Der Diesel bekommt Konkurrenz

Ford ist eine neue Marke in der europäischen Lastwagenszene. Unübersehbar stand ein blauer Sattelschlepper vor dem Haupteingang der Messe Transport-CH in Bern. Der F-Max will den westeuropäischen Markt erobern, gegen eine sehr starke Konkurrenz. Er wurde auf der letzten IAA zum International Truck of the Year 2019 gewählt. Vorerst gibt es ihn mit einem 500 PS starken 12.7-Liter-Ford-Ecotorque-Diesel (Euro 6d), der 2500 Nm abliefert. Als Eintrittsmärkte sind die Länder Südeuropas vorgesehen, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Skandinavien sollen folgen. Produziert wird er bei Ford Otosan im türkischen Eskisehir südöstlich von Istanbul.

Neues Gesicht auf dem Schweizer Markt: Der in der Türkei gebaute Ford T-Max (l.). Volvo Trucks setzt auf ­alternative Antriebe wie LNG (o. r.) oder Strom (u. r.).

Ein Beispiel Schweizer Wertarbeit schloss sich im Aussengelände an: eine Reihe von zwölf präzise ausgerichteten Kippern. Die Aufbauten stammen von Moser aus Steffisburg BE. Geschäftsleiter Adrian Moser nennt sie Serie 600+, was dem Umstand Rechnung tragen soll, dass der Kipperhersteller seit sechs Jahren genau 600 Exemplare des Typs Rockbox produziert hat. «Ein Meilenstein für uns», sagt Moser stolz. Sonderserien gibt es inzwischen also auch bei Aufbauten, nicht nur von Fahrzeugen: Nur die auf der Messe gezeigten Kipper tragen das Emblem «Serie 600+ built by moser».

Deutsche Lastwagen unter Strom
Mercedes-Benz zeigte am neuen Actros, dass ein schwerer Lastwagen – hier das Sondermodell Actros Edition 1 mit 530 PS – auch mit Kameras namens Mirrorcam anstatt Rückspiegeln sicher gefahren werden kann. Auch amerikanische Transportlösungen dürften bei uns funktionieren: Der Sprinter wurde vom Aufbauer Spier aus Höxter (D) zum Paketzustellfahrzeug umgebaut, indem die B-Säule einer Schiebetür und einem breiten, niederflurigen Zugang von der Beifahrerseite her weicht. «Eine Wohltat für den Fahrer, der 200-mal am Tag ein- und aussteigen muss», erklärt Dirk Beneditz, Marketingchef bei Mercedes-Benz Vans. Rund zehn solcher Fahrzeuge seien schon in der Schweiz unterwegs, unter anderem auch für Fedex. Zudem teilte er mit, dass der elektrische Van E-Vito künftig auch mit 400 statt nur 150 Kilometer Reichweite angeboten werden soll.

Zum Jubiläum: Moser aus Steffisburg BE feiert die 600. produzierte Rockbox mit einer Sonderserie (o.). Die futuristisch anmutende Konzeptstudie von MAN trägt
die Bezeichnung Cit-E (M.) und soll den Verteilerwagen der Zukunft zeigen. Der Sprinter von Mercedes-Benz nach dem Umbau von Aufbauer Spier (u.). 

Die mit dem Löwen im Logo – MAN – fuhren neben konventionellen Trucks die beiden Elektro-Lastwagen auf, die schon auf der IAA zu sehen waren, wobei der Typ Cit-E 4×2 (100 km Reichweite) bisher noch ein Concept-Car ist, das aber auf grosses Interesse stiess. Realitätsnäher ist der TGM 26.360 E 6×2-4, ein Dreiachser mit 264 kW (360 PS) Leistung und rund 150 Kilometern Reichweite. Neu und serienreif ist ein neunplätziger Shuttle auf der Basis des E-Van, der eTGE 3.140 mit 100-kW-E-Motor und 850 Kilogramm Nutzlast für den Personentransport. Auffällig ist sein hoher Boden, unter dem die Batterien Platz fand.

Der italienische Hersteller Iveco hat seinen schweren Lastwagen, den Stralis, komplett neu aufgebaut und modernisiert. Der Nachfolger heisst neu S-Way und stand, neben dem neuen leichten Daily, im Mittelpunkt der Iveco-Exponate.

Ein ungewohntes Bild: Scania rüstet Hybrid-Lastwagen mit einem Stromabnehmer aus (o.), über den auf Langstreckenfahrten Energie von Oberleitungen bezogen werden kann. Der Iveco S-Way (u.) ist der neue Grosse der Italiener und löst nach 17 Jahren den Stralis ab.

«Der Diesel wird unterschätzt»
Scania verzichtete in Bern nicht auf seinen traditionellen V8, auf dem der legendäre Ruf der schwedischen Marke gründet und der seinen 50. Geburtstag feiert. Es gibt natürlich ein Sondermodell dazu. «Mit einem V8 in der Flotte findet hierzulande ein Unternehmer die besten Fahrer», sagte Jürg Hörzer, Verkaufsleiter West und Key-Account-Manager bei Scania, «und er läuft auch mit hundertprozentigem Biodiesel.» Scania fährt aber auch mit LNG mit Reichweiten von bis zu 1300 Kilometern (20 solcher Fahrzeuge sind in der Schweiz bereits im Einsatz), wobei der Betrieb mit CNG möglich wäre. Das Problem ist das fehlende Tankstellennetz. Star war der E-Highway, einer der sechs Hybrid-Sattelschlepper, die in Deutschland unter dem Namen Projekt Elisa auf drei fünf Kilometer langen Autobahnstrecken mit Stromabnehmern Energie von einer Oberleitungen zapfen. Verlässt das Fahrzeug die Autobahn, übernimmt ein Sechszylinder-Diesel den Vortrieb. «Versuche mit Brennstoffzellenfahrzeugen laufen auch bei uns», fügt Hörzer hinzu.

