Die Versuchung ist gross. Wenn Sie ein Elektroauto fahren, müssen Sie nie mehr an die Zapfsäule. Ganz zu schweigen von den attraktiven Steuervorteilen, die Ihnen viele Kantone gewähren. Elektrofahrzeuge setzen sich immer stärker durch. Aber Achtung: Überstürzen Sie nichts, denn diese Entscheidung kann schnell zum Albtraum werden, wenn sie unüberlegt getroffen wird.
+ Tiefere Gesamtkosten
Noch bis vor Kurzem waren E-Autos im Vergleich zu gleichwertigen Modellen mit Verbrennungsmotor aufgrund ihres wesentlich höheren Preises finanziell nicht interessant. Es war fast unmöglich, die höheren Anschaffungskosten durch die Ersparnis für Treibstoff, Wartung oder Motorfahrzeugsteuer zu kompensieren. Allerdings ändert sich die Situation mit der Einführung erschwinglicherer Modelle wie dem Seat Mii Electric (19 950 Fr.). Laut dem auf Flottenmanagement spezialisierten Unternehmen Lease Plan ist es heute aus finanzieller Sicht interessanter, auf E-Mobilität zu wechseln. Dies zeigt eine Studie, in der das Unternehmen in 13 europäischen Ländern 456 Vergleiche zwischen Elektro- und Verbrennungsmotoren anstellte. Wenn man Amortisation, Wartung, Pneus, Versicherung, Steuern und Treibstoff/Strom berücksichtigt, weist das E-Auto in 56 Prozent der Fälle mehr Vorteile auf (49 % in der Schweiz).
+ Substanzielle Reichweite
Dank der Einführung der Autos Peugeot E-208, VW ID 3, Hyundai Kona Electric, Tesla Model 3, Nissan Leaf und weiteren ist es möglich, mit einer einzigen Batterieladung 300 Kilometer zurückzulegen. Geht man davon aus, dass ein Schweizer jeden Tag durchschnittlich eine Distanz von 36.8 Kilometern zurücklegt, wäre es möglich, eine Woche lang zu fahren, bevor das Elektroauto wieder geladen werden müsste. Die Reichweitenangst, also die Angst, dass die Batterieladung nicht ausreichend ist, schwindet nach und nach. «Mit dem massiven Rückgang der Batteriepreise neigen die Hersteller nicht dazu, die Fahrzeugpreise zu senken, sondern die Kapazität der Akkumulatoren und damit die Reichweite zu erhöhen», sagt François Vuille, Leiter der Energiedirektion des Kantons Waadt. «Die heutigen E-Autos können durchaus für Langstreckenfahrten genutzt werden.»
+ Stetiger Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur
Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) existierten 2018 weltweit 400 000 öffentliche Ladestationen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das eine Steigerung um 21 Prozent. Im gleichen Jahr standen in der Schweiz 3200 öffentliche Standorte mit jeweils mehreren Stationen zur Verfügung. In der Schweiz gibt es 70 Schnellladestationen (zwischen 100 und 350 kW), die eine deutliche Reduktion der Ladezeit versprechen: Um den Akku eines Audi E-Tron zu 80 Prozent aufzuladen, braucht es 30 Minuten. Es gibt zahlreiche Apps (wie zum Beispiel die des Marktführers Chargemap), die aufzeigen, welche Ladestationen sich in der Umgebung befinden, ob sie besetzt sind und welche Ladeleistung sie zu welchem kWh-Preis anbieten.
+ Ohne lokale CO2-Emissionen
Elektroautos stossen lokal nur ein leichtes Zischen aus, aber sicherlich kein CO2. Natürlich ist die Rechnung nicht so einfach: Man muss berücksichtigen, wie umweltfreundlich die Energie ist, die
für die Herstellung des Fahrzeugs und den Antrieb benötigt wird. Wenn der Energiemix vorwiegend aus erneuerbaren Energien besteht, so wie das in der Schweiz der Fall ist (33 Gramm CO2 pro hergestellter kWh aufgrund des Übergewichts an Wasserkraft und Atomstrom), stösst ein E-Auto in seinem ganzen Lebenszyklus gemäss den Zahlen von Hydrogen Council zwischen 65 und 75 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Vergleichbare Benzin- oder ein Dieselmotoren stossen 185 g/km respektive 180 g/km aus. Aufgrund dieser Werte gibt Energie Schweiz (eine vom Bundesamt für Energie abhängige Institution) an, dass ein E-Auto die bei seiner Herstellung anfallenden Treibhausgase nach rund 50 000 Kilometern bereits kompensiert hat.
