Die japanische Überraschung

GELUNGENES COMEBACK Der Toyota Supra bleibt seiner Linie auch nach 17-jähriger Abwesenheit treu: Sportlicher Charakter, famoser Look und das Ganze angetrieben von einem aufgeladenen, sportlichen Sechszylinder.

Ein aggressiver Look, wie es sich gehört. Einige Lufteinlässe dienen nicht der Funktion sondern allein der Optik.

Toyota überrascht uns seit einigen Jahren dort, wo man die Marke nicht erwarten würde. So war es 2012 mit dem GT86. Oder 2016 mit dem C-HR. Und jetzt wie- der mit diesem GR Supra, der gar nicht in die Hybridpalette des japanischen Herstellers passt. Denn einen Elektroantrieb sucht man vergeblich unter der Motorhaube, dort arbeitet ein Sechszylinder- Benzinmotor ganz nach der Tradition, die auf den berühmten 2000 GT aus den 1960er-Jahren zurückgeht. Danach folgten mehrere Supra A60 als Topmodell der Celica-Palette, ehe daraus in den 1980er-Jahren ein eigenständiges Modell wurde. In Europa erinnert man sich wohl am meisten an den Supra A80 von 1993 mit dem imposanten Heckflügel. Berühmt wurde der Japaner durch seinen Auftritt im ersten Teil der Filmmreihe «The Fast and the Furious», aber auch durch die Präsenz in Videospielen wie Gran Turismo. Damals war er so etwas wie ein japanischer 911er. Heute wäre der neue Supra eher ein japanischer Cayman, um beim Vergleich mit Porsche zu bleiben. Vergleichbar ist auch der Preis von 79 900 Franken.

BMW unter der Haube
Ein weiteres Indiz für die neue Positionierung sind die wesentlich kompakteren Abmessungen. Mit 4.38 Metern Aussenlänge ist er kaum grösser als ein GT86. Dies erklärt sich durch die Kooperation mit BMW und die gemeinsamen technischen Lösungen des Z4. Chassis, Motor und ein Grossteil der Elektronik hat der Supra mit dem deutschen Roadster gemeinsam. Für das erste Modell unter der Leitung von Gazoo Racing, der Motorsportabteilung von Toyota (was das offizielle Kürzel GR erklärt), haben die japanischen Ingenieure alles getan, damit man – fast – nichts von dieser Kooperation bemerkt. Beim Design erkennt man keinerlei Einfluss von BMW. Der Supra trägt ganz selbstbewusst sei- ne aggressive und muskelspielende Robe. Die vordere Hälfte zeichnet sich durch eine lange Motorhaube und einen Stossfänger mit zahlreichen Aussparungen aus. Die hintere Hälfte erkennt man an ihrer stark abfallenden Dachlinie mit dem sehr gelungenen Doppelhöcker und einem grossen Heckdiffusor unter dem Stossfänger. Bei näherem Betrachten fallen einem die zahlreichen falschen Lufteinlässe auf. Diese finden sich unter den Scheinwerfern, auf der Motorhaube oder an den Türen wieder. Kurzum: Das Design ist bewusst aggressiv ausgelegt und verleiht dem Coupé seinen einzigartigen Auftritt, egal unter welchem Gesichtspunkt man es sieht. An Bord findet man schon mehr von BMW entlehnte Teile wie zum Beispiel die Gangschaltung, das Lenkrad und, etwas überraschend, das Infotainmentsystem. Die Drehschalter und die spezifichen Bedientasten aus Bayern sind aller- dings von einem gänzlich neuen Interieur umgeben. Toyota hat sich auch für einen eigenen digitalen Bildschirm im Fahrercockpit entschieden. Der Drehzahlmesser sitzt in der Mitte und zeigt immer den eingelegten Gang an, Tempo und die anderen Informationen wandern an die Bildschirmseiten. Letzteres unterstreicht die sportlichen Ambitionen des neuen Modells klipp und klar. Das Gepäckabteil ist mit seinen 290 Litern mehr als ausreichend für zwei durchschnittlich grosse Koffer und mehrere Taschen, ein weiterer Beweis für die Allroundeigenschaften des Neuen.

Der Reihen-Sechszylinder beschleunigt das japanische Coupé in 4.3 Sekunden von 0 auf 100 km/h, das lässt sich sehen.

