VW Touareg: Flaggschiff auf Kurs

NOCH REIFER: In der nun 3. Generation ist der Touareg, das Topmodell von Volkswagen, mehr denn je dem Luxus zugetan als dem Gelände. Und er strotzt nur so vor innovativer Technik.

© VW

Die Ausgabe 2018 des VW-Flaggschiffs Touareg ist in See gestochen. Nach der statischen Präsentation im März in Chinas Hauptstadt Peking (vgl. AR 13/2018) konnte man nun das Edel-SUV kurz vor seinem Auslieferungsstart im Juni auf der Strasse erproben.

Doch zuerst ein Blick zurück: Die erste Auflage ab 2002 mit dem V10-TDI (230 kW/313 PS und stolzen 750 Nm) setzte damals als gemeinsame Entwicklung mit dem Porsche Cayenne bei Volks­wagen neue Benchmarks. Namentlich verfügte sie dank Luft­federung, dem 4Motion-Allradantrieb sowie einem Reduktionsgetriebe insbesondere über eine bemerkenswerte Geländetauglichkeit. Ab 2010 kamen dann mit der verlängerten 2. Generation namentlich diverse Assistenzsysteme hinzu.

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Luxuriös und mit grossem Kofferraum

Nun geht es um den Touareg III, und dieser hebt sich von seinen Vorgängern durch mehr Ecken und Kanten ab. Waren die Vorfahren in ihrer Form noch eher rundlich, lässt er heute die Muskeln spielen und macht auf Dynamik. Mit moderatem Wachstum von 4.4 cm in der Breite und 7.7 cm in der Länge wirkt der Touareg nun eleganter. Obwohl es beim Neuling analog der Preisklasse weniger um reinen Nutzwert geht, ist das Wachstum des Kofferraums um 113 Liter zu betonen. Bei hochgeklappten Fondsitzen gibt es ein Volumen von 810 l, bei abgeklappten Rücksitzlehnen sind es 1800 l.

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Was beim Neuling dafür in den Hintergrund rückte, ist die Geländetauglichkeit – es gibt zum Beispiel kein Reduktionsgetriebe. Dafür wird mehr denn je der Luxus betont und noch mehr Assistenzsysteme sind verfügbar. Ganz das Flaggschiff der VW-Palette eben. Entsprechend wird das In­terieur von Glasflächen, Echtholzapplikationen, Leder sowie Aluminium- und Chromdetails dominiert. Der Einstiegspreis für den seit März bestellbaren und ab Ende Juni ausgelieferten neuen ­Touareg liegt bei Fr. 69 900.– (Variante «Basis» mit 3.0-V6-TDI, 231 PS). Zu deren Ausstattung gehören unter anderem das Umfeldbeobachtungssystem «Front Assist» inkl. City-Notbremsfunktion, der Spurhalteassistent «Lane Assist», «Park Pilot»-Einparkhilfe, LED-Scheinwerfer mit LED-­Tagfahrlicht und eine Fussgängererkennung mit aktiver Motorhaube. Zudem hat dieses Einstiegsmodell das Navigationssystem «Discover Pro» (mit 9.2-Zoll-Touchscreen inkl. Annäherungssensor sowie Gestensteuerung), einen adaptiven Tempomaten und beheizbare Vordersitze an Bord.

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Warm, technisch oder sportlich

Noch reichhaltiger dotiert sind die weiteren Ausstattungsvarianten «Elegance» und «Atmosphere» ab je Fr. 76 400.–. Gemäss den VW-Marketing-Überlegungen soll dabei die erste Variante eine «warme Welt» verkörpern, was unter anderem mit Dekorleisten in Edelholz (Esche/Walnuss) unterstrichen werden soll. Die Variante «Elegance» ihrer­seits charakterisiert sich nebst Birkenholz über Leisten in gebürstetem Aluminium. Hinzu kommt noch sportlich angehauchte «R-Line», die ab Fr. 79 400.– erhältlich ist. Egal in welcher Ausstattung, was einem im Interieur sofort auffällt, ist der Umstand, dass sich in Sachen Bedienung viel getan hat. So verfolgte man den Grundsatz, die Anzahl der Knöpfe und Schalter auf ein Minimum zu reduzieren. An deren Stelle, das ist abhängig von der bestellten Ausstattung, hielten grosszügige digitale Flächen mit Touchfunktion Einzug.

