Oha! Was ist das für ein Auto, schiesst es einem auf der Fahrt ins österreichische Seefeld durch den Kopf. Raum und Komfort passen, die Sitze sind bequem, nicht zu schmal, die Cockpitinstrumente und -schalter sowie die animierten Anzeigen machen einen hochwertigen Eindruck, die Munitionierung punkto Assistenzsysteme ist üppig, und als Fahrer findet man schnell und intuitiv, was man ein- und ausschalten möchte. Eine auf Zweckdienlichkeit reduzierte flotte Fahrmaschine, die trotz pragmatischen Ansatzes die Sinne keineswegs ignoriert. Wer da so positiv überraschend durch Nacht und Wind galoppiert, ist der Korando, Ssangyongs Kind. Und das in seiner vierten Generation. Die erste war ab 1983 noch ein Lizenznachbau des Jeep CJ-7. Ssangyong begann 1954 als Jeep-Bauer für die US Armee.
Für viele klingt Ssangyong nach günstig – was in diesem Fall je nach Konfiguration auch stimmt. Allein, in der Topausführung hat die Herrlichkeit aus Korea inzwischen absolut ihren Preis. 41 990 Franken muss man dafür mindestens bezahlen. Mit Automatikgetriebe, adaptivem Tempomat, Metalliclackierung, elektrischer Heckklappe und beigefarbenem Innenraum liegt man bei 46 740 Franken. Das Gebotene ist allerdings qualitativ und kompetitiv wirklich bemerkenswert. Das Gleiche in Deutsch ist zweifellos klar teurer.
Insgesamt gibt es fünf Ausstattungsversionen, preislich beginnend bei 27 990 Franken. Schon in der Grundversion gibt es ein reichliches Menü an Assistenzsystemen, bestehend etwa aus Notbremsassistent, Frontalkollisions-, Abstands- und Anfahrwarner, Überschlagschutz, Spurhalteassistent, Spurverlassenswarner, Verkehrszeichenerkennung, Anfahrassistent, Bergabfahrhilfe, Müdigkeitswarner, Fernlichtassistent, LED-Tagfahrlicht oder Rückleuchten mit LED-Seitenleuchten. Eine Smartphone- und MP3-Einbindung und DAB-Radio gehören ab der Variante Amber (34 000 Fr.) dazu. Mit jeder Ausführungsstufe gibt es noch etwas oben drauf. Ein prima ausgerüsteter Kompakt-SUV für unter 40 000 Franken ist so aber auf jeden Fall konfigurierbar, und das wiederum ist eine echte Kampfansage.
Vom Entlein zum Schwan
Mitte der Nuller-Jahre war der südkoreanische Korando einer der hässlichsten Geländewagen auf dem Planeten, ein Mix aus Jeep und Nasenaffe. Den Asiaten gefiel dieses Auto aus der «Rocky Horror Picture Show» – in Europa dagegen fiel es durch. Der neue Korando ist nun nicht nur in Sachen Handling und Equipement, sondern auch bezüglich seiner Optik eine echte Alternative in einer sehr populären Liga. Das Doppeldrachen-Kind (Ssangyong bedeutet Doppeldrache) präsentiert sich smart, hip, selbstbewusst und dynamisch-elegant. Halt so, dass er es durchaus mit einem VW Tiguan, Ford Kuga, Seat Ateca, Toyota RAV4 oder Opel Grandland X aufnehmen kann. Die Front ist klar gegliedert, das Heck wirkt breit. In der Seitenansicht fällt vorab der Schwung über den hinteren Radkästen und Türgriffen auf. Die Dachlinie fällt nach hinten nur dezent ab, was grossgewachsene Mitfahrer im Fond schätzen. Was die Verarbeitung angeht, stellt man sich spontan darauf ein, dass diese nicht gar so formidabel sein kann. Was sie einst auch nicht war. Jetzt freilich gibt es nichts mehr zu meckern. Passgenauigkeit und Qualitätsanmutung der Materialien sind in Ordnung. Alle Leuchten vorne und hinten sind als LED ausgelegt. Das Kofferraumvolumen von
551 Litern lässt sich bei umgeklappter Rückbank auf bis zu 1248 Liter steigern, die Heckklappe öffnet elektrisch. Den Kaufentscheid für den Korando muss man bei seinen Mitmenschen nicht (mehr) mit einer temporären, geistigen Umnachtung erklären. Im Gegenteil: Wer sich für einen Korando entscheidet, beweist eher Smartness und einen Hang zur Individualität. Oder wann ist Ihnen zuletzt in Korando begegnet?
