Der Kleinste ganz gross

GROSSE ERWARTUNGEN Acht Jahre sind seit der Lancierung des Range Rover Evoque vergangen. Der Bestseller ist Stilikone und Frauenliebling. Hält die zweite Generation mit?

Man hat schon gewisse Ansprüche an einen Range Rover. Aussen muss der starke Brite den Eindruck von Robustheit und somit auch Sicherheit vermitteln, im Innern soll der Komfort bis hin zum Luxus stimmen. Das gilt auch für den Evoque. Der kleinste Range Rover wird an seinen grossen Markenkollegen gemessen und – um es vorweg zu nehmen – er muss sich keinesfalls verstecken. Klemmt man sich hinters Lenkrad eines Evoque der zweiten Generation, stellt sich dieses Range-Rover-Feeling rasch ein. Logisch, dass der Kleinste mithält, das setzt man fast voraus. Denn die erste Generation des Kompakt-SUV Evoque war ein Knüller! Luxus und Design suchten in ihrer Sparte ihresgleichen. Aber wie lautet ein Leitsatz von Land Rover? Mit diesen Autos betreten Sie nebst anspruchsvollem Gelände auch Neuland.

Idee der Ingenieure war es einst, dass man den Range Rover jenen Menschen zugänglich machen wollte, die mit einem stattlichen Briten in der Garage liebäugelten, sich aber einen solchen nicht leisten konnten. Nach seinem Verkaufsstart im Herbst 2011 mauserte sich der Evoque zur Stilikone, er gehörte zu den ersten Modellen der Sparte SUV-Coupé. Für den wegweisenden Range Rover hat sich auch Victoria Beckham, Modedesignerin und einst Teil der erfolgreichen Girl-Group Spice Girls, begeistert. So sehr, dass sie für eine Sonderserie verantwortlich zeichnete. Der Evoque blieb auch mit den Jahren auf der Überholspur, verkaufte sich weltweit rund 800 000-mal und wurde international mit Preisen überschüttet. Darunter gab es 2012 auch die Auszeichnung für das Frauen-Auto des Jahres: Zwanzig Autojournalistinnen aus zwölf Ländern hoben unter anderem die Sicherheit sowie die Familien- und Umweltfreundlichkeit hervor. Bei einem solchen Beststeller darf man getrost auch darüber hinwegsehen, dass Land Rover mit einer Tradition brach und mit dem Evoque den ersten Range Rover auf den Markt brachte, der keinen Allradantrieb hatte.

Motoren mit Mild-Hybrid-Technologie
Mit der zweiten Generation, für welche die Messlatte der Geschichte wegen ohnehin sehr hoch lag, lenkte Jaguar Land Rover hingegen wieder ein. Nur der schwächste Dieselmotor mit 150 PS steht mit Vorderradantrieb und Sechsgang-Handschaltung zum Verkauf. Die anderen sind allesamt Allradler mit Neungang-Automatik: Zur Auswahl stehen noch sechs Motorvarianten, je drei Benziner mit 200, 250 und 300 PS sowie drei Dieselmodelle mit 150, 180 und 240 PS. Mit Ausnahme des handgeschalteten Modells wird bei der zweiten Evoque-Generation mit 48-Volt-Mild-Hybrid-Technologie gearbeitet. Die AR hatte die Gelegenheit, die ­Variante mit dem 180 PS starken Dieselmotor zu fahren.

Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht glauben mag, so ist der zweite Evoque runderneuert. Gefährlich, denkt man, wenn man um die Qualitäten des Vorgängers weiss. Von aussen betrachtet, gibt der zweite Evoque wenig Neues preis, obwohl die Karosserie mit jener des Erstlings nichts gemein hat. Sie ist komplett neu, die Plattform PTA (Premium Transverse Architecture) ist für die Verbindung mit elektrischen Antrieben gedacht. Jaguar Land Rover verspricht sich davon auch eine bessere Nutzung des Raums, die Stahlplattform kommt letztlich auch der Fahrdynamik und dem Komfort zugute.

