Eigentlich war es Anfang November, als Fiat Chrysler (FCA) und die Peugeot-Mutter PSA ihre Fusions-Absicht bekundeten, schon beschlossene Sache. Die wesentlichen Modalitäten waren geregelt (siehe Automobil Revue Nr. 45 vom 7. November).
Warten, bis die Synergien fruchten
Jetzt haben die beiden Parteien diese „Liebe“ durch die Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding soweit offiziell gemacht, wie das bis zu dem Moment möglich ist. Carlos Tavares soll fünf Jahre die operative Leitung übernehmen. Sechs PSA- und fünf FCA-Leute bilden den Verwaltungsrat. Die Aktionäre von PSA und FCA werden je 50 Prozent am neuen Unternehmen halten. FCA zahlt seinen Aktionären rund sechs Milliarden Franken als Sonderzahlung. Die Hauptaktionäre Exor (die Holding der Agnelli-Familie), die Familie Peugeot, Dongfeng und die französische Staatsbank BPI müssen ihre Anteile drei Jahre halten. So lange dauert es ungefähr, bis Synergien, die sich aus solchen Megafusionen ergeben, zu fruchten beginnen.
Einsparungen von 4 Milliarden Franken pro Jahr
Bis der viertgrösste Autokonzern der Welt hinter Volkswagen, Toyota und Renault-Nissan freilich Tatsache ist, bedarf es noch des Segens der Kartellbehörden. Bis zum Closing, dem Vollzug der Vereinigung also, kann es daher noch eine ganze Weile dauern. Mindestens ein Jahr dürfte noch ins Land ziehen. Schliesslich stehen da noch haufenweise komplexe Transaktionen an. Experten rechnen, dass dieser Merger rund 3,7 Milliarden Franken kosten wird. Später sollen Einsparungen von rund 4 Milliarden Franken pro Jahr möglich sein. Dies primär durch Verringerung der Komplexität von Elektroarchitekturen, Plattformen, Motorenfamilien und Einkaufskosten.
„Herausorderung als Chance“
Vereint wird der Konzern rund 8,7 Millionen Autos absetzen, 16 Marken vereinen, nahezu 200 Milliarden Franken umsetzen und rund 400’000 Menschen beschäftigen. Werkschliessungen sind keine angesagt. UBS-Analysten indes halten bei einem Zusammenschluss neun von 28 Werken in Europa für überflüssig.
Carlos Tavares, Vorsitzender des Vorstands der Group PSA, sagt: „Diese Fusion ist eine grosse Chance, eine stärkere Position in der Automobilindustrie einzunehmen. Und das in einer Zeit, da wir den Übergang in eine Welt der sauberen, sicheren und nachhaltigen Mobilität meistern wollen. Dafür wollen wir unseren Kunden erstklassige Produkte, Technologien und Dienstleistungen anbieten.“ Mike Manley, CEO von FCA, ergänzt: „Dies ist eine Vereinigung von zwei Unternehmen mit unglaublichen Marken und qualifizierten und engagierten Mitarbeitern. Beide haben sich den härtesten Zeiten gestellt und sich als agile, intelligente und starke Konkurrenten herausgestellt. Unsere Mitarbeiter teilen ein gemeinsames Merkmal – sie sehen Herausforderungen als Chancen, die es zu ergreifen gilt, und als den Weg, uns in unserem Handeln besser zu machen.“
Wird Emil Frey den Import von FCA übernehmen?
Was die Schweizer Zulieferer-Industrie betrifft, so hält etwa Dr. Marc Ehrensperger, Generalsekretär der EMS Chemie Holding, fest: „EMS entwickelt für alle bedeutenden Automobilhersteller Spezialkunstofflösungen und hilft ihnen, Gewicht und Kosten einzusparen. Ob die beiden Anbieter getrennt oder gemeinsam auftreten, ist dabei nicht so relevant. Neue Strukturen bei den Kunden bringen für EMS aber immer auch Chancen, weil dann viel hinterfragt und nach neuen Lösungen gesucht wird.“ Ob die Emil Frey Gruppe ihrerseits dereinst wie zuletzt bei PSA den Import von FCA für die Schweiz übernimmt, wird man sehen. FCA hätte angesichts seines CO2-gehaltigen Portfolios wohl nichts dagegen. Bis zur Klärung der Frage dürften indes noch ein paar Tausend andere Traktanden abzuarbeiten sein.