+ Effizienter Motor
Ein Verbrennungsmotor gibt zwischen 60 und 85 Prozent seiner Energie in Form von Wärme ab, ohne Möglichkeit zur Rekuperation, da die Verbrennung ein irreversibler Prozess ist. Ein Elektroauto besitzt nicht nur einen Wirkungsgrad von fast 90 Prozent, sondern kann auch beim Bremsen Energie gewinnen. Zu dieser Effizienz gesellt sich der äusserst heitere Charakter von Elektroantrieben: Das maximale Drehmoment ist bereits bei ganz niedrigen Drehzahlen verfügbar, und das Fahrzeug fährt mit Schwung an. Ideal für das Stop-and-go-Fahren in den Stadtzentren!
Der Stillstand ist ein Rückschritt
Über den Punkt, als sich E-Autohalter noch rechtfertigen mussten, sind wir hinaus. Im Gegenteil: Selbst die Allergrünsten heben den Daumen, wenn man mit einer Urgewalt, die nur die stärksten Verbrenner bieten, an ihnen vorbeisurrt. Vielleicht liegt das in Anlehnung an die drei Affen daran, dass das, was nicht laut schreit, auch kein allzu grosses Problem sein kann.
Zumindest betreffend CO2-Emission stehen E-Autos gemäss seriösen Studien mit sinnvollen Vergleichsfahrzeugen unter Betrachtung der – wichtig! – gesamten Förderungskette nicht schlechter da, mit zunehmend grünerem Strommix wird die Bilanz stets besser. Der Tolggen im Reinheft: je grösser die Batterie, desto schlechter die Ökobilanz. Carsharingkonzepte könnten Abhilfe schaffen. Auch sind kobaltfreie Akkus angekündigt.E-Autos sind heute ausgereift. Verbilligungen und geringere Kosten relativieren den Mehrpreis. Das ist vielleicht nicht die endgültige Lösung. Doch werden fossile Brennstoffe knapp, der Status quo kommt einem Rückschritt gleich. Ein Umdenken muss stattfinden. Und wer verreisen will, mietet einen Verbrenner. Oder reist dank der besser werdenden Ladeinfrastruktur mit dem eigenen E-Auto an. Cedric Heer
– Herausforderung des Ladens
Selbst wenn sich die Ladezeiten und das Stationennetz verbessert haben, so stellen sie immer noch das Haupthindernis in der Anschaffung eines E-Autos dar. «Wenn man das Auto nicht zu Hause oder am Arbeitsplatz aufladen kann, ist ein Elektroauto nicht die richtige Wahl», erklärte der ehemalige CEO von DS Automobiles, Yves Bonnefont, bei der Präsentation des DS 3 Crossback E-Tense. Es braucht tatsächlich mindestens 20 Minuten, um die Batterie an einer Schnellladestation zu 80 Prozent aufzuladen. In Wahrheit ist die überwiegende Mehrheit der Ladestationen langsam (zwischen 7.2 und 22 kW), und viele E-Autos können ihre Akkus nur mit einer vordefinierten Maximalleistung aufladen. Diese Aspekte verlängern lange Reisen enorm, und es müssen Etappenziele festgelegt werden, um das Auto aufzuladen. Zudem muss man vorab sicherstellen, dass eine freie Ladestation verfügbar ist und dass man auch das richtige Abo dafür hat. Die Ladeleistung kann auch aufgeteilt werden, wenn mehrere Fahrzeuge am selben Terminal angeschlossen sind.
– Ausbaufähige Reichweite
Sicherlich hat sich der Aktionsradius von E-Autos vergrössert, doch im Vergleich mit einem Verbrennungsmotor bleibt er mässig. Jeder Verbrenner kann mit einer Tankfüllung eine Strecke von 500 Kilometer zurücklegen. Die Elektromodelle mit einer effektiven Reichweite von 300 Kilometern beginnen hingegen erst, sich zu verbreiten. Hinzu kommt, dass die Reichweite stark von der Streckenart und den äusseren Bedingungen abhängt. Lange Reisen erfordern einen Ladestopp und damit die Änderung der persönlichen Routine.
