Der Firmenname Byton steht für Bytes on Wheels – Bytes auf Rädern. Auf der IAA in Frankfurt präsentiert die Marke ihr erstes Fahrzeug überhaupt. Auffälligstes Merkmal ist ein riesiges, gebogenes Armaturenbrett-Display, das sich über 48 Zoll von einer Seite des Cockpits zur anderen erstreckt. Daniel Kirchert, Mitbegründer und CEO des chinesischen Auto-Start-ups, sagt: «Ein intelligentes Gerät auf Rädern zu bauen, war meine Gründungsvision.» Man sei bei Byton überzeugt, dass es dies sei, was die nächste Generation von Fahrern wolle. Man könne es zum Teil ja schon heute erkennen, wenn man sich im Verkehr und im Stau achte: «Alle benutzen ihr Smartphone und niemand die eingebauten Infotainmentfunktionen im Auto.» Warum? «Weil Letztere punkto Können weit unter dem liegen, was man auf seinem Smart-phone alles kann», sagt Kirchert. «Deshalb hatten wir die Idee, ein digitales Wohnzimmer zu bauen.» Kirchert ist überzeugt, dass beim Automobil ein Paradigmenwechsel weg von der Bedeutung von Motorleistung, Fahrdynamik und Handling hin zu mehr Datenleistung und dem Auto als digitale Plattform vonstatten geht. Er erklärt, dass die jün-gere Generation, geboren ab 1990, sich viel stärker für die innere Erfahrung und Konnektivität interessiere als für Reichweite und Leistung.
Das Byton-SUV ist aber auch ein stattliches Gefährt. 4.88 Meter lang, wuchtige 2.2 Meter breit, 1.67 Meter hoch bietet es ausreichend Platz für fünf Passagiere. Der Kofferraum soll 550 Liter Ladevolumen bieten. Den M-Byte soll es in einer Einstiegsversion mit 200-kW-Motor (272 PS) an der Hinterachse und 72-kWh-Batterie geben, deren Reichweite der Hersteller mit rund 360 Kilometer angibt (WLTP). Die insgesamt 300 kW (408 PS) starke Allradversion hat eine 95-kWh-Batterie und kommt damit rund 435 Kilometer weit. Rund 50 000 Franken könnte das Auto dereinst kosten. Die ersten Fahrzeuge sollen Mitte 2020 in China ausgeliefert werden. Im ersten Halbjahr 2021 sollen dann die USA und Europa folgen.
Kinoleinwand im Auto
Byton will mit seinem elektrischen SUV primär die drei deutschen Premiummarken Mercedes-Benz, BMW und Volkswagen herausfordern. «Ich glaube, in Sachen Qualität, Technik und Verarbeitung müssen wir uns vor keiner deutschen Marke verstecken», sagt Kirchert. Faszinierend ist beim M-Byte vorab das Cockpit, das an die Überwachungszentrale eines Flughafenterminals oder den Arbeitsplatz eines Börsenhändlers erinnert. Das Dis-play mit einer Diagonale von 48 Zoll (knapp 122 cm), das praktisch von Tür zu Tür reicht, hat es vom Prototypen in die Serie geschafft. Üblicher-weise gehen solche Eyecatcher auf dem Weg vom Konzept- zum Produktionsmodell verloren. Den Touchscreen im Lenkrad musste Byton freilich von sieben auf acht Zoll verkleinern, damit der Airbag noch Platz fand. Die linke Seite des Monster-Display mit Anzeigen für den Fahrer läuft über das Betriebssystem QNX, das wegen seiner Stabilität oft in Autos ein-gesetzt wird. Der rechte Teil mit Navigation und Infotainmentsystem wird mit der quelloffenen Version des Google-Betriebssystems Android für automobile Anwendungen betrieben. Anzeigen lässt sich vom Hochzeitsfoto der Tochter übers Internet bis hin natürlich zu Navigation, Audio und dem Üblichen nahezu alles. Nur viel grösser und alles gleichzeitig.
Noch nicht lupenrein klappt an der IAA das berührungslose Klicken, Vergrössern und Verkleinern der Ansicht. Wischen, tippen und zoomen mit den Fingern, wie das alle von ihrem Smartphone kennen, geht in diesem Auto dank Bewegungserkennung auch ohne Berührung. Sieht amüsant aus und hat etwas von Luftgitarre spielen. Und wie stehts mit dem Fokus? «Wir haben das Display so entworfen, dass es die Augen des Fahrers in einer geraden Linie hält», so Kirchert. «Man muss nicht auf eine zentrale Schalttafel schauen, die wichtigen Dinge passieren im Blickfeld des Fahrers.»
Deutscher Hintergrund
Dass ein Auto in China in drei Jahren von der Idee zum Serienmodell reift, sagt viel über die Wichtigkeit des E-Autos in der Volksrepublik aus. «Unser Fall ist insofern etwas Besonderes, weil wir viel Know-how aus der etablierten Premiumbranche mitbringen», sagt Kirchert, einer der erfahrensten Manager in Chinas Automobilindustrie. Bevor er zu Byton kam, war er Geschäftsführer von Infiniti China und Präsident von Dongfeng Infiniti Motor und davor Senior Vice President of Sales and Marketing bei BMW Brilliance Automotive. Kirchert ist ausserdem Experte für Produktstrategie, Händlernetzentwicklung und Joint Ventures. Der Deutsche führt Chinas Schnelligkeit und Energie als primäre Schlüsselfaktoren bei der Umsetzung seines Projekts an. «Die Menschen sind bereit, sehr hart zu arbeiten. Und sie sind bereit, ihre grossen Unternehmensaufgaben zu verlassen und Start-ups zu gründen. Mit diesem Geist und dieser Dynamik kann man sehr effizient arbeiten», sagte er. Und natürlich habe China einen Kapitalmarkt, der da-bei mitmache, und eine Regierung, die Initiativen, «die in die Entwicklungs- und Produktionsrichtung unseres Autos gehen, stark unterstützt».
So will Byton ab 2021 auf eine Produktion von 100 000 Autos pro Jahr kommen, um die Gewinnzone zu erreichen. Wenn diese Rechnung aufgeht, könnte da ein unangenehmer Konkurrent für die etablierten Europäer heranwachsen. Selbst wenn es einem trotz der Beteuerung von Kirchert sehr herausfordernd vorkommt, sich bei dieser Kinoleinwand im Auto auf den Verkehr zu konzentrieren. Sobald das Auto indes autonom fährt, sieht die Sache natürlich völlig anders aus.
Seich