Da haben wirs, Lotus bringt bereits wieder ein Update eines ihrer Modelle. Diesmal ist es der Exige. Nach einer Reihe von limitierten Modellen wie dem Cup 380 und dem ultimativen (und preislich deutlich abgehobenen) Cup 430 nahm sich das Werk in Hethel (GB) dem Produktionsmodell Sport 380 an und ersetzte es kurzerhand mit einem stärkeren Nachfolger. Der neue, reguläre Top-Exige heisst jetzt Sport 410 und leistet in der Tat 410 BHP oder 416 PS. Zudem übernimmt der neuste Exige einige Modifikationen des Cup 430. Ein Schritt, der angesichts des betriebenen Aufwands für den in nur 60 Exemplaren gebauten Cup 430 durchaus Sinn macht. So liegt nun auch beim 410 der Ladeluftkühler vorne im Wagenbug, und auch das Nitron-Fahrwerk mit von Hand verstellbarer Zugdruckstufe in Kombination mit verstellbaren Eibach-Querstabilisatoren vorne und hinten entspricht dem des Cup 430. Allerdings ist die Abstimmung entsprechend der weniger kompromisslos auf Abtrieb gestalteten Aerodynamik etwas gutmütiger und näher am Stras-sen- als am Pistenoptimum.
So zumindest lautet der theoretische Teil zum Sport 410, sachlich und nüchtern beschrieben. Vielleicht braucht es diese Ausführungen sogar, um für das Auto neues Interesse zu generieren. Aber viel direkter und unverblümter spricht der Lotus Exige Sport 410 selber – mit seinen ihm ureigenen Mitteln: schierer Beschleunigung in weniger als 4 Sekunden, mit einer Strassenlage, die oft weit mehr zu leisten vermag als die Person am Steuer, und mit Bremsen von AP, die sich mit allem messen dürfen, was sonst wo in Strassenautos eingebaut wird.
Schneller voraus
Nun, diesen Fahrbericht zu lesen, braucht mehr Zeit, als der Exige Sport 410 in Anspruch genommen hat, um uns von seiner Idee zu überzeugen. Dabei steht am Anfang durchaus gerechtfertigt die Frage: Warum denn jetzt schon wieder ein neuer Lotus? Die Antwort liegt im Bestreben, dem Cup 430 ein moderateres Modell hinzuzufügen und die Leistungswerte auf einen Schwellwert zu bringen, an dem der Exige mit seiner Konkurrenz (zumindest auf dem Papier) verglichen wird.
Doch was heisst schon moderat? Der Exige ist so moderat wie das Outfit der Queen, wenn sie das Parlament im House of Lords eröffnet. Nein, auch der aktuellste Exige ist eine kompromisslose Fahrmaschine. Aber schon die Tatsache, dass es diesen Exige auch als Roadster mit abnehmbarem Stoffdach zu bestellen gibt, zeigt der Wille nach mehr Komfort und Genuss – zumindest für die Fahrt zur Rennstrecke.
Das fehlende Dach lässt nicht nur die Sonne rein, es sorgt für die ungefilterte Wahrnehmung der Auspuffgeräusche des uns zur Verfügung gestellten Exige mit Titanabgasanlage. Der Toyota V6 mit Edelbrock-Kompressor liefert den nötigen Schnauf dafür, auf dem edlen Rohrwerk, welches es beim 410 im Gegensatz zum 430 nur als Option gib, so richtig ordentlich eine ganze Sinfonie von Motorgeräuschen zu blasen. Derweil wundert man sich, warum der Exige Sport 410 Innerorts zahm wie ein Familien-SUV vor sich hinsurrt, während er auf der Landstrasse mit entsprechenden Drehzahlen regelrecht zum Angriff bläst. Laut Lotus steckt da keine (nicht mehr erlaubte) Auspuffklappe dahinter, sondern ein System, welches «den Motor bei höheren Drehzahlen schont». Nun, braucht man da extra nachzufragen? Das Ganze ist homologiert und abgenommen und Teil des Exige-Suchtfaktors.
Grinsen inklusive
Die ersten Meter der Probefahrt über die Landstrasse – typisch englische B-Roads im ruralen Norfolk (GB) – lassen keinen Zweifel: Bei Lotus hat man nochmals einiges an Feintuning in den Wagen investiert. Wie direkt mit dem Hirn verbunden, liegt der trocken nur 1054 kg schwere Wagen auf der Strasse und folgt den Befehlen am Lenkrad so unmittelbar wie ein Gokart. Die Intuition lenkt im Exige kein Inboard-Unterhaltungssystem, sondern das ganze Auto, und dieses quittiert jede Eingabe über Gas, Bremse und Lenkung mit direkter Response und einem messerscharfen Handling. Dank geringem Gewicht verzeiht der Wagen (ohne ASR) auch Fahrfehler und schmeichelt jedem, der hinter dem Lenkrad sitzt. Ob man will oder nicht, irgendwann bringt der Exige Sport 410 selbst den grössten Griesgram am Steuer dazu, sich das typische Lotus-Grinsen aufzusetzen.
Manieren bei Sport und Spiel
Natürlich wird der Exige in seltenen Fällen als Gebrauchsauto dienen, aber er bietet die elementarsten Komfortmerkmale. Er ist sogar derlei gut ausgewogen, dass die Fahrt mit ihm nie anstrengend wirkt, eher erfrischend. Und man kann im Exige 410 entspannt längere Wege zur Rennstrecke fahren, um hier nach einigen Klicks am verstellbaren Fahrwerk sich seine Abstimmung anzupassen, den Helm aufzusetzen und einen Trackday zu bestreiten. Es tönt recht unglaubhaft, aber mit diesem Auto lassen sich längere Distanzen so zurücklegen, dass man selbst am Zielort noch eine gute Falle macht. Da spielt das leichte Gewicht und die in typischer Lotus-Manier sehr «arbeitsfreudige» Aufhängung eine wichtige Rolle. Der Exige Sport 410 ist kein bretthart gefederter Rennhobel.
Erfolgsmodell
82 Lotus konnten die Schweizer Händler im vergangenen Geschäftsjahr hierzulande absetzen. Der Exige gehört im Modell-Line-up von Elise-Exige-Evora zu den eindeutigen Favoriten. Der Exige Sport 410 dürfte diese Position noch bekräftigen, denn das Package stimmt, sowohl auf dem Papier wie auf der Strasse und auf der Rennstrecke.
Zum 70-Jahr-Jubiläum haben die Autobauer aus Hethel noch nicht das grosse Feuerwerk gezündet, dazu ist es laut CEO Jean-Marc Gales noch zu früh im Prozess der Integration von Lotus in den neuen Mutterkonzern Geely. Aber die Tatsache, dass die kleine Manufaktur erneut in der Gewinnzone operiert, ist ein wichtiges Geburtstagsgeschenk für die Marke von Gründer und Rennwagen-Genius Colin Chapman.