Wer draussen vor dieser Industriehalle im Stadtteil Limmer von Niedersachsens Hauptstadt Hannover (D) steht, ahnt nicht, was ihn gleich empfangen wird. Klar, es gibt da dieses Schild „Bulli Klassik Tour“ mit entsprechendem Logo, aber dann ist man doch überrascht. Oder je nach Zuneigung zum Transporter von Volkswagen auch entzückt. Man wähnt sich in einem „Bulliseum“ Auf einer Fläche von 1500 m2: „Unsere Sammlung ist aber kein Museum, sondern ein Mittel des Konzerns im Rahmen von Kommunikation und Marketing“, präzisiert Tobias Pfeiffer, Tourguide bei Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer. Diese Fahrzeuge sind an Messen präsent oder beteiligen sich an Oldtimer- Events. Zudem können einige von ihnen auch gemietet werden.
Wunderschöne Sofie
Das Konzept der Sammlung mit über 100 Bullis aus sechs Generationen VW Transporter steht unter dem Motto „Erleben – erinnern – erhalten“. Eines dieser Exponate, welches für die Tradition dieses Nutzfahrzeugs im herkömmlichen Sinne (s. Artikel rechts) steht, ist die Sofie. Sie ist ein T1 Kastenwagen (4-Zylinder- Boxermotor mit 1131 cm. und 25 PS) Bulli à gogo Die Besucher werden in Hannover-Limmer von Sofie empfangen, der T1 ist das älteste Exemplar der Sammlung (o. l.). Die Exponate sind zumeist hübsch in Szene gesetzt, so wie der T1 Westfalia Campingwagen von 1965 (o. r.). Unten links wird ein Bulli sorgfältig instandgestellt, daneben das Atacama- Concept-Fahrzeug. aus dem ersten Herstellungsjahr und lief im August 1950 rund fünf Monate nach Produktionsbeginn im Werk Wolfsburg vom Band. „Weltweit gibt es nur noch drei ältere T1, doch diese befinden sich in einem weniger originalen Zustand als Sofie“, sagt Tobias Pfeiffer zu diesem Bulli-Prachtsexemplar. Der Guide berichtet, dass Sofie – der Name wurde ihr damals vom dänischen Importeur verliehen – noch so gut erhalten ist, weil sie für eine Hutfabrik in Dänemark Mode und Hüte transportierte und man mit ihr entsprechend pfleglich umging. Dann wanderte der T1 mit einem originalen Verkaufspreis von 5850 DM bereits 1973 in ein dänisches Museum, bis er 1992 in Dänemark verkauft wurde und die Besitzer das originale Erscheinungsbild wieder herstellen liessen.
Ausstellung und Atelier
Die seit Oktober 2017 öffentlich zugängliche Sammlung, die von vorangemeldeten Gruppen besichtigt werden kann, entstand aus dem 2007 lancierten Bereich Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer. Im Jahr 2012 bezog man die Halle am jetzigen Standort mit einer Gesamtfläche inklusive einer umfassenden Werkstatt von 7000 m2. Die Kollektion enthält nebst Sofie quasi jedes Highlight aus der Geschichte des Bullis. Und die Macher der Bulli Klassik Tour in diesem Industriekomplex unweit des Stichkanals in Hannover-Limmer legen Wert darauf, dass die Autos hier möglichst original sind. Dieselbe Devise gilt übrigens auch für die der Ausstellung angeschlossene Werkstätte – oder viel mehr Manufaktur. Dort werden nicht nur die Fahrzeuge der Sammlung aufbereitet, sondern auch Bullis von Kunden. „Bei uns wird nicht gespachtelt. Löcher aufgrund nicht originaler Anbauteile etwa werden verzinnt. Oder wir formen Metallelemente nach, wenn wir sie nicht im umfangreichen Teilelager haben. Die Autos sind dann besser als neu“, verrät Tobias Pfeiffer. Von den rund 20 Mann des Teams ist ein Dutzend in der Werkstatt beschäftigt. Keine Hand legte man offensichtlich an einem T1 von 1951 (s. Spalte) an. Dieser einst blaue Kastenwagen mit weissen Stossstangen stand zwischen 1974 und 2013 vergessen in einer Tiefgarage am Bodensee. Bis heute sind an ihm die Pegelstände diverser Hochwasser ablesbar. Und auch an den Prototypen der Sammlung wurde nichts gemacht. Der Porsche B 32 von 1985 auf Basis eines T3 Caravalle Carat mit seinem 3.2-Liter- Sechszylinder-Boxer (231 PS) zum Beispiel sowie die Crafter-Studie Concept Atacama von 2006 mit kurzem Radstand pr.sentieren sich so, wie sie einst gebaut wurden und nie ihre Verbreitung auf der Strasse fanden. Und sie vermögen deshalb auch zu überraschen.
Ikone der Ikonen
VW Bus Man sieht ihn überall, den T1 genannten VW Bus der ersten Serie. Gebaut wurde er vom Frühling 1950 bis zu den Sommerferien 1967, in Brasilien gar bis 1975.
Kaum ein anderes Auto hat es auf so viele T-Shirts, Blechdosen, Strandtücher, Schulheftumschl.ge und dergleichen geschafft wie der bescheidene Transporter aus Wolfsburg (D), der seit 1956 in einem eigenen Werk in Hannover (D) produziert wird. Symbol mit vielerlei Bedeutung Der VW Bus ist heute ein positiv besetztes Symbol des Aufbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg und der Freizeitbewegung. Als Hippie-Bus spielte er in Europa weniger eine Rolle. Er war schlicht ein robuster und preisgünstiger Wagen, mit dem man nicht nur fast überall hinkam, sondern in dem man auch noch n.chtigen konnte – oder seine Freude und Familie samt Hund und Katz’ mitnehmen. Dass ihm, der auch als Krankenoder Leichenwagen, Handwerkerfahrzeug oder Polizeiwagen gedient hat, der alle guten und schlechten Seiten des Lebens kennt, heute so viel Gutes nachgesagt wird, ist aussergew.hnlich. Die harten Arbeiter sind l.ngst vergangen, w.hrend sich die wenigen, privilegierten Freizeitvarianten dank pfleglicher Behandlung als Kombi oder gar Campingbus weit l.nger auf der Strasse haben halten k.nnen. Diese VW Busse waren schon immer positiv besetzt und haben es geschafft, ein ebensolches Bild auf alle Vertreter der Gattung VWBus zu projizieren. Kommt hinzu, dass sie simpel zu fahren und pflegen sind wie am ersten Tag. Ersatzteile gibt es in rauhen Mengen und zu moderaten Preisen – nicht wegen, sondern trotz der zeitweiligen Politik von VW. Und selbst Sumpfleichen k.nnen heute wiedererweckt werden. Zudem ist die Liebhaberszene der luftgekühlten VW Busse weltumspannend. Sie reicht von den USA bis in den fernen Osten, von den finnischen W.ldern bis nach Südafrika. Ja, es werden absurde Preise bezahlt für gewisse Modelle. Aber die Wagen sind robust. Und vielseitig. Und liebenswert. Wenn es ein Auto in den Himmel schafft, dann ist es ein VW Bus.