Es brennt nicht öfter und intensiver – nur anders

E-AUTOS Dass die Zahl an Elektroautos auf den Strassen massiv zunimmt, ist unbestritten. Wenn so ein E-Auto brennt, sind die Rettungskräfte heraus­gefordert. Es gibt noch viel zu lernen und entwickeln.

Da war jüngst dieser Tesla, der auf der Arlbergautobahn in Österreich in Flammen aufging. Die Einsatzkräfte wussten nicht wirklich, was zu tun war respektive was sie tun konnten, um nicht selbst in Gefahr zu geraten. Der Vorfall im Tirol sorgte einmal mehr für fette Schlagzeilen. Da werden teils theatralische Infernoszenarien konstruiert – E-Auto-Brände seien ein unkalkulierbares Risiko und Schlimmeres. «Stimmt nicht», sagt Kurt Bopp. Bopp war 37 Jahre Einsatzleiter bei der grössten Rettungsorganisation der Schweiz in Zürich und ist heute im Auftrag des Schweizerischen Feuerwehrverbandes (SFV) landesweit als Instruktor und Experte für alternativ angetriebene Fahrzeuge tätig. 

Ein E-Auto entzündet sich nicht einfach so. «Es bedarf dazu eines Ereignisses», sagt Bopp. Einen Unfall, Brand oder Defekt. Auf die Frage, wie gefährlich denn der Brand eines E-Autos sei, sagt der Experte: «Nicht gefährlicher als der Brand eines normalen Autos.» Wieso nicht? Weil in einem Elektroauto nicht mehr Energie gespeichert ist als im vollen Tank eines Verbrenners. Verbrenner brennen einfach anders als E-Autos. Wenn bei einem Verbrenner der Tank kaputt geht, erstickt man den Brand mit Löschschaum. Bei einem Elektroauto entsteht die thermische Energie nicht an der Oberfläche, sondern im Inneren des Akkus. Aus diesem Grund ergibt sich die viel zitierte Gefahr des Thermal Runaway, bei dem der Brand von einer Zelle auf die nächste überspringt. Das ist wie bei einem Feuer in einer Reihenhaussiedlung, wo die Flammen ohne Brandwände von einem Haus aufs andere übergreifen können. Zur Einordnung: Der 85-kWh-Akku des Tesla Model S zum Beispiel besteht aus 7104 Zellen.

Den Brand einer Batterie löscht man am besten mit Wasser, sagt Experte Bopp. Wasser sei das beste Kühlmittel, dass die Feuerwehren in grösserer Menge für einen Ersteinsatz mit sich führten. Viel Wasser. Gemäss dem «Tesla Emergency Response Guide» bedarf es etwa 11 000 Liter, um eine brennende Batterie zu löschen. In ein normales Tanklöschfahrzeug passen 2500 bis 3000 Liter. Man kann sich den feuerroten Konvoi vorstellen, wenn auf einmal auf einer Autobahn drei, vier brennende E-Autos in einen Unfall verwickelt sein sollten. Der Wassernachschub kann indes zeitnah sichergestellt werden, Nachschub für Speziallöschmittel dagegen nicht überall. Die Gefahr, dass beim Einsatz von Wasser elektrische Spannung auf die Feuerwehrleute überspringt, besteht nicht. Ansonsten wäre das beim Löschen von Gebäuden ja auch so. Bopp: «Wenn man die Rohrführer-Grundsätze sprich die Distanzen einhält, ist das kein Problem. Das Problem ist eher, dass man das, was bisher für spannungsführende Gebäudeinstallationen galt, nun auch auf Autos übertragen muss.» Der Wasserstrahl der Feuerwehr besteht aus einzelnen Tröpfchen, sodass der Strom bei Wahrung gewisser Sicherheitsabstände nicht zurückfliesst.

Hat die Feuerwehr ein brennendes E-Auto einmal gelöscht, stellt sich die Problematik des Abtransports. In der Schweiz werden idealerweise Quarantänecontainer eingesetzt. Dabei wird das E-Fahrzeug in einen geschlossenen Container verbracht, in dem das Fahrzeug sicher transportiert und verwahrt werden kann. Diese Methode ist vor allem auch die speditivste und sicherste, «um den   Ereignisort schnellstmöglich wieder freizugeben», sagt Bopp. Eine Variante ist der sogenannte Brandverzögerungs-Container der Autohilfe Zürich, der über eine hydraulische Plattform auf Rollen, eine Aerosol-Brandunterdrückungsanlage, eine Seilwinde, GPS- und Temperaturüberwachung sowie Ladegerät und Anschlüsse für Strom (24 Volt) und Wasser von aussen verfügt. Falls sich die Batterie eines Unfall-E-Autos selbst entzünden sollte, meldet sich die Firebox ab 100 Grad Innentemperatur, ab 400 Grad wird die Brandunterdrückungsanlage ausgelöst, der Sprinkler setzt ein und versprüht ein Aerosol, ein spezielles Löschmittel, das die chemische Kettenreaktion in der Brandquelle unterbricht. Die Verfügbarkeit solcher Geräte jederzeit zu gewährleisten, ist eine Herausforderung für Abschleppdienste.