Diese Digitalisierung brachte auch das bei VW neue «Innovision Cockpit» (Fr. 3030.–). Dessen Hauptbestandteil ist ein 15 Zoll grosser und in Kurvenform (curved) ausgestalteter Touchscreen des Top-Infotainment-Systems «Discover Premium», in das der Grossteil der Bedienfunktionen integriert wurde. Über diesen Bildschirm werden somit auch Funktionen wie die Steuerung der Vierzonenklimaanlage sowie die Betätigung der in den Sitzen integrierten Funk­tionen Heizung, Belüftung und Massage aus­geführt.

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Auf Knopfdruck stumm

Zwar kann mit Blick auf sicherheitsrelevante Vorgänge darüber diskutiert werden, ob es Sinn macht, dass derart viele sehr zentrale Vorgänge über den Touchscreen erfolgen, was eine entsprechende Anzahl an Bedienschritten erzeugt, doch immerhin wurde etwa für die Regelung der Lautstärke des Infotainment-Systems zwischen den Sitzen noch ein analoger Regler platziert. Wird der Regler gedrückt, schaltet das System auf stumm (mute).

Zum «Innovision Cockpit» gehören ferner die volldigitalen Fahrinstrumente, welche auf einem eigenen Display mit einer Grösse von 12 Zoll direkt­ gut im Blickfeld angezeigt werden. Ferner ist für 1300 Franken ein Head-up-Display bestellbar. ­Generell bietet das «Innovision Cockpit» die Anzeigen in einer sehr guten Qualität, und es ist trotz der schieren Grösse harmonisch in den Instrumententräger integriert. Darüber hinaus bietet es eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Individualisierung analog einem Smartphone (Kacheln), doch seine Bedienung könnte gut noch intuitiver sein. Man benötigt eine gehörige Angewöhnungszeit. Wie es um das Ablenkungspotenzial steht und wie sich der Verzicht auf fast sämtliche Knöpfe und Tasten auswirkt, kann nur ein ausführlicher Praxistest aufzeigen.

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Assistenten für alle Situationen

Zwar konnte man bei der Fahrpräsentation in Österreich den neuen VW Touareg in der Praxis erleben, doch ein noch eingehender Feldversuch muss namentlich im Zusammenhang mit den Assistenzsystemen weitere Erkenntnisse liefern. Was im östlichen Nachbarland zu erleben war, ist der für VW innovative Nachtassistent «Nightvision» (Fr. 1830.). Er basiert auf einer Wärmebildkamera, welche die von Lebewesen erzeugte Infrarotstrahlung registriert. Zum einen werden die erkannten Personen und Tiere in einer Schwarz-Weiss-Darstellung je nach vorhandenem Risiko gelb oder rot markiert, zum anderen werden sie durch die LED-Matrixscheinwerfer (Fr. 2060.–) kurz angeblitzt.

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Was sich beim kurzen Probegalopp in Österreich ebenfalls bewährte, war der Stauassistent, der seinerseits Teil des Fahrassistenzpakets «Plus» (Fr. 2510.–) ist. Dieser übernimmt bei Langsamfahrt im Baustellenbereich vorübergehend Lenk- und Bremsarbeit. Bei einer Wagenbreite von 2.13 m (inkl. Spiegel, sonst 1.98 m) ist das gewiss willkommen. Bei dieser Arbeit verlässt sich der Touareg auf diverse Sensoren wie etwa die 3-D-Kamera und die Ultraschallsensoren sowie das Frontradar. Fehlen aber Markierungen oder sind sie nicht erfassbar, dann droht ein Scheitern des Assistenten. Darum sollte man sich immer zum Eingreifen bereithalten.

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Topgestühl

Dem nun noch gesteigerten Premiumanspruch kommt der Touareg nebst vielen anderen Belangen sicher auch bei den Frontsitzen nach. So sind die ab der zweiten Ausstattungsvariante «Elegance» eingebauten Ergo-Komfort-Sitze mit dem Label «Ak­tion gesunder Rücken» (unter anderem bekannt von Opel-Modellen) ausgezeichnet worden. Diese Sitze bieten in Verbindung mit Lederausstattung gegen einen Aufpreis von Fr. 1260.– nebst den elek­trischen Einstellmöglichkeiten auch eine neue, pneumatische Massagefunktion. Diese kommt im ­Touareg erstmals zum Einsatz.

