Nino Grauso (56) aus Bütschwil SG ist so ein Italiener. Die Passion und die Emotion sieht man ihm aber erst an, wenn er von seiner Familie oder von Piaggio Vespas spricht. Von alten, verrosteten, nicht mehrfahrbaren Zweirädern wohlgemerkt, deren aktuelle Varianten derzeit nicht nur einen Mode-Hype durchlaufen, inzwischen auch elektrisch, die aber auch fast nicht von den alten Vorbildern zu unterscheiden sind.
Die erste Gebrauchte kostete 150 Franken
«Ich habe vor 32 Jahren für 150 Franken meine erste gekauft, eine Vespa 50 Special, Baujahr 1956. Die hatte drei Gänge und lief maximal 68 km/h. Es gab sie damals nur in drei Farben», erzählt er und schraubt das Motorgehäuse einer 125er an der eigens dafür gebauten Halterung auf seiner Werkbank fest. «Ich habe einfach einmal angefangen, sie auseinanderzunehmen, kaputte Teile von Motor und Rahmen zu ersetzen und alles wieder zusammenzuschrauben.» Er nutzte sie, um den Führerschein zu machen. Nach der Verjüngungskur «lief sie dann 80 km/h», erzählt Grauso augenzwinkernd.
Leidenschaft auf Eis
Zwischendurch legte er seine Leidenschaft für die Vespa auf Eis – Familie, Kinder, «man weiss ja, wie das ist». Die Kinder sind schon länger aus dem Haus, und nun droht die Passion in Professionalität auszuarten. Noch schraubt Nino Grauso im Hobbymodus. Wie viele Vespas er in der Zwischenzeit restauriert hat, weiss er nicht so genau. Viele erweckt er im Kundenauftrag zu neuem Leben, «für mich selbst waren es etwas zwölf».
Die Garage im Untergeschoss seines Hauses ist inzwischen keine Garage mehr, sondern eine wohlsortierte Fachwerkstatt, in der alles fein säuberlich an seinem Platz liegt und in beschrifteten Regalkästen sortiert ist. In der Mitte steht auf einer roten Hebebühne eine zitronengelb lackierte, fertig restaurierte 125er mit Baujahr 1980. Wie neu. «Die habe ich in Rorschach gefunden und für 450 Franken gekauft. Sie war ursprünglich hellblau.» Farben, ja, Originalfarben sind wichtig: «Alles Max-Meyer-Farben. So etwas wie ein RAL-Standard für Roller. Max Meyer Lacke ist spezialisiert auf Vespa-Lacke.»
Dass einer so viele alte Vespas ausfindig macht, muss vom Zufall begünstigt sein. Hier ein Tip, dort ein Hinweis. Und die Ersatzteile? «Kein Problem, es gibt noch fast alles. Zweimal im Jahr fahre ich nach Italien, nach Novegro bei Mailand auf einen Vespa- und Lambretta-Oldtimermarkt, der im Februar und im November stattfindet. Und was ich dort nicht finde, oder was es nicht mehr gibt, lasse ich nachbauen.» Und dann gibt es ja noch Alteisen- und Schrotthändler.
Und woher kommt Grausos Wissen über Motor und Elektrik, das Lackieren, das Schrauben? «Ich bin eigentlich gelernter Heizungsmonteur. Alles habe ich mir selber beigebracht, oft nach dem Try-and-error-Prinzip. Zur Fahrzeugtechnik gibt es Handbücher und, natürlich, inzwischen auch das Internet.» Jeder Arbeits-, jeder Montageschritt wird penibel fotografiert und dokumentiert. «Vieles habe ich auf CD archiviert, und jetzt auch auf dem Handy.»
Nino Grauso ist längst nicht der einzige Vespa-Liebhaber der Schweiz: Vor zehn Jahren hat er den Vespa-Club Wil SG mitgegründet, der heute rund 60 Mitglieder hat. «Wir tauschen uns aus, machen regelmässig Ausfahrten und treffen uns jeden Sonntagmorgen.»
In seiner Garage lehnen Teile einer Lambretta an der Wand. Die Innocenti-Lambretta aus Mailand ist im Grunde die Konkurrenz zur Vespa, wurde fast ebenso populär und unter anderen auch von NSU Deutschland gebaut. Sie ist eines seiner nächsten Projekte. Mit Freude schiebt er dann ein quietschgelbes Ciao-Töffli in seine Garage, weil draussen ein Gewitter losbricht – «so eines wollte ich halt schon immer haben».
Vespa Primavera im Wohnzimmergang
Sein Augenstern ist aber eine Vespa Primavera der ersten Serie des Jahres 1968, 125 Kubikzentimeter, original in Max-Meyer-Eierschalenbeige (bianco spino), «die ich von einem alten Herrn in Wil gekauft habe» und die nicht in der Garage, sondern seit zehn Jahren im Gang zum Wohnzimmer steht, vorgeführt, wohlgemerkt. «Die würde ich nie verkaufen.»