Nachdem kantonale Gerichte eine Automobilistin aufgrund von Bildern aus einer Dashcam verurteilt hatten, hob das Bundesgericht diesen Entscheid auf. Die Vergehen waren nicht derart gravierend, dass die Fotos der Dashcam als Beweismittel hätten zugelassen werden dürfen.
Das Bezirksgericht Bülach ZH erklärte die Automobilistin X der mehrfachen, teilweise groben Verletzung von Verkehrsregeln schuldig und bestrafte sie mit einer bedingten Geldstrafe von 110 Tagessätzen zu 150 Franken sowie zu einer Busse von 4000 Franken (vgl. AR 42/2019). Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte den Entscheid, worauf X das Urteil ans Bundesgericht weiterzog. Dieses hob den Entscheid der Vorinstanz auf. Es stellte fest, dass die Verkehrsregelverletzungen nicht der-art gravierend waren, dass unzulässige Beweismittel wie Bilder einer Dashcam hätten verwertet werden dürfen. Das Bundesgericht führt nicht weiter aus, welche Verkehrsregeln genau verletzt wurden. Dass die Automobilistin solche verletzte, scheint sie nicht bestritten zu haben. Indes behauptete sie, die Beweise, auf denen die Verurteilung beruhte, stammten aus Bildern einer Dashcam. Die Auf-nahmen war unzulässig, und deshalb durften die Bilder nicht verwertet werden.
In seinen Erwägungen erinnerte das Bundesgericht daran, dass die Aufnahme des Autokennzeichens es ermögliche, den Halter des Wagens zu identifizieren, das stelle ein Bearbeiten von Personendaten dar. Ein Auto im öffentlichen Raum ohne Wissen des gefilmten Autofahrers abzubilden, stelle eine Persönlichkeitsverletzung im Sinne von Art. 12 des Datenschutzgesetzes (DSG) dar. Dieser Eingriff sei nach Art. 13 DSG nur dann zulässig, wenn er durch ein überwiegend privates oder öffentliches Interesse gerechtfertigt sei. Im vorliegenden Fall hat dieses Interesse nach Auffassung der Bundes-richter nicht bestanden. Die Videoaufnahmen waren somit unzulässig.
Unzulässige Beweise
Die Strafprozessordnung sagt nichts zur Zulässigkeit von illegalen Beweisen, die von Privatpersonen erbracht wurden. Um diese Frage zu entscheiden, stellt sich das Bundesgericht auf den Standpunkt, dass Beweise dann zulässig sind, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Erstens hätten die Strafverfolgungsbehörden die rechtswidrig erlangten Beweise rechtmässig erlangen können. Zweitens müsse die Verkehrsregelverletzung so schwer sein, dass ein Interesse an ihrer Aufklärung gemäss Art. 141 Abs. 2 der Strafprozessordnung besteht.
Das Bundesgericht sagt nicht, ab wann eine Straftat als genügend gravierend anzusehen ist, damit sie geahndet wird – egal wie die Beweise zu-stande gekommen sind. Sicher handelt es sich grundsätzlich dann um eine schwere Straftat, wenn bei einem Verkehrsunfall Opfer oder Verletzte zu beklagen sind. Wenn es sich aber um schwere Verkehrsregelverletzungen ohne nachteilige Folgen handelt, liegt die Antwort nicht mehr auf der Hand.
In dieser Frage erweist sich nun das Bundesgericht als vernünftig. Es lehnt es ab, Beweise für schwere, aber folgenlose Verkehrsregelverletzungen zu verwerten, die rechtswidrig erlangt wurden. Deshalb hat das Bundesgericht das rechtswidrig aufgenommene Video im vorliegenden Fall nicht zugelassen, obwohl die von der Automobilistin X begangenen Verkehrsregelverletzungen keine Bagatellen waren. Es hob das Urteil der Vorinstanz auf.
Zulässigkeit von Dashcam-Fotos
Anders als man nach Durchsicht des Bundesgerichtentscheids vermuten könnte, ist die Benützung einer Dashcam nicht zwingend verboten. Moder-ne Dashcams erlauben den Einsatz von Technologien, die mit den Daten sorgsam umgehen. Das gilt beispielsweise für Systeme, die nur bei heftigem Abbremsen oder bei einem Aufprall aktiviert wer-den. In einem derartigen Fall wird nur die möglicherweise gefährliche Situation aufgezeichnet. So könnte das private Interesse eines Autofahrers überwiegen, was die Verarbeitung vertraulicher Daten rechtmässig macht.
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Keine Rächer der Strasse
Mit seinem Entscheid stellt sich das Bundesgericht klar dagegen, dass Privatpersonen zu sogenannten Rächern der Strasse werden, die mit ihrer Dashcam die Verletzung von Verkehrsregeln laufend filmen und Anzeige erstatten. Denunziantentum schätzen die Bundesrichter gar nicht, und das vermutlich zu Recht. Die Überwachung des öffentlichen Raums gehört al-lein in die Kompetenz des Staates und der Behörden. Dieses Urteil befasst sich jedoch nicht mit der Frage der Verwendung eines illegalen Videos zur Verteidigung eines Angeklagten. Es ist zu erwarten, dass rechtswidrige Beweise viel breiter akzeptiert werden, wenn es der Angeklagte ist, der sie zur Feststellung seiner Unschuld verwendet. Es ist in der Tat undenk-bar, eine unschuldige Person zu verurteilen, indem man Beweise für ihre Unschuld aus rein formalen Gründen ablehnt. FR
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