Zwischen Stadt und Land

MAMMA MIA! Der Fiat 500 wird als X zum SUV. In der Variante Urban soll er wiederum besonders fit für die Stadt sein. Macht das überhaupt Sinn?

Wer kann diesen Rundungen und den Kulleraugen wiederstehen?  Der Fiat 500 ist eine südländische Legende. Seine Geschichte reicht bis ins Jahr 1936 zurück. Als Topolino erblickte der erste 500er das Licht der Welt. Zum wirklichen Schätzchen der Nation wurde dann der Nuova 500. Die zweite Generation eroberte nach dem Krieg die Herzen und mobilisierte ganz Italien. Knapp vier Millionen Fahrzeuge wurden während des Wirtschaftsaufschwung gebaut. Bis heute ist der Cinquecento der Inbegriff eines praktikablen Stadtautos mit italienischem Flair. Wobei der Name Cinquecento an und für sich nur die dritte Modellgeneration bezeichnet, die interessanterweise die einzige Ausführung der Reihe ohne die charakteristischen Rundlichter war. Aktuell heisst das Modell schlicht 500, dafür gibt es zusätzliche, grössere Versionen. Gemein haben sie allesamt eines: In Italien sind sie äusserst erfolgreich, im Rest der Welt nur bedingt.

Auch heute erinnert noch vieles am Fiat 500 an den Ursprung. Aber natürlich ist die Zeit nicht stehengeblieben. Der Cinquecento ist gross geworden. Bereits der kleine Fiat 500 hat mit den ursprünglich minimen Abmessungen nicht mehr viel gemein. Und dann ist da seit 2014 noch die typisch neumodische Crossover-Variante. Der X ist die Antwort darauf, dass auch die italienische Bevölkerung vermehrt SUV-begeistert ist. Mit rund 50 000 verkauften Exemplaren war der Fiat 500X vergangenes Jahr in Italien hinter dem Fiat Panda und Re­nault Clio das dritterfolgreichste Modell. Auf Platz 5 folgte der Jeep Renegade.

Wieso der Jeep hier aufgeführt wird? Weil der X zwar den grossen Bruder des 500 mimt, in Wahrheit aber vielmehr der Zwillingsbruder des Renegade ist. Die beiden FCA-Geschwister stehen auf derselben Plattform und weisen den gleichen Radstand von 2.57 Metern auf. Trotzdem zitieren beide Fahrzeuge die jeweilige Markengeschichte, haben also eine unterschiedliche Prägung. Das macht sich vor allem in Innenraum bemerkbar: Mit 350 Litern bieten die Brüder gleich viel Platz, bei umgeklappter Rückbank fasst der Jeep jedoch beinahe 300 Liter mehr (1297 l) als der 500X (1000 l). Das liegt daran, dass im Renegade die Dachkante später und rechtwinkliger abfällt.

Zumindest in Anbetracht des Kofferraums ist der 500X also kein Raumwunder. Solange jedoch maximal vier durchschnittlich grosse Erwachsene mitfahren, ist das Platzangebot für Kopf sowie Beine auch auf den Rücksitzen ordentlich. Zum Preis von 32 490 Franken des Testwagens gibt es komfortmässig ohnehin nur wenig zu bemängeln. Sicherheitsfeatures wie ein Spurhalteassistent, Parksensoren vorne und hinten sowie eine Verkehrszeichenerkennung sind in der getesteten Ausstattungslinie Lounge serienmässig, allerdings agiert die Signalerkennung ziemlich willkürlich. Eine Rückfahrkamera kann für 300 Franken dazugeordert werden.

Die Oberflächen des sieben Zoll grossen Touchdisplays sind etwas klein, dafür herrscht eine angenehme Bedienarchitektur. Die Materialqualität ist – überall dort, wo man oft hinfasst – angenehm. Eine Lederausstattung kostet 1500 Franken Aufpreis. Das durchgehende Armaturenbrett zieht Fingerabdrücke magisch an, hinterlässt jedoch dank des Aufgreifens der Wagenfarbe einen stimmigen Eindruck.

Ein grosses Lob verdient sich das Lenkrad. Es beherbergt viele Funktionen, wirkt dabei aber keineswegs überladen. Insgesamt ist der ­Fiat 500X äusserst funktional, mehr aber eben auch nicht.

