Die AMG C-Klasse ist unsere meist verkaufte Baureihe und damit eine ganz entscheidende Basis unseres Unternehmenserfolgs der letzten Jahre. Wir haben das C-Klasse-Angebot daher immer mehr ausgebaut. Unsere Kunden können mittlerweile zwischen zwölf Modellen der CKlasse- Familie wählen. Im Rahmen der aktuellen Modellpflege haben wir alle Baureihenvarianten nochmal kräftig aufgewertet», sagt Tobias Moers, Vorsitzender der Gesch.ftsführung von Mercedes-AMG. Kann man so sagen – mit Betonung auf kräftig. Der hellste Stern am Himmel von AMG, der GT 63 S mit vier Türen freilich ist natürlich kein Volumenmodell. Bei einem Preis ab 220 909 Franken ist das einleuchtend. Mit dreisitziger Rückbank, etwas mehr Gummi auf den etwas breiteren und teureren Felgen sowie ein paar weiteren netten Optionen landet man wie im Fall des Testwagens flugs bei 255 200 Franken. Eine hübsche Summe, für die man allerdings, selbst wenn es pathetisch klingt, ein Geschenk des Himmels kriegt. Ein Auto, zu dem einem wildfremde Leute auf dem Migros-Parkplatz gratulieren, und eines, das niemand auf der Autobahn hinter sich sehen will. In wessen Rückspiegel man mit diesem AMG auftaucht, der flüchtet, als sei der Leibhaftige hinter ihm her, auf die rechte Spur oder den nächsten Ausstellplatz. Der Star on Earth ist so schnell und kräftig, dass er sich auch vor seinem einzigen Gegner im Kampf um den Posten des Rudelchefs, dem Porsche Panamera, nicht zu fürchten braucht. Andererseits ist das Auto derart geräumig und komfortabel, dass man bequem darin schlafen könnte, wenn man die Rücksitze umklappt. Der AMG GT Viertürer Coupé verbindet so höchste rennstreckentaugliche Fahrdynamik mit dem hohen Alltagskomfort eines Gran Turismo. Darum ist er im Prinzip der perfekte Begleiter in jeder Lebenssituation.
Auf eigenes Risiko
Vom Himmel auf Erden gibt es Bücher, Lieder, Gedichte, Filme und noch viel mehr. Und jetzt gibt es eben auch noch dieses Automobil. Sitzt man darin, fühlt man sich wahrhaftig bald wie in Abrahams Schoss. Bald darum, weil man sich zuerst mit den schier grenzenlosen Tools und Einstellungsmöglichkeiten punkto Fahrsicherheit, -dynamik, -daten bis hin zu Ambientevariationen vertraut machen muss. Das dauert rund 120 Kilometer lang, dann aber ist man am Steuer dieses Raumgleiters Pilot eines hell leuchtenden Geschosses. Den 5.05 Meter langen Edelboliden gibt es mit Motorisierungen von 367 bis 639 PS. Zur Verfügung stehen dabei zwei Sechszylindermotoren und, wie im Testwagen, ein Vierliter-V8-Biturbo. Die verschiedenen Settings des Luftfahrwerks mit adaptiver Dämpfersteuerung sorgen für eine sehr weite Spreizung von Federungskomfort und Dynamikverhalten. Eine notabene spürbare Spreizung, was wahrhaftig nicht immer selbstverständlich ist. Insgesamt stehen sechs Fahrmodi zur Auswahl: Glätte, Comfort, Sport, Sport+, Race und Individual. Dabei werden das Ansprechverhalten des Motors und Getriebes, die Lenkungskennlinie, die Fahrwerksdämpfung oder der Abgassound variiert. Die Gänge werden über eine Neungang-Automatik, die permanent für eine ideale Drehzahl sorgt,blitzschnell gewechselt. Eine nasse Mehrscheiben- Anfahrkupplung ersetzt dabei den Drehmomentwandler. Das sorgt vorab beim Sprint und bei Lastwechseln für einen famosen Response auf Gaspedalbefehle.
Das aktive Hinterachsdifferenzial seinerseits verhindert Traktionslücken selbst bei vollem Leistungseinsatz. Weil das Fahrzeug derart vollendet Komfort und Spitzensport vereint, wechselt man vor allem zwischen den Modi Komfort und Sport+. Am einen Pol der Leistungs bereitstellung stehen frühes und schnelles Hochschalten, eine akkurate Lenkung und ein Fahrwerk, das Rücksicht auf Glieder und Skelett nimmt. Auf der anderen Seite, da wo der Stern zum Tier wird, knallt und fetzt es, dass es eine wahre Freude ist. Die Gasannahme ist superagil, Zwischengasstösse beim Zurückschalten halten die Drehzahl im Himmel und spontane Zylinderausblender sorgen beim Hochschalten für Schaltzeiten wie bei Onkel Hamilton im Formel- 1-Silberpfeil. Dazu gibts fetten Fehlzündungssound. Dass das Fahrwerk, die Lenkung und der Antriebsstrang in solchen Momenten Tenue Leistungssport tragen, versteht sich von selbst. Wer alles auf einmal aufgetischt bekommen will, was der GT an Performance bereitstellen kann, wählt auf eigenes Risiko den Modus Race. Das ist etwa so, als ob Sie Ihren Kebab nicht nur «mit scharf» sondern «mit scharf und alles und Inferno » bestellen: Schliesslich sind da 639 Pferdestärken mit – Achtung! – 900 Nm Drehmoment. Das ergibt 3.2 Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h und 315 km/h Spitze, und das bei 2.2 Tonnen Lebendgewicht. Die beiden Twin-Scroll- Turbos innerhalb des Zylinder-Vs haben im GT wälzgelagerte Turbinenräder, die die Reibung im Lader minimieren. All das optimiert die Gasannahme und sorgt in den Sport-Modi für ein geniales Ansprechverhalten.