Mit eigenem Triebwerk
Angetrieben wird der Testwagen von einem 1.6-Liter-Commonrail-Diesel mit 136 PS und 320 Nm Drehmoment. Neu ist ein 1.5-Liter-Turbo-Benzindirekteinspritzer mit 163 PS und 280 Nm aus eigener Entwicklung. Früher verbauten die Koreaner in ihren Automobilen ja Triebwerke aus dem Mercedes-Fundus. In den 90er-Jahren gab es eine temporäre Technologiepartnerschaft zwischen Daimler-Benz und Ssangyong. Unser Testwagen hat einen Euro-6d-Temp-genormten Diesel, der rund sieben Liter auf 100 Kilometer schluckt. Beide Vierzylinder sind, je nach Geschmack und Budget, mit Sechsgang-Schaltgetriebe oder Sechsstufen-Automatik sowie mit Front- oder Allradantrieb erhältlich. Die fix und diskret schaltende Automatik kostet mit adaptivem Tempomat 3000 Franken extra, ist aber auf jeden Fall zu empfehlen.
Eine elektrische Variante des Korando wird bald folgen, schliesslich gehören 74.65 Prozent des Konzerns zu Mahindra. Durch die Zusammenarbeit mit den Indern wollen die Südkoreaner Synergien nutzen und ihre Position auf dem internationalen Parkett sukzessive ausbauen. Mahindra hat eine hohe Kompetenz, wenn es um E-Antriebe geht. 2013 wurde Mahindra Racing als eines der Teams der ersten Stunde in der damals neu gegründeten Formel E vorgestellt.
Im Innenraum des Kompakt-SUV sorgt der auf 2.65 Meter verlängerte Radstand für wunderbare Platzverhältnisse – das gilt vor allem für die Kopffreiheit im Fond. Das Cockpit des Korando ist komplett digital. Ein 10.25 Zoll grosses, vielfach und kreativ konfigurierbares Display mit Instrumentenanzeige ist just hinter dem Lenkrad positioniert. Ein weiterer, 9.2 Zoll grosser LCD-Farbmonitor befindet sich auf der Mittelkonsole. Neben einer adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage sind auch ein automatischer Notbremsassistent mit Kamera und Radarsensoren sowie Spurverlassens-, Abstands- und Müdigkeitswarner, aber auch Anfahr-, Fernlicht-, Totwinkel- und Spurhalteassistenten an Bord. Wer will, kriegt als Extra-Goodie eine Sitzbelüftung oder eine Ambientebeleuchtung mit 34 wählbaren Farben.
Kein Kurvenräuber
Fahrdynamisch offerieren das ausgewogen abgestimmte Fahrwerk und die elektrisch unterstützte Servolenkung eine gutbürgerliche Küche. Nicht zu scharf, nicht zu fad. Die Automatik schaltet mild, ohne spürbare Kraftunterbrechung durch die Gänge. Kurven lassen sich präzise ansteuern und durchfahren, Nick- und Wankbewegungen halten sich in Grenzen. Übertreiben sollte man es indes nicht. Sonst gehts über die Vorderräder Richtung Botanik. Der Vierradantrieb, ein Pluspunkt in diesem Segment, optimiert die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse und hilft so, auch schwierige Bodenverhältnisse zu meistern. Mit den drei Fahrmodi Normal, Sport und Winter lassen sich Traktion und Schaltverhalten anpassen.
Mit den maximal fünf Sternen schneidet der Korando beim Euro-NCAP-Crashtest top ab. In den Kategorien Insassenschutz für Erwachsene und für Kinder erzielt er mit sieben Airbags 88 und 85 Prozent des Punktemaximums.
Ssangyong sagt: Der Korando ist ein Auto für Männer und Frauen ab 50 Jahren, die auf dem Land oder in Stadtnähe leben, die sich mehr als die Grundversorgung leisten können und für die ein Auto nicht zentral, aber doch nicht unwichtig ist. Ein Auto für Menschen, die Spass haben wollen, eine begrenzte Experimentier- und Risikobereitschaft aufbringen und die sich für Natur, Wandern, Reisen, Politik und Gesellschaft interessieren. Allein, der Korando eignet sich zweifellos auch für ein jüngeres Publikum.
Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.