Schwachpunkt: Getriebe
Ein ähnliches Bild zeichnet die Fahrcharakteristik. Wer den 500X vorwiegend in der Stadt bewegt, der wird auch mit der gefühl- und rückmeldungslosen Lenkung keinerlei Probleme haben. Immerhin ist sie für den Stadteinsatz angenehm leichtgängig und gut übersetzt. Durch diese Mischung besteht jedoch die Tendenz zur Nervosität, weil des öfteren Lenkkorrekturen vorgenommen werden müssen. Das bringt Unruhe ins Fahrwerk. Nicht förderlich ist dabei der Umstand, dass die Sechsgang-Automatik trotz des eigentlich ansehnlichen Drehmoments von 270 Nm mit grösseren Entscheidungsproblemen kämpft; vor allem zwischen den Gängen 2 und 3 wechselt sie unentschlossen hin und her. Zudem bleibt in der Stadt oftmals das Gefühl, einen Gang zu tief unterwegs zu sein. Weil das Doppelkupplungsgetriebe überdies nicht zu den sanftesten und präzisesten seiner Art gehört (es kommt beim Anfahren immer wieder zu einer Art Verschlucken, das von einem ruckartigen Springen gefolgt ist), wird der Fahrkomfort in der Stadt doch merklich vermindert. Zu guter Letzt sind kleinere Unausgereiftheiten ständige Begleiter. Ist an einem Hügel die serien­mässige Start-Stopp-Automatik aktiv, rollt der 500X zunächst nach hinten, bis der Motor Vortrieb entwickelt. Läuft das Aggregat weiter, funktioniert indes alles einwandfrei.

Wie der kleine Cinquecento wartet auch der 500X mit einem kecken Design auf und wirkt im Vergleich etwas kantiger. Etwas klein, dafür durchaus intuitiv erscheinen die Bedienfelder des Infotainmentsystems. Knöpfe und Drehregler fügen sich nahtlos in die überzeugende Innenraumarchitektur ein. Der Kofferraum (350–1000 l) gehört nicht zu den grössten seiner Art.

Pluspunkt: Motor
Der Motor andererseits agiert äusserst souverän. Erst einmal in Fahrt, schieben die 150 PS aus dem 1.3-Liter-Firefly-Aggregat ordentlich und linear an. Was den Verbrauch angeht, so stehen nach Abschluss des Tests 7.1 Liter pro 100 Kilometer auf der Uhr. Auch wenn durchaus noch einige Deziliter eingespart werden könnten, ist der Italiener keineswegs spritsparend unterwegs.

Seis drum. Der Fiat 500X lebt von seinem Charme. Einige Ecken und Kanten gehören dazu. Doch während der Cinquecento ursprünglich das perfekte Gefährt für Italiens Grossstädte war, verliert sich der 500X irgendwo zwischen Stadt und Land. Mit den nun doch schon stattlichen Abmessungen kommt man nicht mehr unbeschwert durch die Gassen Turins. Und aufgrund des fehlenden Allradantriebs (nur beim Fiat 500X Cross Look erhältlich) gilt dasselbe auch für die piemontesischen Alpen. In Italien nimmt man kleinere Makel im Austausch für eine gehörige Portion Nationalstolz hin, zumal sich der 500X im Alltag trotz allem wacker schlägt. Für die Schweiz wiederum versprüht der Italiener etwas zu wenig Dolce Vita. Für den Stau auf der Autobahn bietet er zu wenig Komfort, für den Überlandbetrieb zu wenig Platz sowie Traktion und für die Stadt zu wenig Exklusivität. Mamma mia, wie unterschiedlich die Temperamente im Norden und Süden doch sind. l


FAZIT – Cedric Heer, Tester

Man verstehe mich nicht falsch! Im Grunde sind wir alle grosse Fans der 500er-Baureihe. Der Charme des italienischen Kleinwagens zieht uns seit jeher mit alle seinen Facetten in seinen Bann. Die folgende Frage geht denn auch nicht unbedingt an die Adresse von Fiat, sondern an den Markt allgemein, schliesslich gehen solche Crossover-SUVs weg wie warme Weggli. Und doch: Welchen Sinn macht ein gross­gemachter Kleinwagen, der dann wiederum verstädtert wird? Unserer Meinung nach wirkt auch der hochbeinige Cinquecento etwas erzwungen. Objektiv betrachtet jedoch reden wir über ein durchaus souveränes Auto, obschon der Fiat 500X nicht herausragend viel Platz bietet und der Allradantrieb nur in Verbindung mit dem Dieselmotor erhältlich ist. Auf dem Schweizer Markt sind das nicht per se Killerkriterien. Gewichtiger scheint da in Anbetracht der grossen Konkurrenz die Tatsache, dass der Fiat 500X trotz üppiger Serienausstattung, einer vernünftigen Auspreispolitik und des Designs zu wenig Raffinesse bietet.

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