Ein starker Panda für Stadt und Land

GROSSER KLEINER Der Panda ist für Fiat nahezu das, was der Golf für VW ist. Aus der 4x4-Kiste ist ein Stadtauto mit Lifestyle und einer Menge Selbstbewusstein geworden.

Kleinen Männern schreibt man allgemein ein besonders ausgeprägtes Ellbogenverhalten, Egoismus, Macht- und Profilierungswillen zu. Und wie sieht das bei kleinen Autos aus, genauer beim neuen Fiat Panda Cross? Nun, an einem Minderwertigkeitskomplex leidet der kleine Allradler mit dem gros­sen Namen auf gar keinen Fall. Allein die zwei feuerroten Abschleppösen zeugen eher von Balzverhalten denn von Understatement. Für jeden Rennwagen ist so ein Ding auf der Rennstrecke Pflicht. Die beiden Haken, die hier primär zum Anbringen einer Seilwinde dienen, scheinen zu sagen: «Hey Baby, ruf mich an, wenn du im Schlammassel steckst, ich hol dich raus!» Dann steht da ein Preis zu Buche, der bei 19 190 Franken beginnt. Locker knackt man mit Optionen die 20 000er-Marke. Bescheidenheit fühlt sich anders an.

Als der Panda 1980 auf den Markt kam, war er wie die Ente oder der Renault 4 Ausdruck einer nonkonformistischen und konsumkritischen Lebenshaltung. «Fiat Panda – die tolle Kiste» – mit diesem Werbeslogan unterstrich eine populäre Werbekampagne seinerzeit die Alltagstauglichkeit, Ökonomie und Ökologie des Piccolos. Just im Vergleich zum günstigeren Suzuki Jimny tut man sich heute freilich nicht leicht, sich für den Panda zu entscheiden.

Der Fiat Panda Cross 4×4 steht hoch auf den Rädern. Das bietet im Gelände und in der Stadt eine gute Übersicht. Die Geländetauglichkeit des Mini-SUV sind absolut respektabel. Im Innenraum ist der pragmatische Ansatz des Ur-Panda, wenn auch nicht mehr so ausgeprägt, noch erkennbar. LED-Tagfahrlicht sind beim Cross 4×4 Serie. Der Kofferraum bietet bis zu 870 Liter Raum.

Es lebe die Parklücke
Der Fiat Panda Cross ist die kräftig beplankte, stylishe Variante des 4×4. Der Azzuro thront 17 Zentimeter über dem Boden. Damit spendiert die Büchse ihrem Fahrer eine gute Übersicht. Von der Seite betrachtet, dominieren die Kotflügelverbreiterungen, Schutzleisten und der Dachträger den selbstüberzeugten und adretten Look.

Getrieben wird der Panda von einem 0.9 Liter kleinen Zweizylinder-Turbobenziner mit 85 PS. Das maximale Drehmoment von 145 Nm liegt ab 1900 Umdrehungen an. Im Eco-Modus reduziert sich der Sturm auf die Kurbelwelle auf maximal 100 Nm. Beschleunigungswahnsinn sieht anders aus. Von 0 auf 100 km/h vergingen im Test 15 Sekunden. Die Werksangabe der Italiener liegt bei 12 Sekunden, die marginale Differenz zeugt ebenfalls nicht unbedingt von einer nüchtern-unpathetischen Selbstdarstellung. Bei einer langen, abfallenden Geraden kann der kleine Italiener 167 km/h Spitze erreichen. Um dieses Tempo zu erreichen, würde – ohne Nachbrenner – nicht einmal 3300 Meter lange Landebahn 14/32 in Kloten ausreichen. Der Benziner ist mit dem permanenten Vierradantrieb Torque on Demand ausgerüstet, der auf zwei Differenzialen und elektronisch gesteuerter, stufenlos variabler Drehmomentverteilung baut. Mit dem Terrain-Control-Schalter lassen sich drei Einstellmöglichkeiten wählen. Im Auto-Modus wird die Antriebskraft je nach Fahrsituation automatisch auf die Achsen verteilt. Im Offroad-Modus ist der Allradantrieb permanent aktiviert, die Antriebskraft wird durch die elektronische Differenzialsperre gezielt auf die Räder mit der grössten Bodenhaftung übertragen. Der Hill-Descent-Control-Modus schliesslich sorgt dank automatischer Bremsvorgänge und einer Geschwindigkeitskontrolle dafür, dass Sie mit Auto auch die Streif in Kitzbühel hinunterfahren können. Der kurz übersetzte erste Gang des speziell entwickelten Sechsgang-Getriebes supponiert nahezu eine Untersetzung und ermöglicht das Fahren in Schrittgeschwindigkeit ohne schleifende Kupplung. Die ganze Pracht soll die Offroad-Qualitäten des Mini-SUV unterstreichen und etwa das Anfahren an Steigungen vereinfachen. Seinen Offroad-Charakter sieht man dem Panda Cross auch an. Dafür sorgt der grosse Unterfahrschutz in Mattsilber, der die Karosserie und Mechanik schützt, wenn es wieder einmal in John-Wayne-Manier wild durchs wilde Kurdistan geht.