– Zeitlich begrenzte Vorteile
Die «Roadmap Elektromobilität 2022», die der Bund im Rahmen seiner Energiestrategie 2050 entworfen hat, sieht fürs Jahr 2022 15 Prozent Elektroauto-Neuzulassungen in der Schweiz vor. Die Kantone subventionieren den Kauf von E-Autos entweder über direkte (Kaufprämien) oder indirekte Vorteile (Rabatt auf Motorfahrzeugsteuer). Der durch die geringeren Treibstoffabgaben bedingte Gewinnverlust muss dann nämlich kompensiert werden. Tatsächlich erhebt der Bund pro Liter Benzin 73 Rappen, wodurch jährlich etwa 5.6 Milliarden Franken in die Bundeskasse und teilweise in den Nationalstrassenfonds fliessen. Da die Elektrofahrzeuge die Strasseninfrastruktur im gleichen Mass wie alle anderen Fahrzeuge nutzen, werden sie nicht mehr lange von einer Steuerabgabe verschont bleiben: Das Projekt Mobility-Pricing – eine Kilometerabgabe – zeichnet sich aktuell im Bundeshaus ab.
– Ungewisse kWh-Preise
Der kWh-Preis scheint sehr verlockend. Er schwankt je nach Tageszeit zwischen 19 und 32 Rappen. So kann man eine 50-kWh-Batterie für 10 bis 16 Franken voll aufladen. Was wird jedoch mit dem kWh-Tarif angesichts einer immer grösser werdenden Menge von E-Autos geschehen, die nach Elektronen hungern? François Vuille formuliert eine mögliche Hypothese: «Wenn die Energiestrategie des Bundes umgesetzt wird, sollte der Preis pro kWh trotz zunehmender Elektromobilität nicht steigen, denn die Gesamtnachfrage nach Strom wird langfristig ziemlich stabil bleiben. Tatsächlich wird die höhere Nachfrage nach Elektrofahrzeugen durch die schrittweise Abschaffung der elektrischen Direktheizung in Privathäusern und der Industrie kompensiert.» Bei den frei zugänglichen Ladestationen stellt sich die Situation dagegen anders dar. Das Ladestationen-Netz Ionity hat eine Erhöhung der kWh-Preises auf rund 84 Rappen angekündigt, die Kosten für das Laden eines 50-kWh-Akkus belaufen sich damit neu auf 42 Franken. «Eine Schnellladestation ist 150 000 Franken wert, und nur wenige Menschen nutzten sie, da sie lieber zu Hause laden. Die Dienstleister versuchen, ihre Investitionen zu amortisieren», sagt Vuille.
– Fragen nach Batterielebensdauer und Recycling
Die Lithium-Ionen-Batterien – das teuerste Element eines Elektroautos – verlieren mit der Zeit an Kapazität, obwohl zahlreiche Hersteller zusichern, dass sie nach acht Jahren noch immer 80 Prozent betrage. «Wenn systematisch an Schnellladestationen aufgeladen wird, wird sich das zwangsläufig auch auf die Lebensdauer der Batterie auswirken», sagt Vuille. Schliesslich ist da noch das Problem, wie die Batterie am Ende ihres Lebenszyklus rezykliert werden soll: Noch weiss niemand, wie man das genau handhaben wird. «Die ersten gebrauchten Akkus kommen jetzt auf den Markt. Eine Möglichkeit besteht darin, ihnen ein zweites Leben als Stütze für das Stromnetz zu geben. Derzeit gibt es jedoch noch kein bewährtes Wirtschaftsmodell», sagt Vuille. Fortsetzung folgt.
Geht es wirklich ums Klima?
Kann man heute noch gegen den Elektroantrieb Position beziehen? Mit Sicherheit nicht auf der technischen Seite, da hat er seine Vor- und Nachteile wie Benzin und Diesel auch. Wogegen man aber Stellung beziehen kann, ist das Erzwingen der Elektromobilität auf politischem Weg. Kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Studie zur Ökobilanz von E-Autos publiziert wird. Die Erkentnisse sind alles andere als einheitlich: Von «Elektroautos sind ab Stunde Null ökologischer als ein Verbrenner» bis zu «Sie werden es nie sein» ist alles dabei.
