Diese Woche behandelt der Ständerat voraussichtlich die parlamentarische Initiative von Nationalrat Gregor Rutz (SVP/ZH), die dieser in der Sommersession 2017 eingereicht hatte. Gemäss seinem Antrag seien die Bestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes dahingehend zu ergänzen, dass auf Hauptverkehrsachsen innerorts generell Tempo 50 gilt und dieser Grundsatz nur aus Gründen der Sicherheit, insbesondere aber nicht durch Lärmschutzgründe, umgangen werden kann. Das Nationalratsplenum hatte der Initiative mit 105 zu 78 Stimmen Folge gegeben. Die vorberatende ständerätliche Verkehrskommission dagegen hatte sie mit 9 zu 2 Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt. Zur Begründung fügte sie an, die Forderungen der Initiative bedeuteten einen zu grossen Eingriff in die Kantons- und Gemeindeautonomie. Insbesondere schränkten sie den Spielraum der Städte und Gemeinden ein, die Bevölkerung vor Lärm zu schützen und für mehr Sicherheit auf den Strassen zu sorgen.
Tempo 30 statt 50
Wie sehr Tempo 30 überhandnimmt, zeigt ein
Blick auf die Städte Bern und Basel. In der Bundesstadt gilt auf 189 Kilometern
Tempo 30 und auf 24 Kilometern Tempo 20 (Stand Ende 2018). In Basel gibt es 86
Tempo-30-Projekte, 55 davon sind vollständig umgesetzt. Und auch in der Stadt
Zürich sind nach einem Bundesgerichtsurteil vom März 2018 zu den bestehenden
Tempo-30-Zonen über 50 neue hinzu gekommen. Mit anderen Worten: Tempo 30 soll
sukzessive Tempo 50 ablösen und damit das Autofahren in der Stadt erschweren.
Und der Trend setzt sich weiter in Richtung Tempo 20 fort. So soll auf dem
Viktoriaplatz in der Stadt Bern, wo die BKW ihren Hauptsitz haben, Tempo 20
eingeführt werden; entschieden ist aber noch nichts. Und es gibt Diskussionen
darüber, ob auf der Berner Monbijoubrücke, auf der täglich rund 15 000
Fahrzeuge die Aare überqueren, künftig Tempo 30 gelten soll. Zudem soll nach
den Plänen des Gemeinderats, der Exekutive der Stadt Bern, auf über 20
Strassenabschnitten in Zukunft Tempo 30 herrschen. Die Diskussion über Tempo
30 auch auf verkehrsorientierten Strassen hatte das Bundesgericht mit seinem
Urteil zur Sevogelstrasse in Basel von 2018 wesentlich beeinflusst.Tempo 30
kann auf siedlungsorientierten Strassen, also auf Quartierstrassen, durchaus
sinnvoll sein. Aber diese Geschwindigkeit auf verkehrsorientierten Strassen
nicht aufgrund der Sicherheit, sondern aus Lärmschutzgründen einzuführen, widerspricht
dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, der sich wie ein roter Faden durch das
öffentliche Recht zieht. Heute wird oft die Lärmschutzverordnung als Begründung
genommen, um eine Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf Hauptverkehrsachsen
durchzusetzen und auf ihnen Tempo 30 zu dekretieren.
Förderung des Schleichverkehrs
Das Ziel der Hauptverkehrsachsen besteht
hingegen gerade darin, den Verkehr zu bündeln. Dass deshalb der Lärm auf
diesen Strassen höher ist als auf Quartierstrassen, versteht sich von selbst.
Wenn nun durch eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit auf den
Hauptverkehrsstrassen der Lärm zwar reduziert, aber ebenso die Leistungsfähigkeit
vermindert wird, können diese Hauptachsen den Verkehr des übergeordneten
Strassennetzes nicht in genügendem Masse aufnehmen. Dann ist es aber fraglich,
ob der beschlossene Kapazitätsausbau auf den Nationalstrassen überhaupt etwas
bringt und sinnvoll ist. Hinzu kommt, dass durch die Reduktion der Höchstgeschwindigkeit
auf 30 km/h auf den verkehrsorientierten Strassen der Umweg- und
Schleichverkehr in den Städten gefördert wird, und das wird kaum zur Freude
der dortigen Anwohner sein. Zudem wird bei Tempo 30 tendenziell in den
niederen Gängen gefahren, was wiederum den Treibstoffverbrauch und damit den
CO2-Ausstoss erhöht. Schliesslich ist es nicht
nur der Motor, der Lärm hervorruft. Auch die Abrollgeräusche der Pneus
verursachen Lärm. Deshalb könnte auch der Einbau von sogenannten Flüsterbelägen
oder die Ausrüstung der Autos mit modernen Reifen eine nachhaltige Wirkung
erzielen.Die Ablehnung der Initiative in der ständerätlichen
Verkehrskommission war klar und unzweideutig. Trotzdem sollte die kleine
Kammer die Mehrheitsmeinung der vorberatenden Kommission nicht diskussionslos übernehmen.
Es darf nicht sein, dass die Städte mit Tempo-30-Zonen überzogen werden. Denn
wenn man diesen Faden weiterspinnt, dann kommt, wie erwähnt, Tempo 20. Und am
Schluss landen wir bei Tempo null. Verstehen wir das unter Fortschritt?
Nur in Wohnquartier Tempo 30.
Ich sehe in Tempo null effektiv einen grossen Fortschritt. Auf jeden Fall besser als vom Klima frittier zu werden!