Alles gut und recht, auch mit Blick in die Zukunft, trotzdem hielten sich die britischen Autobauer mit dem Design zurück, schliesslich verhalf es dem ersten Evoque zum Durchbruch: Äusserlich hat sich das Kompakt-SUV nach acht Jahren kaum verändert. Zum Heck hin senkt sich die Dachlinie stärker als beim Vorgänger, aber unscheinbar. Die Gürtellinie steigt gegen das Heck stark auf. Die Silhouette erinnert unverkennbar an ein Coupé. Neu sind die Türgriffe, die in der Karosserie versinken und ausfahren, wenn man einsteigt. Vorne fallen die sehr schmalen Scheinwerfer auf, LED-Licht gibt es hinten wie vorne am Evoque. In Länge (4.37 m), Breite (2 m) und Höhe (1.65 m) hat sich der Evoque kaum gewandelt, hingegen ist der Radstand dank der neuen Stahlplattform um 2.1 Zentimeter auf 2.68 Meter gewachsen, die hintere Achse ist neu und kompakter.

Grosszügiger und aufgeräumter
Die zwei Zentimeter mehr Radstand sind auch im Fond offensichtlich, Passagiere haben hinten nun mehr Platz als noch im Vorgänger. Im Cockpit stimmt das Raumangebot erneut, es ist geradezu grosszügig. Gewachsen ist auch das Volumen des Kofferraums, mit 16 Litern mehr kommt es auf mindestens 591 Liter, maximal lässt es sich bei umgeklappter Rückbank auf 1383 Liter vergrössern. Wir sind also im Innern des neuen Evoque gelandet, und hier ist die Veränderung offensichtlich. Das Cockpit wirkt sehr aufgeräumt, was vor allem den zwei 10.2 Zoll grossen Bildschirmen geschuldet ist. Auf dem oberen Touchscreen findet man Menüpunkte wie Navi oder für digitale Anbindungen wie Smartphone, wobei Land Rover wie die Konkurrenz nun auf Apple Carplay und Android Auto vertraut. Auf dem Touchscreen darunter wird beispielsweise die Klimaanlage bedient. Praktisch, damit man sich im digitalen Dschungel nicht verirrt: Wichtige Informationen erhält der Fahrzeuglenker über dem 12.3 Zoll grossen Instrumentendisplay direkt auf die Frontscheibe projiziert. Neben dem Lenkrad und dem Knauf für die Gangwahl ist sehr vieles digital, und das macht den mit hochwertigen Materialien verarbeitete Evoque innen sehr elegant.

So lässt es sich wirklich Range-Rover-like fahren – auch mit dem Kleinsten, der durchaus auch Potenzial zum Männerliebling hat. Allein die Beschleunigung des fast 1.9 Tonnen wiegenden SUVs von null auf hundert in 9.3 Sekunden inklusive Turboverzögerung ist erstaunlich – beim Benziner mit 300 PS sind es nur noch 6.6 Sekunden! Es gibt aber eigentlich keinen Grund, um mit dem Evoque auf die Pauke zu hauen: Auf 5.8 Liter pro 100 Kilometer beziffert Range Rover den Verbrauch, wir kamen beim AR-Test über Stadt und Land auf 7.6 Liter, den höchsten Wert gabs mit 8.6 Litern aus­serorts. Das Neungang-Automatikgetriebe ist effizient und reaktionsschnell. Der Allradler liegt sehr gut auf der Strasse. Die Einzelradaufhängung trägt dazu bei, genauso wie die dynamische Stabilitätskontrolle, ein System, das bei ungenügender Traktion eingreift oder die Räder bremst, wenn das A­uto zu über- oder untersteuern droht. Und wenn der Lenker trotz Unterstützung an die Grenzen kommt, dann kommt auf Wunsch die All-Terrain-Progress-Control zum Zug. 

Und wenn es trotzdem zum Knall kommt? Der ADAC, Europas grösster Verkehrsklub, beschreibt Verletzungsgefahr für die Insassen als fast ausnahmslos gering, beim Crash-Test gab es alle fünf Bewertungssterne! Für so viel Komfort und Sicherheit, wie sie der zweite Evoque bietet, werden sich die Frauen zweifellos wieder begeistern. 

Die technischen Daten und die AR-Testdaten zu diesem Modell finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Automobil Revue.

2 Kommentare

  1. Dieser sehr ausgewogene Bericht über den Range Rover Evoque lässt mein Herz höher schlagen. Nach dem Lesen entsteht der Eindruck den Evoque selbst erlebt zu haben. Gute Erinnerungen an meine Dienstfahrten mit einem Range Rover der ersten Generation werden wach. Das Gewicht von ca. 1.9 t überrascht; da ist wohl noch Abspeckungspotential vorhanden.

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