Eine solche Bandbreite kann nur bedeuten: Es geht nicht um Fakten, sondern um Meinungen. Und welche Meinung die Pro-E-Fraktion vertritt, sollte inzwischen allen klar sein. Greta sieht als Auslöser der «Klimakatastrophe» das rassistische Patriarchat, Luisa Neubauer, die deutsche Fridays-for-Future-Ikone, die Lösung in der Zerschlagung des Kapitalismus. Wir sollten uns gut überlegen, ob wir uns für eine Entwicklung instrumentalisieren lassen wollen, die gigantische Kosten verursacht, von der wir nicht sicher sind, ob sie überhaupt eine positive Auswirkung haben wird, und erst recht nicht wissen, wie die möglichen negativen Auswirkungen aussehen werden. Ramon Egger
Ein ausführliches Dossier zum Thema Elektromobilität finden Sie in der gedruckten Ausgabe der aktuellen Automobil Revue Nr. 5/2020.
Elektro ist ja schön und gut. Nur: Wieso soll ich permanent ca. 600kg Batterien mit mir rumschleppen, was umgerechnet wackeren 8 Personen entspricht?
Leider gehen Sie in diesem Artikel erstaunlicherweise nicht auf die beste elektrische Alternative ein: Wasserstoff Brennstoffzelle (Hydrogen Fuel Cell). Es gibt schon die Möglichkeiten, lokal mit Solarstrom Wasserstoff zu generieren. Da liegt die Zukunft, nur die Tesla-Fans wollen das offenbar nicht begreifen.
Zusätzlich bei den Nachteilen wäre zu erwähnen, dass man eigentlich ein System mit Ablaufdatum kauft. Ich habe bis jetzt in meinem Leben noch keinen Akku besessen, der nach 8-10 Jahren oder maximal 500 Zyklen überhaupt noch liefen und/oder noch höchstens 50-60% der ursprünglichen Ladekapazität besassen.
Da der Akku wie sie korrekt sagen das weitaus teuerste Teil eines Elektroautos ist, sollte dies unbedingt in den Lebenszykluskosten mitberücksichtigt werden. Dass heisst dann aber auch, dass bei sehr vielen wenigstens einmal, wenn nicht zweimal der Akku ersetzt werden müsste.
Soweit mir bekannt wird bei einem Fahrzeug mit einer Lebensdauer von 15-20 Jahren und 300000km gerechnet. Dabei ist zu beachten das bei dieser erwartenden Laufleistung bei einem Benziner/Diesel etwa 10-15% der Lebenszyklus CO2 Emissionen bei der Produktion anfallen. Bei einem Elektrofahrzeug mit Akku nach allen ungenauen Quellen, wegen der energieintensiven Herstellung des Akkus, und natürlich wegen des effizienteren Elektromotors, sicherlich einiges mehr als die 10-15% der Verbrenner. (Wahrscheinlich 30-50%…?) Wie sieht dann die echte Ökobilanz ( from cradle to cradle) aus…? (inklusive mindestens einem Austauschakku!)
Und da meine lieben Professoren der Unis und ETH‘s vermisse ich wirklich fundierte und „wissenschaftliche“ Arbeiten dazu, obwohl meiner Meinung nach dies schon seit mindestens 10-15 Jahren berechenbar ist.
Vor allem sollten Alternativen wie z.B. Biomethan nicht ignoriert werden: https://youtu.be/bQWypxCd7ec
Sachlich recherchiert. Wenn man davon ausgeht dass wir diese Form der Fortbewegung auf 15% aller Fahrzeuge bringen, sind das hochgerechnet 950000 Fahrzeuge. Deren Qualität, und dafür ist die Autoindustrie bekannt, weit unter Erwartung sein wird weil der Produktionsdruck viel zu hoch und die Technik dazu zu kompliziert für die heute agierenden Autohersteller ist, .. am Ende wie in den 30ern womöglich zum Ruin vieler Firmen führen kann …