 Minuten zu 80 Prozent und in eineinhalb Stunden komplett geladen.
Kürzere Ladestopps kann man bequem im Zoe selbst verbringen. Die serienmässigen Stoffapplikationen der Armaturenkonsole erscheinen als der richtige Kompromiss zwischen Materialqualität und Kostenbewusstsein. Alles im Zoe fühlt sich angenehm an. Für Fahrer und Beifahrer bietet der Franzose ein überzeugendes Platzangebot. Der Umstand, dass die aus Recyclingmaterialien bestehenden Sitze in der Höhe nicht verstellbar sind, fällt nicht allzu negativ auf, weil die Kopffreiheit mit 96 Zentimetern exzellent ist. Die Sitzposition ist insgesamt eher hoch.
So positiv das Raumgefühl vorne, so eingeschränkt ist es im Fond. Für Erwachsene wird die Mitfahrt beinahe zur Tortur. Während das Platzangebot in der Breite und Länge noch in Ordnung geht, bleibt für den Kopf kaum Platz. Bei einer Grösse von 1.80 Meter ist es kaum möglich, ohne Verrenkungen auf der Rückbank zu verweilen. Das ist insofern überraschend, als dass der Zoe durch die hochgezogene Frontscheibe geräumiger aussieht. Die Dachlinie aber fällt stark und auch für den Kofferraum ungünstig ab (338–1225 l bei 60:40 umklappbarer Rückbank). Das Design insgesamt hat sich gegenüber dem Vorgänger unwesentlich verändert, wirkt aber moderner und urbaner. Es nähert sich klar dem des Clio an.
Mit 4087 Millimetern ist der Zoe nur minimal länger als der Clio. Die Überhänge sind kurz, und das Gefühl für die Abmessungen sehr gut. Das Fahrverhalten ähnelt ebenfalls dem des Clio, betreffend Spurtreue muss sich der Zoe hingegen klar mit kleineren denn grösseren Modellen vergleichen lassen. Auch unterstützten die Assistenten nur sehr bedingt. Der Spurhalteassistent ist kein Autopilot. Und ein adaptiver Tempomat fehlt gleich ganz. Dafür kommt die höchste von drei Ausstattungsvariante serienmässig mit einem Tot-Winkel-Warner, einer Rückfahrkamera und Einparkhilfen vorne und hinten. Ohne Frage: Der Zoe macht bei niedrigem Tempo am meisten Spass.
Je schneller, desto schneller leer
Stolze 475 Kilometer weit soll der Zoe kommen –diese Rechenspielerei bietet Renault auf der Website. Für die angegebenen 386 Kilometer (WLTP) müsste der Output bei maximal konstanten 13.5 kW liegen, oder es müsste viel rekuperiert werden. In der Stadt ist das möglich, auf der Autobahn hingegen zeichnen unsere Messungen selbst bei ausgeschalteter Heizung ein anderes Bild. Je höher das Tempo, desto höher der Verbrauch – Schnellstrassen sind kein Freund von E-Autos. Der Mischverbrauch pendelt sich bei über 20 kWh und die Reichweite bei rund 250 Kilometern ein. CHE
Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.
super ???? realistischer ehrlicher Testbericht – wie komme zu den AR Testaten – würden Sie mir bitte eine gedruckte Ausgabe senden :
Markus Rüegsegger Wyler
Guten Tag Herr Rüegsegger, ihr Exemplar ist unterwegs.