Das Finanzschwert hat zugeschlagen. Bei der Generalversammlung von vergangenem Mai wurde vom Audi-Generaldirektor Bram Schot bestätigt: Von TT und R8 wird es keine Nachfolger geben, zumindest nicht mit einem Verbrennungsmotor. Es ist Sparen angesagt, der Übergang zur E-Mobilität muss vorbereitet und den Aktionären müssen möglichst hohe Dividenden ausgeschüttet werden. Aus Sicht der Führungskräfte aus Ingolstadt (D) sind die beiden Sportwagen überflüssig und daher verzichtbar. Aus buchhalterischer Sicht ist das zweifellos wahr, denn die Fahrzeuge haben nur einen geringen Ertrag erzielt. Aus emotionaler Sicht ist es falsch, denn TT und R8 sind sicherlich die Audi, die am meisten Spass bereiten. Bei Weitem! Schwacher Trost: Sowohl TT als auch R8 wurden kürzlich überarbeitet, was ihnen noch zwei bis drei weitere Lebensjahre verschafft.
Leicht überarbeiteter Stil
Nach dem TT RS (siehe AR 37/2019) ist es nun an der Zeit, den anderen Rotzbengel der Audi-Familie unter die Lupe zu nehmen. Der R8, von dem die zweite Generation 2015 auf den Markt kam, wurde Anfang 2019 in Ingolstadt nochmals überarbeitet. Der vordere Kühlergrill ist breiter und flacher gezeichnet. Darüber befinden sich vor der Motorhaubenöffnung vier (falsche) Lufteinlässe, die an den Audi Sport Quattro erinnern. Hinten zieht sich das Gitter über die gesamte Fahrzeugbreite, und die Endrohre haben die Grösse von Schiffskanonen angenommen. Äusserlich braucht es nicht viel mehr für die Auffrischung, auch wenn der Stil dieser zweiten Generation im Vergleich zum ersten R8 von 2006 insgesamt etwas weniger Anklang findet.
Einfluss des TT im Innenraum
Der Innenraum verändert sich im Vergleich zur Vorversion ebenfalls geringfügig. Er erinnert stark an denjenigen des TT, was nicht schlecht ist, ganz im Gegenteil: Das Cockpit des kleinen deutschen Coupés fasziniert uns mit essentiellem Stil und makelloser Qualität. Die Bordinstrumente und das Infotainment sind im gleichen Display untergebracht – die Ergonomie entspricht ebenfalls derjenigen des TT. Die Augen des Fahrerers schätzten das schlichte Design des Cockpits, frei von jeglichem freistehenden Bildschirm, sehr. Die Qualität der Materialien und der Montage gehört in die Spitzenklasse, die Produkte aus Maranello kommen nicht an sie heran. Ferrari könnte Audi hingegen noch eine Lektion erteilen, was die Fahrposition betrifft, denn die ist im R8 ein wenig zu hoch. Die Idee war, Einfachheit in den Alltag zu bringen und sich so vom Halbbruder, dem Lamborghini Huracán, abzugrenzen. Sogar die Rundumsicht ist im Vergleich zu den Standards des Segments gut. Tatsächlich fährt sich der R8 auch wegen der sanften und adaptiven Übersetzung wie ein anständiger Kompaktwagen. Sehr gut, aber wir interessieren uns nicht für die brave Seite des Super-Audi, sondern für die teuflische. Startet man den Motor, erhält man bereits einen Vorgeschmack auf das höllische Temperament des Deutschen. Der rote Knopf auf dem Lenkrad ist gedrückt, der Anlasser beschwert sich ausgiebig, ganz typisch für Rennantriebe. Die zehn Zylinder erheben gemeinsam ihre Stimme zu einem wütenden Knurren; auch nach mehreren Tagen mit dem R8 erwartete man stets ungeduldig den Moment, in dem man den Motor anlassen konnte.