Es ist fraglos so, dass die seit 1983 mit Allradantrieb erhältlichen Panda im Gelände einiges zu bieten haben. Böschungswinkel von 24 Grad vorne wie hinten und ein Rampenwinkel von 22 Grad sorgen dafür, dass abrupte Höhenunterschiede ­easy weggesteckt werden. Die Steigfähigkeit liegt bei rund 70 Prozent. Wasserdurchfahrten mit bis zu 40 Zentimetern Wattiefe sind für den Zweizylinder-Panda kein Problem, der Luftansaugtrakt liegt 71 Zentimeter über dem Boden. Als schlanke Bergziege mit einer Breite von nur 1.66 Metern macht der Panda also eine gute Figur.

Das gepresste Format ist nicht nur im Gelände praktisch, sondern es hilft auch, sich im Stadt­dschungel zu bewegen. Parklücken haben für Panda-Piloten nichts Einengendes, und Parkhäuser werden förmlich zu Hangars. Der kleine Wendekreis von knapp zehn Metern macht das Rangieren in engen Häuserschluchten zudem zum Kinderspiel. Da die hinteren, serienmässigen Parksensoren tendenziell immer noch erst vor einer Kollision warnen, wenn es schon zu krachen beginnt, ist ein wendiger Hals, um sich persönlich vom Abstand des nahenden Hindernisses zu überzeugen, von Vorteil. Apropos Stadt: Erst 2023 könnte eine rein elektrische Variante des Panda folgen. 

Eher für gemütlich
So wenig wie der Panda – trotz seiner zwei furchteinflössenden Abschlepphaken – ein Auto für die Rennstrecke ist, so wenig ist er ein Kurvenstar am Berg. Da fehlt es definitiv an Schub, Straffheit im Fahrwerk, Präzision punkto Lenkung und Spontaneität hinsichtlich Gasannahme. Schon eher fühlt man sich kraft der weichen Federung und des wankenden und sich verbeugenden hohen Aufbaus bei zügiger Passfahrt auf dem Traumschiff. Der gegen Aufpreis toscanagrüne Italiener schwankt ganz schön. Insofern sind irgendwelche Gedanken an die grosse italienische Sportwagentradition beim Bewegen des 4×4-Pandas nicht wirklich angebracht. Um ins Panda-Feeling einzutauchen, stellt man sich typsicherweise besser vor, auf einem rappschwarzen Murgesen entlang der etruskischen Küste dahinzutraben. Mehr lentamente als rapidamente.

Was den Innenraum betrifft gibts vorne genug Platz, hinten sollten freilich nur nicht allzu grosse Vertreter der Spezies Mensch Platz nehmen. Die hintere Sitzbank ist eher ein Revier für Kinder. Der Kofferraum seinerseits ist auch nicht wirklich dazu erschaffen worden, um einen kompletten Ikea-Grosseinkauf darin zu verstauen, liegt ja auf der Hand. 225 Liter bieten überschaubaren Platz und taugen prima für einen grösseren Wochenend­einkauf plus Golfsack. Maximal sind freilich 870 Liter abrufbar – nicht schlecht.

Klimaautomatik, elektrische Fensterheber vorne und das Traktionsregelsystem Gravity-Control gibt es in Serie, optional dagegen sind etwa City-Notbremsassistent, eine beheizbare Frontscheibe nebst Sitzheizung oder ein Konnektivitätspaket. Letzteres setzt ein eigenes Smartphone voraus. Im Fiat Panda Cross gibt es keinen Touchscreen, lediglich die Halterung für das Smartphone ist da. Optional kann man im Panda dagegen digital Radio hören. Freilich ist hören nicht gleich verstehen, der Hör- oder Klanggenuss hält sich je nach dem in Grenzen. Bei starker Beschleunigung und ab Tempo 100 und einem Innenraumgeräuschpegel von über 70 Dezibel ist nicht mehr so leicht verständlich, was im Radio gesungen und gesagt wird. Allein, es macht schon Spass, den kleinen, selbstbewussten Italiener zu bewegen – vor allem in der Stadt. 

Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

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