Wassercontainer helfen, den Brandort ­möglichst schnell und sicher zu räumen.

Wie in der Formel E
Das E-Auto ist in dem Sinn erfunden, jetzt gilt es die Tücken in allen Lebenslagen zu ergründen und geeignete Vorschriften und Techniken für die Ereignisbewältigung zu entwickeln. Deshalb suchen Behörden und Hersteller vermehrt den Kontakt zu Rettungsorganisationen. «Das ist zu vergleichen wie damals bei den ersten Benzin- und Dieselfahrzeugen vor mehr als hundert Jahren. Wir stehen hier ganz am Anfang einer Entwicklung», sagt Bopp. Bereits 50 Milliliter Benzin brennen extrem heiss und lange, und in einem Tank stecken 50 bis 80 Liter davon – direkt unter der Rückbank. Würde man diese Technologie heute neu einführen, hätte man eine riesige Sicherheitsdiskussion. 

Formel-E-Autos haben einen speziellen Einfüllstutzen, den man öffnen und durch den man im Brandfall Wasser direkt auf die Batteriezellen bringen kann. «Ein ähnliches integriertes Löschsystem für den Brandfall wäre für die Feuerwehr bei allen E-Autos wünschenswert», so Bopp. Heute könne in der Regel nur indirekt via Zellgehäuse gekühlt werden. Ähnlich wie bei der Formel E, erklärt Bopp, der sich schon seit fast 20 Jahren mit Bränden bei alternativ angetriebenen Fahrzeugen befasst, habe es bei einem Fahrzeughersteller den sogenannten Fireman-Access gegeben. Dieser schmolz bei einem Ereignis nach einigen Minuten weg und gab den Zugang direkt zu den Batteriezellen frei. Dieses System darf wegen neuer Vorschriften so nicht mehr eingebaut werden. Ein mögliches System für die direkte Kühlung der Batteriezellen zu entwickeln, ist also eine Herausforderung für die Hersteller. Eine fehlerhafte Dichtung wie bei den zurückgerufenen, ersten Audi E-tron in den USA, die – ungewollt und unkontrollierbar – Feuchtigkeit ins Batteriesystem gelangen liess, kann ja nicht die Lösung sein.

Hochvoltsystem schaltet ab
Was den eingangs erwähnten Brand des Teslas in Österreich angeht, so wussten die Feuerwehrleute angeblich nicht, wo die Stromkabel verlaufen und hatten deshalb Angst vor einem Stromschlag. «Primär gilt es für die Feuerwehr immer festzustellen, was man vor sich hat», sagt Bopp. Verbrenner-, Gas-, Wasserstoff- oder Elektroauto: Mittels des Crash-Recovery-Systems (CRS) könne heute über die Zulassungsnummer festgestellt werden, was für ein Auto brenne und wo allenfalls besondere Gefahren lauerten. Feuerwehren, die keinen Zugang zum CRS haben, können über die Einsatzzentralen abfragen, ob das Auto über ein Hochvoltsystem (400–800 V) verfüge. 

In der Regel freilich ist es so, dass sich das-Hochvoltsystem eines E-Autos bei einem Unfall mit der Auslösung des Airbags sofort abschaltet. Crashtests des ADAC haben das mehrfach bestätigt. Die elektrische Abschaltung des Hochvoltsystems reagierte binnen Millisekunden und trennte über ein Relais die Verbindung zwischen Batteriepack und Hochvoltleitungen zum Elektroantrieb. Im BMW-Rettungshandbuch steht: «Der BMW i3 ist grundsätzlich ein eigensicheres Hochvolt-Fahrzeug. Das System schaltet sich bei einem Crash mit Airbagauslösung selbst ab. Gleichzeitig werden innerhalb weniger Sekunden die orangefarbenen Leitungen ausserhalb der Hochvoltbatterie automatisch entladen. Bopp sagt dazu: «Ein gewisses Restrisiko bleibt immer.» Lithium-Ionen-Akkus, deren Wohlfühltemperatur zwischen etwa minus 20 und plus 70 Grad beträgt (darunter oder darüber setzt das Batterimanagementsystem ein), können selbst im entladenen Zustand viel Energie freisetzen. Darum wünschen sich die Rettungskräfte eine Art roten Knopf, auf den man von aussen drücken kann und der garantiert, dass sämtliche Spannung aus Leitungen, Zellen und Speichern eliminiert wird.

Wassercontainer helfen, den Brandort ­möglichst schnell und sicher zu räumen.

Die Dekra, der Deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein also, kommt zu folgendem Ergebnis: «Wir haben umfangreiche Tests durchgeführt. Diese umfassten neben dem Brandverhalten die Temperaturentwicklung, die Rauchbildung, Löschmöglichkeiten und die für den Umweltschutz relevante Analyse des abfliessenden Löschwassers. Unser Resümee lautet: Elektro- und Hybridautos mit Lithium-Ionen-Antriebsbatterien sind im Brandfall mindestens genauso sicher wie Fahrzeuge mit thermischem Antrieb.» Eine Beschädigung der Batterien ist der kritische Moment bei einem Unfall mit einem E-Auto. Just aus diesem Grund betreiben die Hersteller viel Aufwand, die Batteriepacks vor Deformation zu schützen.

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