Wie sicher sind Elektroautos?

Wenn ein kleines E-Auto und ein Verbrenner-Kombi zusammenprallen, sind ein völlig zerstörter Kleinwagen, Schwerstverletzte und Tote die Folge – sollte man meinen.

Der rosafarbene E-Zoe und der grüne Volvo V70 Kombi rasten mit etwa 70 km/h aufeinander zu, verhakten sich mit den vorderen linken Kotflügeln und begannen ein nur Sekundenbruchteile kurzes, aber fatales Tänzchen, rechts herum: Es krachte knirschend, Splitter  ogen durch die Luft, Rauch stieg auf. Dann sanken sie zu Boden, beide nicht mehr in ihrer ursprünglichen Fahrtrichtung. Unfallort: Flugplatz Dübendorf ZH. Beide Autos, mit Dummys bestückt, wurden den Crashversuchen 2019 der Axa-Autoversicherung geopfert, nicht zur Bespassung des Publikums, sondern um unter dem Motto «E-Crash – Verkehr unter Strom» Erkenntnisse zu gewinnen, was bei Unfällen mit Elektroautos passieren kann, welche Risiken sie bergen und wie sicher sie sind. Denn immer mehr Autos mit Elektroantrieb fahren auf unseren Strassen – 25 000 sind es inzwischen. Zwar sind dies laut Bettina Zahnd, der Leiterin Unfallforschung und Prävention von Axa Schweiz, nur 0.42 Prozent gemessen an allen Zulassungen, aber ihre Zahl steige exponentiell. Und damit werde auch die Zahl der Unfälle zunehmen. Darauf will der nach eigener Aussage «grösste Unfallversicherer der Schweiz» vorbereitet sein, der seit 1985 Unfallforschung in einem Masse betreibt wie sonst keine Institution hierzulande. Als Schleppfahrzeug, das über eine Seilzugkonstruktion die beiden Unfallautos des jüngsten Versuchs in Dübendorf gleichzeitig auf Geschwindigkeit brachte, diente übrigens ein Tesla X – «wegen der stufenlosen Beschleunigung».

Frontalkollision



Der Augenschein
Das Ergebnis des Unfalls ist überraschend: Zwar waren beide Autos als Totalschäden abzuschreiben. Die Fahrgastzelle des E-Zoe samt Frontscheibe aber war noch relativ intakt, während die des vermeintlich stabileren Volvo völlig eingedrückt worden war. Im Umkehrschluss heisst das: Möglicherweise hätten der oder die Zoe-Passagiere weniger schwere Verletzungen davongetragen als die im Volvo. Man müsse allerdings berücksichtigen, dass der Kombi kein aktuelles, sondern ein älteres Modell sei, so Bettina Zahnd. «Mit einem neuen Volvo hätte das wohl anders ausgesehen. Im Karosseriebau hat sich eben auch vieles geändert», meinte sie. Bisher sind für Elektroautos noch keine repräsentativen Unfallzahlen erfasst, die Versicherung weiss aber immerhin, dass Mikro-Autos mit etwa zehn Prozent aller Fälle weit weniger häufig Unfälle verursachten als grosse SUV oder Luxuslimousinen, die für 40 Prozent verantwortlich sind.

Das Batterieproblem
Der Versuchs-Zoe entsprach insofern nicht einem richtigen Elektroauto, weil aus Sicherheitsgründen auf die Originalbatterien verzichtet worden war. Denn wenn diese brennen, sind sie kaum zu löschen und sondern giftige Dämpfe ab. Auf der anderen Seite sind sie jedoch wesentlicher Bestandteil der Stei gkeit der Karosserie. Weil es bei dem Versuch vor allem darum ging zu zeigen, wie stabil die Struktur eines Elektroautos ist und wie gut die Insassen geschützt sind, wurden gewichtsgleiche Elemente aus Stahl und Beton, rund 300 Kilogramm schwer, eingebaut. «Wir fragen uns jetzt natürlich, ob die Airbags aufgehen, da eventuell die Elektronik gestört sein könnte», sagte Bettina Zahnd, bevor sie den Versuchsablauf freigab. Sie gingen auf.

Rettung und Bergung
Wie bei einem realen Unfall rückten die Retter an, zunächst das Sanitätsfahrzeug, kurz danach die Feuerwehr, und ganz zuletzt das Abschleppfahrzeug. Die Rettungssanitäterin versuchte zunächst vorsichtig zum verunfallten Fahrer zu gelangen, was möglich war, weil die Zoe-Beifahrertür sich noch öffnen liess. So konnte sie anfangen, den Patienten zu stabilisieren. «Hier sind Teamarbeit und Schnelligkeit gefragt.»Nur wenige Minuten später sicherten die Feuerwehrleute vorschriftsmässig das Elektroauto gegen plötzliches Wegrollen, stellten per Tablet den Autotyp fest und wo sich Batterien, Starkstromkabel und Notschalter befanden, schalteten den Strom ab und begannen mit Isolationshandschuhen geschützt ihre Arbeit. Über den zerfetzten Motorraum legten sie eine Kantenschutzdecke, und gleichzeitig durchtrennte die hydraulische Zange mit an die 700 bar die B-Säule, um besseren Zugang zum Fahrzeuginnern zu ermöglichen.

