Kamiq stammt aus der Sprache der Inuit und bedeutet etwa: Alles passt. Immer und jedem. Er passt deshalb auch in die Reihe der grösseren SUV-Varianten von Škoda: Karoq und Kodiaq, von denen er ein paar Gene geerbt hat, zum Beispiel eine hohe Bodenfreiheit. Name hin oder her, ob alles im Fahrbetrieb passt, musste er beweisen – in den Städten im elsässischen Rheintal ebenso wie in den Vogesen und dessen Dörfern. Auf ruppigen Beton- Autobahnabschnitten ebenso wie auf Kopfsteinpflaster in den Vogesenstädtchen. 46 Testfahrzeuge hatte Škoda am Euro-Airport in Basel auffahren lassen, um insgesamt etwa 800 Motorjournalisten vom neuesten Produkt zu überzeugen. Das Erste, was einem beim Anblick des Kamiq in Lebensgrösse statt im Prospekt als Kommentar einfällt: Er ist hübsch. Das liegt nicht nur daran, dass die Proportionen stimmen und er nicht hochbockig daherstelzt. Sondern auch an den modernen, kantigen Formen der Karosse. Die sind zwar ein bisschen Zeitgeist, auch bei anderen Marken, aber zum Kamiq passen sie sehr gut, verleihen ihm viel Charakter. Ausserdem erlauben ihm seine Abmessungen ein unproblematisches Parkieren in der Stadt. Vorausgesetzt, man ndet einen Parkplatz. Das Zweite, das beim Anblick der aufgereihten Testfahrzeuge auffällt: die Farben. Grau ist zwar inzwischen das neue Schwarz, aber fröhliches Grün und knalliges Rot oder elegantes Blau lassen ihn aus der Masse herausstechen wie Blumen aus einer Wiese. Das dritte auffallende Merkmal: Wenn man seine Formen interpretiert, müsste er sehr praktisch sein. Das aber realisiert man erst so richtig, wenn man ihn anfasst, die Türen aufmacht, einsteigt. Man kann lässig auf den Sitz gleiten, ohne sich verbiegen oder den Kopf einziehen zu müssen. Er ist auch für grosse Menschen gemacht. Auch hinten. Und Beifahrer- und Rücksitze lassen sich ganz umklappen, und schon hat man jede Menge Lade äche für Sperriges. Der Kofferraum bietet 400 bis 1395 Liter Stauraum.
Feinfühlige Kraftverteilung
Und dann geht es los. Auf Knopfdruck. Der Einliter- Benziner springt fast geräuschlos an, und im weiteren Betrieb ist er ebenso diskret. Auch beim Beschleunigen. Gleichgültig, ob mit manuellem oder automatischem Getriebe. Er ist hervorragend verkapselt. Dass ihm ein vierter Zylinder fehlen könnte – auf die Idee kommt kein Mensch. Denn zum einen leistet der 1.0 TSI 115 PS (85 kW). Zum anderen verteilt das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe die Kraftausbeute feinfühlig auf die Antriebsräder der Vorderachse. Wobei der Kamiq dem Fahrer per Ganganzeige immer mitteilt oder besser: emp ehlt, wann es an der Zeit wäre, hochzuschalten. Das Modell bekommt, wer möchte, natürlich auch mit Sechsganggetriebe. Wer allerdings auf die 95-PS-Variante steht, bekommt nur fünf Gänge manuell. Und wer sparsam fahren möchte, was heutzutage mehr denn je angesagt ist, bleibt im Modus Normal statt Sport. Erwähnenswert sind die Assistenzsysteme – Frontradar-Assistent mit City-Notbremsfunktion und, ganz speziell, der Spurhalteassistent (Serie). Der hat eine geradezu pädagogische Aufgabe: Beim Fahrspurwechsel muss man den Blinker setzen, worauf heutzutage viele Autofahrer glauben verzichten zu können, sonst sträubt sich der Kamiq nachdrücklich, die weissen Streifen der Fahrbahn zu queren. Es geht natürlich schon, aber quasi nur mit Gewalt. Ausserdem reagiert das System auch, wenn es spürt, dass man nicht genau zwischen den Begrenzungsstreifen der Spur fährt oder anfängt zu pendeln, und gibt optisch den Hinweis, doch bitte aktiv ins Lenkgeschehen einzugreifen und lenkt selbst ein wenig mit. Sehr eindrücklich.
Die Varianten
Für die Schweiz sind zunächst die beiden 1.0-TSIDreizylinder Benziner mit 95 beziehungsweise 115 PS im Angebot, die es ab Ende September in den drei Ausstattungsvarianten Active, Ambition und Style geben wird. In Bälde sollen aber noch eine 1.5-TSI-Version mit 150 PS und Zylinderabschaltung (Active Cylinder Technology) sowie eine Erdgasvariante TGI G-Tec mit 90 PS dazukommen. Zudem gibt es zwei verschiedene Chassis – Standard oder optional Sport mit adaptiver Fahrwerksregelung beziehungsweise Tieferlegung um zehn Millimeter. Und was ist mit dem Diesel für die Schweiz? «Nichts», sagte PR-Manager Emanuel Steinbeck, der Markt frage in dem kleinen Segment nicht danach. Ganz anders die Nachfrage generell nach City-SUVs: Sie sei bei uns im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent gestiegen. Dennoch und gerade darum fuhren wir aus Neugier noch einen 1.5-TDI-Vierzylinder mit 115 PS, vor allem in den Kurven der Vogesen. Und waren begeistert. Der «urbane Crossover-SUV» lässt sich frech und doch gutmütig in den Serpentinen bewegen, verfügt über ein sehr spurtreues Fahrwerk – trotz hoher Bodenfreiheit (182 mm) – und ein zugkräftiges Drehmoment aus den Kurven heraus. Und das ganz leise. Man kann ihn durchaus ziemlich sportlich bewegen, wenn es sich anbietet. Die Sitze bieten guten Seitenhalt, trotz der relativ hohen Sitzposition. Škoda hat immer wieder Überraschungen auf Lager: Für die kleine Klasse sind inzwischen dynamische Blinker selbstverständlich – erstmals bei Škoda. Der Kamiq verfügt zudem über einen automatisch ausklappbaren Türkantenschutz oder einen im Tankstutzen verstauten Eiskratzer. Optional sind eine schwenkbare, elektrisch entriegelbare Anhängerkupplung oder eine elektrische Heckklappe mit Tip-to-close-Funk tion. Und die schicken Vega-Aero-18-Zoll-Felgen sollen sogar verbrauchsreduzierend wirken.
Das Navi – am Rande bemerkt
Im Briefing vor dem Beginn der Testfahrten teilten die Škoda-Leute mit, sämtliche Navis seien inaktiv. Ein Gewitter habe nachts zuvor erfolgreich verhindert, neue Software auf die Kamiq-Rechner zu spielen. Wer also ein Handy hatte (und wer hat das nicht?) und wusste, wie es zu bedienen ist, war im Vorteil. Mit dem Auto verstöpseln, Ziel eingeben und die App Carplay aktivieren, und schon führte einen das Handy-Navigationssystem über die auf den Automonitor gespiegelte Karte auf den rechten Weg – mit Stimme. Ansonsten lässt sich der Kamiq aber auch fahren, indem man die Hinweisschilder an der Strasse liest oder zwischendurch mal auf eine Karte schaut. Ehrlich. Wo bliebe sonst das Abenteuer?