SWISS CAR EVENT Die vermeintlich typisch männliche Tuningveranstaltung zieht immer mehr weibliche Besucherinnen an. Liegt das daran, dass eine Frau seit 2018 das Organisationskomitee leitet?
Pralle Oberarmmuskeln, Dezibel satt, Seitenschürzen knapp über dem Boden und Miniröcke knapp unter dem Po – so kann man die Tuning-Veranstaltung Swiss Car Event in Genf überspitzt beschreiben. Diese Stereotypen, die auch die Spielfilmreihe «Fast & Furious» wiedergibt, verschwinden jedoch zusehends. Frauen sind in der Autowelt längst nicht mehr auf die Rolle der sexy Hostess festgelegt, sondern er-kämpfen sich ihren Platz sowohl im Präsidium, als auch im Publikum. Die Organisation des Swiss Car Event, der Genfer Veranstaltung für Tuning-Liebhaber, liegt seit 2018 in den Händen von Jennifer Joly. «Ich dachte, dass es für mich schwierig wird, in diesem Milieu akzeptiert zu werden», räumt die Genferin ein. «In Wirklichkeit ist das eine sehr sympathische Welt. In zwei Jahren habe ich keine einzige sexistische Bemerkung gehört. Es stimmt, manchmal brauchen die Männer einen Schuss vor den Bug, aber sobald sie bemerken, dass die Organisation funktioniert, sind sie sehr respektvoll.» Die junge Dreissigerin, die zuvor bei der Organisation des Miss- und Mister-Wettbewerbs der romanischen Schweiz aktiv war, weiss, dass sie bestimmte weibliche Waffen einsetzen kann, um ihre Entscheidungen umzusetzen. «Mit einem Lächeln kann man die Gemüter auch beruhigen. Meine Gesprächspartner schätzen viel-leicht diese ruhige, sachliche Art der Diskussion.»
Mehr Frauen anlocken
Eine der geplanten Reformen der jungen Frau ist die Ausrichtung des Swiss Car Events auf ein breiteres Publikum. «Ich möchte den Anteil der Frauen sich in einem aufblasbaren Schloss, und die Frauen haben ihren eigenen, für sie reservierten Wohlfühlbereich. «Das soll eine Einladung für die Frauen sein, damit sie die Welt des Tuning kennenlernen, anstatt ihren Partner alleine hierherkommen zu lassen», sagt Jennifer Joly. «Vielleicht kommen sie dann gerne zurück, um das Gymkhana anzusehen oder eine Drifttaufe zu machen.» In diesem Jahr entdeckten Dutzende Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts das Driften und setzten sich an die Seite von Spezialisten wie Gary Gallopin, Steve Rinsoz, Hugo Gonçalves, Silvano Moreira oder Séverine Roy. Die Französin war die einzige Fahrerin, welche die Besucher auf dem Parkdeck 49 des Palexpo auf schwungvolle Kurven mitnahm. Dieses Solo ist die aus dem zentral-französischen Departement Nièvre stammende Pilotin gewöhnt. Lange war sie die einzige weibliche Teilnehmerin bei der Französischen Driftmeisterschaft. «Als ich angefangen habe, unterstützten mich meine Konkurrenten. Als sie sahen, dass ich weder als Dekor diene noch angeben wollte, habe ich ihren Respekt bekommen», berichtet die Vierzigerin. «Alles lief gut, bis ich ganz oben in der Rangliste stand. In diesem Moment spürte ich, dass es einige Männer stört, dass ich eine Frau bin. Das Medienecho sorgte für Ärger.» Obwohl sich Séverine Roy heute aus dieser Szene zurückgezogen hat, nimmt sie noch immer an den Rennen der Trophée Tourisme Endurance in Frankreich teil und trainiert junge Fahrer. In Genf hat die Frau aus der Nièvre bewiesen, dass sie nichts von ihrem Driftkönnen eingebüsst hat. Die Begeisterung der Zuschauer war riesig, als sie im Rahmen des In-door-Gymkhana um die Hindernisse driftete.
Kreativität und Leidenschaft
Neben der Strecke haben die Organisatoren – inspiriert von der Gestaltung eines Flipperautomaten – Flächen für getunte Autos präpariert. Mittendrin unterschied sich der Stand des Freiburger Klubs Crazy Bitume durch mehr als nur den Namen: die Gestaltung erinnerte an einen Tresor – inspiriert von der TV-Serie «Das Haus des Geldes». Zudem waren da Mélanie und Aline, 28 und 31 Jahre alt, die am Stand stolz ihre umgebauten Autos vorstellten – einen Audi A4 und einen Toyota Corolla. Vor etwa zehn Jahren haben die Konditorin Mélanie und Aline, die mit Pferden arbeitet, ihre Leidenschaft aus dem gleichen Grund entdeckt: «Wir sind wie eine grosse Familie», erklären die beiden jungen Frauen. Aber nicht nur die gemeinsamen Grillpartys der Mitglieder haben die beiden Freiburgerinnen überzeugt, sondern auch die Möglichkeit, praktisch Hand anzulegen. Beide erklären, dass sie alleine in der Lage sind, den Unterhalt eines Wagens auszuführen, beispielsweise den Ölwechsel, Filtertausch oder Radwechsel. Aline sagt sogar, dass sie Folien auf der Karosse anbringen oder Felgen färben könne. Trotz dieses Mitmachens spüren die beiden Freundinnen aber noch ein starkes Machogehabe im Umfeld: «Wenn du ein Mädchen bist und das Auto rosa gestaltest, kommt das bei den Herren ziemlich schlecht an», erklärt Mélanie. Das hat Aline allerdings nicht daran gehindert, auf ihrem Corolla rosa Akzente zu setzen. «Ich habe das absichtlich getan, um alle zu ärgern», verrät sie mit einem Augenzwinkern. Dann räumt sie ein: «Das bleibt eine Männerwelt.» Ein Besuch der 13. Ausgabe des Swiss Car Event bestätigt das. Die Mélanies und Alines sind noch Ausnahmen in den Palexpo-Hallen. Das Publikum, ungefähr 10 000 Besucher in diesem Jahr, und die Aussteller sind nach wie vor hauptsächlich Männer. Dennoch sind die Frauen in der Tuningwelt angekommen. Der nächste Swiss Car Event findet am 29./30. Juni 2020 statt. Dann wird man sehen, wie viele rosa Rosen blühen.