Neue Leistungsgipfel
Der 5.2-Liter kommt jetzt in der Basisversion mit 570 PS daher, also 30 PS mehr als in der Version von 2015. Die Performance-Variante, die wir testeten, die Crème de la crème des R8, kommt im Vergleich zum früheren Modell R8 Plus nur auf 10 PS mehr. Doch mit den insgesamt 620 PS und den 580 Nm ist der Supersportwagen aus Ingolstadt der ganzen Sportpalette von McLaren (540C bis 600LT) weit voraus. Beeindruckend, doch diese Angaben widerspiegeln den wahren Charakter des V10-FSI bei Weitem noch nicht. Aufgrund der trägen Mechanik ist er nicht so reaktiv wie der neue Sechszylinder-Boxermotor des Porsche Cayman GT4. Die Beschleunigung ist bis 4500 U/min linear, aber solide. Aber das ist nur der Anfang, ab dieser Drehzahl lässt der R8 seine Höllenhunde von der Leine. Der Antrieb wird von einem unkontrollierbaren Wutanfall erfasst, seine raue Stimme bricht in einen wilden Orkan aus. Der R8 prescht brutal und wahnsinnig nach vorne und hinterlässt den Eindruck, der Motor springe gleich aus seiner Verankerung in den Innenraum. Einmal blinzeln, und die 8500 U/min sind erreicht. Zu schnell für das Gehirn, dem die Zeit für den Befehl, die Schaltwippe hinter dem Lenkrad zu betätigen, fehlt. Die Elektronik schaltet mit einer überwältigenden Schnelligkeit in den nächsthöheren Gang: Selten, um nicht zu sagen nie, erschien uns ein Schaltvorgang derart schnell. Die Stoppuhr bestätigt diesen Eindruck: von 0 auf 100 km/h innerhalb von 3.5 Sekunden – der R8 ist das schnellste Fahrzeug, das wir 2019 getestet haben.
Leiste es sich, wer kann
Der Allradantrieb hilft sicherlich beim Sprint, und er bringt zusätzliche Sicherheit in den Kurven. Der Deutsche gewinnt sofort das Vertrauen des Fahrers, die Geschwindigkeiten in den Kurven werden schnell unvernünftig, ohne aber dass der R8 in Verlegenheit geraten würde. Das Drehmoment wird bei der Beschleunigung intelligent verteilt, das elektronisch gesteuerte Differenzial mit Drehmomentverteilung hilft dabei, den Kurs zu halten, indem genau das benötigte Rad beschleunigt wird.
Alles perfekt? Nicht ganz. Wir hätten uns gewünscht, dass die Lenkung ein bisschen schwerer und direkter wäre, zudem ist die Übersetzung selbst im Dynamic-Modus zu stark auf eine alltägliche Fahrweise ausgerichtet. Selbst wenn sein Verhalten äusserst effizient und die Performance in den Kurven sehr bissig ist, so nimmt der Spass doch leicht ab, und der R8 ist nicht mehr der Supersportwagen mit dem grössten Fahrspass. Das auf 1660 Kilogramm angehobene Gewicht ist daran sicherlich nicht ganz unschuldig. Der Deutsche ist mit dieser Masse ganz klar kein Leichtgewicht.
Trotz ein paar Kleinigkeiten ein Muss
Es sind Kleinigkeiten, die die spektakuläre Bilanz des R8 ein kleines Bisschen trüben, und sie sind grösstenteils dem V10 der Superlative zuzuschreiben. Auch der Preis – bei unserem Testmodell 253 000 Franken – gehört in diese Kategorie. Unwürdig ist, dass Audi bei einem Basispreis von 220 000 Franken noch 500 Franken zusätzlich für das Licht-Paket oder 810 Franken für eine banale Rückfahrkamera der Klasse Hyundai i30 verlangt. Nichtsdestotrotz, der Suchtcharakter des V10 lässt einen diese Unstimmigkeiten und den Preis schnell vergessen. Der R8 ist ein Sammlerstück, das man sich leisten sollte, wenn man kann – bevor es end-gültig verschwindet.
FAZIT – Lorenzo Quolantoni, Tester
Die Wirkung ist unmittelbar, sehr heftig, aber von kurzer Dauer: In der PS-Welt ist der Turbomotor mit einem Wodka-Shot gleichzusetzen. Ganz im Gegensatz zum Saugmotor, den man mit einem teuren Rotwein vergleichen kann: Der Angriff ist weicher, es folgt ein Geschmacks-Crescendo im Mund, bevor es zu einer Explosion im Gaumen kommt. Das Vergnügen ist umso grösser, als es sich beim V10-5.2-Liter-TSI des Audi R8 nicht nur um einen guten, schweren Bordeaux handelt – dieser hat auch noch den richtigen Jahrgang! Allein der Antrieb des Super-Audi hätte es verdient, dass man für ihn das Sparschwein schlachtet. Angesichts dieses mechanischen Meisterwerks erscheinen die paar Mängel des R8 geringfügig. Es ist eine aussterbende Art, die sehr wohl einen Platz in der Garage von Kennern verdient hat.