Geräuschloses Ausparken

Spezialfahrzeug der Autohilfe Zürich
Verunfallte Elektroautos können wegen der Batterie-Entzündungsgefahr nicht einfach auf einem Tie ader geborgen werden. Die vor einem Jahr in Zürich gegründete Bergetechnische Vereinigung mit 50 Mitgliedern hat angesichts der steigenden Zahl der Unfälle mit Elektroautos einen rund sechs Meter langen Spezialcontainer auf einem Anhänger entwickelt, der dazu dient, ein verunfalltes Auto auf einer Plattform aufzunehmen und es in den Container zu ziehen. So kann ein möglicher Brand wenn nicht verhindert, so doch unter Kontrolle gebracht werden. Die GPS-überwachte Anlage im Container setzt bei etwa 100 Grad Hitze einen Alarm ab und versprüht bei etwa 400 Grad Hitze selbständig ein Aerosol aus einer Sprinkleranlage. Zur Not kann der Container auch von aussen geflutet werden. Seit etwa einem Jahr ist er bei der Autohilfe Zürich im Einsatz – «bisher vier Mal bei schweren Unfällen mit Elektrofahrzeugen», so Geschäftsführer Fabian Knecht. Weitere Container dieser Art stehen bei Bergungsunternehmen im Aargau, in Arbon TG, in Bern und in Basel, ein weiterer geht ins Tessin. Fazit des Testtages in Dübendorf: Die Anforderungen an Fahrerinnen und Fahrer von Elektroautos sind aufgrund deren Eigenschaften und der Assistenztechnik hoch, aber auch an andere Verkehrsteilnehmer und nicht zuletzt an die Retter. Und: Elektrofahrzeuge sind offenbar bei weitem stabiler, als man glaubt.

Autopilot versagt

5 Kommentare

  1. Warum sollen e-Autos weniger stabil sein als Verbrenner? Die Stabilität der Kabine hat doch mit dem Antrieb nichts zu tun, das ist doch rein Sache der Konstruktion der Fahrgastzelle! Und wenn sie die Batterie mit Ballast ersetzen ist es kein e-Auto mehr! Ist ja interessant, dass sich der Zoe so gut gehalten hat! Aber aus diesem Test lassen sich sicher keine allgemeinen Schlüsse ziehen!

  2. E Autos brauchen ja keinen Strom, sondern giftige dämpfe ab wenn sie brennen und die Batterien könne zudem auch nicht entsorgt werden!! Darum vorläufig kein Thema für mich!!
    … und Strom kommt ja aus der Luft!!

  3. Die Tatsache dass bei dem Versuch auf die Batterien verzichtet wurde zeigt nur allzudeutlich die bekannte Problematik von Elektrofahrzeugen. Mit Batterien wären vermutlich die Retter gar nicht an die Fahrzeuge herangekommen und die Insassen wären verbrannt, wie schon öfter vorgekommen.

  4. Elektroautos sind aus diversen Gründen sehr gefährlich und ich warne immer wieder vor dem hohen Unfallrisiko. Die Zahl der verunfallten Fahrer geht zwar insgesamt zurück. Trotz dieser positiven Entwicklung bleibt das Risiko, bei einem Unfall schwer verletzt oder sogar getötet zu werden, relativ hoch. Dieses Risiko ist gemäss der Beratungsstelle für Unfallverhütung (ein Merkblatt kann als PDF auf https://trovas.ch/?title=elektroauto heruntergeladen werden) nicht unbedingt auf die Batterie zurückzuführen, sondern auch beispielsweise auf die geringen, kaum wahrnehmbaren Lärm-Emissionen.

  5. Elektroautos sind in aller Regel viel stabiler gebaut als Verbrennerfahrzeugt, da der Akku meistens im Unterboden sitzt und es eine Sicherheitsvorschrift ist, dass diese Zelle bis zu einem bestimmten Grad „gepanzert“ sein muss. Daher wird die Zelle im gesamten Unterboden viel steifer und fester als bei einem Verbrenner. Ein Unfall, vor allem bei Seitenaufprall mit schwerwiegenden Folgen für die Insassen, ist daher weit unwahrscheinlicher bei E-Autos. Dies zeigen verschiedene Crashtests jeweils klar auf. Das recyclen der Akkus wird künftig auch kein Problem mehr darstellen, da es schon Firmen gib, die sich eingehend um diese Lücke kümmern und teilweise schon tun.
    Hier ein Link dazu: https://www.vontobel.com/de-ch/impact/nachhaltig-investiert-batterie-recycling-fuer-die-e-mobilitaet-27211/?gclid=EAIaIQobChMImcrGgoTk-QIVAbp3Ch1W8woREAAYASAAEgJQOPD_BwE

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