Mit dem Wahlspruch «Electric for all» (Elektrisches für alle) hat sich der Volkswagen-Konzern nicht weniger als eine Art Neuauflage der ursprünglichen, heute lieber der Vergessenheit überlassenen, Idee des KdF-Wagens (Kraft durch Freude) aus den 1930er-Jahren auf die Fahne geschrieben – des E-Autos fürs Volk, für jedermann also. Christian Senger, Leiter der Baureihe E-Mobility bei VW, bringt es auf den Punkt: «Wir bauen Autos für Millionen, nicht für Millionäre.»
Der wirtschaftliche Druck
Angespornt durch die Steigerung der weltweiten E-Auto-Verkäufe 2017 um 64 Prozent – in China warens letztes Jahr in absoluten Zahlen fast 800 000 NEVs (New Energy Vehicle, Fahrzeuge mit alternativem Antrieb) – sowie dem Druck rigoroser Emissions- und Verbrauchsvorgaben von Seiten der Öffentlichkeit nachgebend, plant der VW-Konzern mit seiner ID-Reihe ab übernächstem Jahr 150 000 und bis 2025 jährlich eine Million E-Fahrzeuge abzusetzen. Dazu werden sechs Milliarden Euro in die E-Mobilität investiert, davon 1.3 Milliarden in die deutschen Komponentenwerke Braunschweig, Salzgitter und Kassel.
Erfolg dank Baukasten
Bereits mit seinem überaus erfolgreichen Modularen Querbaukasten (MQB) hat VW bewiesen, dass eine Systematisierung und Modularisierung des Entwicklungs-und Produktionsprozesses immense Vorteile bringt. Der 2012 eingeführte MQB ersetzte als technisches Fundament konzernweit die bisherigen Plattformen, und Fahrzeuge aller Konzernmarken wurden auf seiner Basis gebaut. Nach einer – wohl in Teilen auch dem Zeitgeist geschuldeten – turbomässigen Umnutzung des für Verbrennerautos entwickelten MQB zur Lancierung des E-Golf 2014, welcher seither in Wolfsburg (D) sowie der gläsernen Manufaktur in Dresden (D) in rund 150 Einheiten pro Tag produziert wird, war es nun an der Zeit, die Plattformidee aufs nächste Level zu heben.
VW an einem Wendepunkt
Für Thomas Ulbrich, Leiter Vorstandsressort Elektromobilität bei VW, ist klar: «Der Elektro-Baukasten MEB ist das wohl wichtigste Projekt in der Geschichte von Volkswagen, ähnlich wie der Übergang vom Käfer zum Golf. Er ist die Basis für konzernweit mehr als zehn Millionen E-Autos innerhalb der ersten Welle und ebnet unseren Weg ins Elektrozeitalter».
MEB
Mit dem Modularen E-Antriebsbaukasten (MEB) überträgt der Wolfsburger Konzern konsequent seine Plattformstrategie in die E-Welt. Der MEB wurde von Anfang an komplett auf reine E-Autos ausgelegt und bildet damit nicht nur die technische Matrix für alle Modelle der ID-Familie von VW, sondern auch für viele Stromer der Konzernmarken Audi, Seat, Škoda und VW-Nutzfahrzeuge. Mithilfe des MEB werde die Fahrzeugarchitektur neu definiert und man erreiche einen deutlichen Fortschritt beim Raumgefühl, erläutert Christian Senger die Grundidee. Alle ID-Modelle würden schnellladefähig sein, und Fahrzeugkonzept sowie Design könnten flexibler denn je gestaltet werden. Man habe eine Bandbreite zur Verfügung, welche vom Kompaktauto über das SUV bis hin zum Van reiche. Dank eines Design for Manufacturing, einer von Anfang an auf effiziente Produktion optimierten Plattformarchitektur, werde der VW-Konzern Skaleneffekte erzielen und so das E-Auto günstiger, eben für Millionen erschwinglich machen können. Die grosse Flexibilität des MEB resultiert auch aus dem neu entwickelten, skalierbaren Batteriesystem, mit welchem Reichweiten von 330 bis 550 Kilometer nach WLTP realisiert werden können. Abhängig von der zu einem gegebenen Zeitpunkt besten Batteriezellentechnologie (s. Tabelle) kann dieselbe physische Plattformstruktur mit den jeweils geeignetsten Zelltypen bestückt werden. Alle konstruktionsrelevanten Schnittstellen bleiben dabei dieselben. Ebenfalls Teil des MEB-Universums ist die neue End-to-End-Elektronik-Architektur (E3), welche auf eine update-fähige Hard- und Software sowie das neue Betriebssystem vw.OS setzt. Ein Konstruktionsprinzip, das der E-Autofahrer am Tesla Model S seit dessen Einführung im Jahr 2012 schätzen gelernt hat.
Am Ende des Tages gehts nur ums Laden
Michel Vlahov, E-Mobility & Infrastructure bei VW, weiss, dass der Erfolg der E-Mobilität vom Laden, der Reichweite und vom Preis abhängen. Es muss möglich sein, überall, jederzeit und einfach den Fahrakku aufzufüllen. Dazu ist VW zusammen mit BMW, Daimler und Ford Mitglied im Joint Venture Ionity, welches ein Netz von öffentlich zugänglichen 350-kW-Schnellladestationen im Abstand von 120 Kilometern entlang der europäischen Hauptverkehrsachsen aufbaut. Ziel ist es, die E-Mobilität langstreckentauglich zu machen. Künftig zapft man an den Ionity-Säulen pro Minute Strom für zehn Fahrkilometer. Noch existieren allerdings keine E-Autos, die einen Gleichstrom- Druck von 350 kW verarbeiten können (der neue Audi E-tron zum Beispiel absorbiert maximal 150 kW). Insgesamt braucht es bis 2020 allein in Deutschland 200 000 Ladepunkte, welche aber natürlich nicht alle schnellladefähig sein werden. Dazu zählen auch alle 4000 VW-Händler in der EU, welche eine Ladestation erhalten. Gute Nachrichten für uns: Die Schweiz soll als erstes Land bis Mitte nächsten Jahres über ein komplettes Netzwerk von – in unserem Fall acht – HPC-Stationen (High Power Charging, Schnelllader) der Firma ABB verfügen.
Danken für Ihren Artikel!
Ich freue mich, dass Elektroautos jedes Jahr werden immer häufiger. Einige meiner Bekannten haben solche Autos gekauft. Ich hoffe, dass die meisten Autos in naher Zukunft elektronisch sein werden.
Elektroautoindustrie im Deutschland wird mit den Energieversorgern zusammenarbeiten sollen, da die Strom-Infrastruktur halt von der Energieversorgungsunternehmen abhängt. Aber kommt die Frage, wer die Kosten übernimmt, denn es gilt immer noch das Henne- und Ei-Prinzip auf dem Markt der Elektroautos: Werden so wenig gekauft, weil es keine elektrische Infrastruktur gibt, oder gibt es diese nicht, weil sie sich für so wenig Elektroautos nicht rentiert? In jedem Fall könnte es teuer werden: für die Kunden, die Fahrer der Elektroautos.