Zum Verwöhnen des Rückens stehen acht Programme zur Wahl. Umgesetzt werden die pneumatischen und in der Intensität stufenlos einstellbaren Massagefunktionen über einzelne Luftpolster. Es ist eine Wohltat, sich die Massage – sie ist in die drei Bereiche Rücken, Lende und Schulter eingeteilt – in der gewünschten Intensität zugute kommen zu lassen. Wer sich über den Sitz eher lieber erfrischen lassen will, der kann für 960 Franken die aktive Klimatisierung bestellen. Beim Fond sicher positiv zu erwähnen ist die bereits in der Basisversion in der Neigung (dreistufig um bis zu 21 Grad) verstell­bare Rücksitzlehne und sowieso die um 16 cm verschiebbare Rückbank, die sich asymmetrisch teilen lässt.

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Zum Start nur Diesel-Aggregate

Das Motorenangebot umfasst zum Start zwei 3.0-L-V6-Diesel mit 170 kW/231 PS bzw. 210 kW/ 286 PS. Beide haben Dieselpartikelfilter und einen selektiven Stickoxid-Katalysator mit AdBlue (SCR) und erfüllen die strenge Emissionsklasse Euro 6d-Temp. Voraussichtlich ab Juli soll dann ein Benziner (3.0-V6-TSI, 250 kW/340 PS) bestellbar sein; seine Markteinführung ist für Oktober 2018 geplant. Im Jahr 2019 soll dann ein 4.0-V8-Turbodiesel mit einer Leistung von 310 kW/421 PS folgen. Der V8-Diesel wird sich dann vor allem auch über sein riesiges Drehmoment auszeichnen, dieses wird beachtliche 900 Nm betragen. Zumindest für den wichtigen chinesischen Markt soll 2019 ein Plug-in-Hybrid (270 kW/367 PS) angeboten werden.Wann dieser dann in Europa debütiert, ist derzeit noch nicht bekannt. Die in diesem Jahr erscheinenden Motorisierungen verfügen über ein 8-Gang-Automatikgetriebe mit «Shift by Wire»-Schaltung, dies in Verbindung mit dem bewährten 4Motion-Allradantrieb. Ferner beträgt die gebremste Anhängelast 3500 kg.

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Ein Highlight des neuen VW Touareg – er steht auf der MLB-Evo-Plattform, auf welcher auch Audi Q7, Bentley Bentayga, Porsche Cayenne und das Lamborghini-SUV Urus aufgebaut sind – ist das Fahrwerk. Interessant, wenn man bedenkt, dass das SUV um 106 Kilo leichter wurde. Und auch hier kann der Reigen noch komplettiert werden. So kann man für 1960 Franken die Luftfederung bestellen, diese spricht besonders auf lange Wellen im Belag betont weich an. Die Allradlenkung ihrer­seits – ein Novum bei VW – gibt es im Paket mit der Luftfederung für Fr. 2860.–. Bei ihr schlagen unterhalb von 37 km/h die Hinterräder im entgegengesetzten Winkel zu den Vorderrädern ein, der Touareg hat so einen um einen Meter reduzierten Wendekreis von 11.19 m. Darüber hinaus verleiht sie dem nun knapp 2 Tonnen schweren Fahrzeug eine gewisse Leichtfüssigkeit. Bei unserer Probefahrt in Österreich dafür als störend taxiert wurde ein nicht optimales Ansprechverhalten. Zwar ist der V6-TDI gerade in der Ausführung mit 286 PS so souverän wie kräftig, doch die Leistungsentfaltung beim unmittelbaren Übergang vom entlasteten Schubbetrieb in die Beschleunigungsphase ­etwa beim Tempoaufnehmen aus einem Kreisel heraus oder zum Überholen enttäuschte. Dass der Gasbefehl nicht wie gewünscht spontan umgesetzt wird, wurde beim Medientermin mehrfach moniert und soll laut einem VW-Sprecher auf die Einstellungen zugunsten der Abgasnorm Euro 6d-Temp zurückzuführen sein. Für besagtes Phänomen sei nicht ­etwa die 8-Gang-Automatik, sondern ein zu diesem Zeitpunkt notwendiger Verbrennungsprozess bei der Abgasreinigung verantwortlich. Diese Verzögerung ist beim sonst souverän wirkenden und sonor hochdrehenden 286-PS-Diesel nicht weiter dramatisch, weil die Automatik zwar vielleicht nicht sauschnell, aber geschmeidig agiert. Dieses Oberklasse-SUV ist auch für raue See gerüstet.

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