Überdurchschnittlicher IQ
Mercedes, die älteste Automarke der Welt, geniesst seit jeher den Ruf, besonders sichere Fahrzeuge zu bauen. Deshalb erstaunt es nicht, das dieses Wunderauto mitdenkt. AMG Dynamics ist ein System das berechnet, wie das Fahrzeug reagieren wird. Wohlverstanden: wird! Genutzt werden die vorhandenen Sensoren, die zum Beispiel Geschwindigkeit, Lenkwinkel oder Gierrate errechnen. Aus den Aktionen des Fahrers und den Daten der Sensoren lässt sich so das Fahrzeugverhalten vorhersehen – und das Auto kann noch vor dem Fahrer reagieren. Und zwar so, dass die Eingriffe auch geübte Fahrer nicht stören oder bevormunden. Ein kluges Helferlein, welches der Kurvendynamik und der optimalen Traktion bei hoher Stabilität sowie dem Fahrverhalten zugutekommt. Apropos Hilfssysteme: Zu diesen gehört bei unserem Testwagen auch die Hinterachslenkung, welche die Wendigkeit des Autos spürbar erhöht, indem zwei elektrische Stellmotoren die Hinterräder in die den Vorderrädern entgegengesetzte Richtung lenken.
Jenseits von 100 km/h lenken alle vier Räder einträchtig in die gleiche Richtung, was natürlich der Stabilität und Linientreue dient. Zu guter Letzt ist in der Abteilung «Hier wird Ihnen geholfen» auch noch die automatische Tempoanpassung zu erwähnen. Mit ihr passt der Stern auf Grund der Navigationsdaten die Geschwindigkeit selbst an: Wenn des GPS «Kreisel voraus» meldet, reduziert das Auto selbständig das Tempo, um nach der Klippe – ohne Zutun des Fahrers – wieder aufs eingestellte Tempo zu beschleunigen. Stichwort Spur halten: Das ist vor allem in Kurven gar nicht so ganz falsch. Auch hier entpuppt sich der AMG als Herrscher im Raum der Radien. Keineswegs behäbig und träge, wie man vermuten könnte, sondern wendig und geschmeidig wie ein gedopter Polo GTI schiesst der Brocken um die Hausecken. 1.9 Grad Negativsturz an der Vorderachse sind ein Grund dafür. Schön für den, der Rabatt bei Reifenherstellern geniesst. Das Gemisch aus irrer Leistung und extremen Fahrwerk- Setup lässt Kurventempi zu, die abartig sind. Eine grosse und selbstverständlich mächtige Bremse hilft, nicht übers Ziel hinauszuschiessen.
Vom Feinsten
Mit dem modernen Widescreen-Cockpit im Zentrum und als schier endlos individualisierbare Informationsquelle hat der Fahrer alle relevanten Betriebszustände stets scharf im Auge. Wie gesagt, 120 Schweizer Autobahnkilometer oder eine Stunde auf dem Parkplatz müssen Sie einplanen, bis Sie als geübter Cockpit-Pianist einmal die ganze Klaviatur unzähliger Funktionen, Konfigurationen, Fahrprogramme und Instrumenten-Ansichten durchgespielt haben. Aber es macht Spass, in diesem Ausserirdischen auf Entdeckungsreise zu gehen. Da findet sich etwa das Motordrehmoment in einem Balkendiagram oder der Ladedruck als Boost-Anzeige. Mit einer zusätzlichen Installation können während einer Fahrt über eine Rennstrecke über 80 fahrzeugspezifische Daten zehnmal pro Sekunde aufgezeichnet und später via Telemetrie- Computer analysiert werden. Bedient werden kann das via Touchpad, Controller, Touch-Control-Buttons am Lenkrad oder per Spracheingabe.
Auf jeden Fall hilfreich ist, dass man sich mit dem Auto unterhalten kann. Die Sprachansagen kommen problemlos und ohne Dolmetscher an. Die optionalen Performance-Sitze bieten top Seitenhalt. Das Design und die Auswahl der Materialien vermitteln ein Hightech- und Perfomance- Gefühl auf Fünfsterne-Niveau. Und was den Platz für Kopf und Beine angeht, davon hat es, wie gesagt, reichlich. Der Verbrauch andererseits wird den Besitzer eines solchen Supersterns möglicherweise nicht wirklich interessieren. Allein, auch der ist angesichts der gewaltigen Systemleistung und der gut zwei Tonnen Gewicht mit 12 bis 15 Litern im Test recht moderat. Zumindest für ein Auto, das einem immerzu die Sprache verschlägt.