Wer schon einmal einen Volvo-Sattelschlepper mit Elektroantrieb gefahren hat, dürfte das nie vergessen. Die 680-Strom-PS des Designwerk-Demofahrzeugs setzt die doppelbereifte Antriebsachse brachial unmittelbar in den Asphalt. Ein solches Auto (und viele andere E-Fahrzeuge) konnte man auf dem Parcours der Messe ausprobieren. Die schwedische Firma Volvo Trucks setzt zwar auch auf E-Antriebe, vor allem im Verteiler- und Kommunalbereich (der Typ FE wird ab 2020 auch in die Schweiz geliefert), oder aber auf LNG-Varianten, die mit Bio-LNG völlig CO2-frei sind, jedoch betont Remo Motta von Volvo Trucks: «Der Diesel, und das unterschätzen viele, hat neben seiner Umweltfreundlichkeit noch immer einen erheblichen wirtschaftlichen Aspekt: sein Sparpotential.» Im Feldversuch mit Fuel-Efficency-Sattelschleppern (460 und 500 PS, Turbo-Compound-Motoren und vorausschauende Software I-Save) im Fernverkehr durch Schweizer Grosskunden seien zwischen zehn und 20 Prozent Treibstoffeinsparungen erzielt worden. «Das sind maximal bis zu 13 Prozent mehr als wir versprochen haben.»

Der legendäre V8 von Scania feiert dieses Jahre seinen 50. Geburtstag. Renault zeigte an der Transport-CH mit dem Berliet 1 CB (m.) und dem Type VDANG (u.). Letzterer war mit einem Holzvergaser ausgerüstet.

Von gestern bis morgen
Den Grundstein für Renault Trucks legte 1894 ein Hersteller namens Berliet in Lyon (F). «Deshalb spannen wir auf der Ausstellung den Bogen von damaliger Technik bis heute», sagte Tarcis Berberat, Vizepräsident und Regionaldirektor von Re­nault Trucks. Neben dem Jubiläumstruck T High Edition 1894 zeigte der französische Hersteller Oldtimer von Berliet, so den Reisecar Berliet Type 1 CB Torpedo (1921) und den holzgasbetriebenen Berliet VDANG E326 mit Baujahr 1938 als Blickfang, beide zur Verfügung gestellt von der Fondation Berliet. Heute aktuell ist der rein elektrische Master ZE mit Kühlkoffer. Berberat verriet: «Wir haben soeben 20 rein elektrische Dreiachser des Typs RT D Wide ZE in der Schweiz verkauft.» Es bewegt sich etwas in der Branche! 


Beste Perspektiven für die Transport-CH

Dominique Kolly, OK-Präsident und Gründer der Schweizer Nutzfahrzeugsalons (Bild), zeigte sich stolz und zufrieden über den Verlauf der Jubiläumsausgabe der Transport-CH, die ihren Ursprung als Transport 2001 im Forum Fribourg hatte und nach der Einstellung des Genfer Nutzfahrzeugsalons eine Hausmesse des Garagisten aus Le Mouret FR sein wollte. Seit 2011 gastierte die Transportmesse nun zum fünften Mal in Bern. Mit inzwischen 270 Ausstellern und sehr vielen Innovationen ist sie zu einer nationalen Leitmesse herangewachsen. Zur Eröffnung kamen 400 geladene Gäste und Medienvertreter. Das unterstreiche die Bedeutung der Messe für die Transportbranche und zeige, «dass wir ein gutes Niveau erreicht haben», so Dominique Kolly. Nach Messeende schätzte er die Besucherzahl vorsichtig auf «über 30 000». «Wichtig ist vor allem, dass die richtigen Personen kommen, denen die Branche am Herzen liegt», betonte er. Und sie kamen alle: Vertreter sämtlicher Berufsverbände, Logistiker, Chauffeure, Fans, Transportunternehmer und Spediteure, aber auch der Direktor des Bundesamtes für Strassen (Astra), Jürg Röthlisberger. Nur Simonetta Sommaruga, Chefin des Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Technik (Uvek), «die wir gleich nach ihrer Wahl eingeladen hatten», kam nicht. «Das tut uns weh», bedauerte Kolly. 

Ziel der Ausstellung ist es, das Image des Strassentransportes zu verbessern. «Und es wird immer besser. Vor allem aber hilft sie, dem Publikum zu zeigen, in welche Richtung die Entwicklung geht. Es sucht hier die passende Lösung für seine Bedürfnisse, denn die Transportbranche erlebt eine spannende Zeit des Umbruchs», erklärt Kolly. Das betrifft nicht nur den Markt der schweren Lastwagen – sondern auch die kleinen, leichten Nutzfahrzeuge. Kolly blickt zuversichtlich in die Zukunft: «Es gibt heute nicht mehr viele Messen, die wachsen. Diese Sorge haben wir nicht, wir sind langsam zu klein.» Erweiterungsmöglichkeiten böten sich mit der Halle 4 mit mehreren Tausend Quadratmetern Fläche, aber auch mit Zelten.

«Ich bin stolz darauf, was wir mit dieser Messe erreicht haben, weil ich auch spüre, dass alle gerne mitmachen. Das Image der Transportbranche wird immer besser, aber es bleibt noch viel zu tun», zog Dominique Kolly eine positive Bilanz.

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