Vielversprechendes Datenblatt
Auch die Technik des Toyota Supra ist keine blosse Kopie des Z4. Die Entwicklung beider Modelle wurde strikt getrennt, wobei der Cheftester des Supra sich sogar geweigert hatte, einen Z4 zu fahren, um sich in seiner Abstimmung nicht stören zu las- sen. Ein besonderes Augenmerk legten die Ingenieure auf die Anordnung des Antriebsaggregats – es liegt im Chassis so tief und so weit wie möglich von der Vorderachse entfernt. Dies ergibt eine per- fekte Gewichtsverteilung von 50:50 und einen noch tieferen Schwerpunkt als im kleinen Bruder, dem GT86. Auch der zehn Zentimeter kürzere Rad- stand gegenüber dem GT86 verspricht ein extrem agiles Fahrverhalten. Daraus resultiert eine sehr ausgewogene Dynamik trotz des respektablen Leergewichts (in fahrbereitem Zustand) von 1495 Kilogramm. Das sind 60 Kilogramm mehr als ein Cayman S und sogar 400 Kilogramm mehr als ei­ne Alpine A110, die allerdings nur 252 PS leistet. Das Mehrgewicht bleibt unterwegs und auch bei den Fahrleistungen unbemerkt: Das Dreiliter-Sechszylinder-Turboaggregat mit 340 PS beschleu­nigt das Coupé in 4.3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und die Höchstgeschwindigkeit wird elektronisch auf 250 km/h begrenzt.

Das Auto hat eine perfekte Gewichtsverteilung, 50 Prozent lasten auf jeder Achse. Mit 1495 Kilogramm bringt der Japaner insgesamt fast 400 Kilo mehr als die Alpine A110 auf die Waage.

Ausgewogenes Mehrzweck-Coupé
Schon nach wenigen Kilometern spürt man die Leichtigkeit, mit welcher der Supra durch den ur­banen Verkehr rollt. Der Sportler reagiert sanft und schon fast diskret auf die Fahrbefehle. Die grosse Überraschung liefert die komfortable Fede­rung, welche Unebenheiten geschmeidig meistert. Das Ganze unterstützt von einer leichtgängigen Lenkung. Mit einem vernünftigen Fahrstil wird der kleine GT sogar zu einem alltagstauglichen Auto. Die (ebenfalls von BMW stammende) Automatik schaltet ihre acht Gänge sehr rücksichtsvoll.

Das Interieur ist zweifellos der Bereich, der aufgrund der Anordnung der Bedienelemente die markantesten Ähnlichkeiten mit demjenigen des BMW Z4 aufweist.

Wehe wenn…
Aber das Bild ändert sich, sobald man auf dem Antriebstunnel den Sport-Modus wählt: Toyota bietet dem Fahrer ansonsten keine weiteren Fahr­programme. Im Sport-Modus schiesst der härter abgestimmte Toyota wie verwandelt aus den Start­löchern, der Motor dreht stimmungsvoll hoch, be­vor der nächste Gang mit (zu leisen) Donnerschlä­gen eingelegt wird. Dies erfolgt durch ein bis in den Innenraum spürbares Ruckeln. Allenfalls kann man ihm ein etwas zögerndes Reaktionsvermögen beim erneuten Beschleunigen vorwerfen, was aber anhand der Schaltpaddel am Lenkrad rasch unter­bunden wird. Bei nochmals erhöhter Schlagzahl glänzt der Japaner durch seine spielerische Freu­de: Schnelle Kurven werden spurtreu durcheilt, Spitzkehren einfach gemeistert, und die Agilität bestätigt sich immer aufs Neue.So vertraute uns Toyota sein Sportmodell auf der hügeligen Rennstrecke von Jarama (E) an. Sie bietet zahlreiche technisch anspruchsvolle Passa­gen mit Hineinbremsen in die Kurve, schräge Kur­ven und vieles mehr. So kann man sich an den Grenzbereich herantasten, wobei das Coupé seine Reaktionen immer ankündigt. Traktion und Handling des Supra bleiben dank hinteren Sperr­differenzials und der ausgezeichneten (serienmässigen) Michelin-Pilot-Supersport-Reifen stets spie­lend leicht zu beherrschen, auch bei ausgeschalte­tem ESP. Es kommt nie zu unberechenbaren Re­aktionen, sodass auch ein unerfahrener Pilot sein Sportgerät sicher beherrschen kann. Auf der Renn­strecke wäre eine etwas direkter ansprechende Lenkung mit mehr Rückmeldung sowie eine stär­kere Verzögerung wünschenswert. Aber klar: Toyota feiert eine gelungene Rückkehr mit einem Supra, der eine der grossen Überraschungen des Jahres ist!  

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