Rot und offen, so sollen Autos für junge Leute sein. Der Seat 850 Spider, hierzulande ein besonders rares Stück, da der spanische Lizenznehmer der Turiner Autobauer Fiat keine Erlaubnis zum Export in die Schweiz hatte damals, vereint alle Attribute, die man einem jugendlichen Fahrzeug zugesteht: Er ist klein und handlich, der scharfe Ton des kleinen 903-Kubikzentimeter-Stossstangenmotors wirkt selbstbewusst, und die 52 PS auf knapp über 700 Kilo Eigengewicht versprühen Zuversicht. Der Spanier, der bis auf die Zeichen vom Italiener nicht zu unterscheiden ist, wird für die RAID Young Raiders Challenge durch die Neue Centrum Garage AG im aargauischen Würenlos zur Verfügung gestellt.
Deren Geschäftsführer und Inhaber Stefan Mathys hat auf unsere Ausschreibung hin gleich mit drei möglichen Old- und Youngtimern reagiert. Dass nebst dem Spider auch ein Coupé aus Spanien darunter war, ist kein Zufall. Seit 2016 ist der mittelgrosse Garagenbetrieb die Seat-Vertretung im Dorf für das Limmat- und Furttal, welches besonders dank seiner gleichnamigen Raststätte (siehe auch AR 16 zum Store74) bekannt ist. Mathys, der selber noch einige Oldtimer im Keller stehen hat, findet es nur logisch, dass, selbst wenn Seats Geschichte in der Schweiz erst mit dem Lösen der Bande von Fiat 1984 begonnen hat, es dennoch wichtig ist, die Vorgeschichte der 1950 gegründeten Sociedad Española de Automóviles de Turismo zu dokumentieren. Und was eignet sich dazu besser als ein entsprechender Zeitzeuge auf vier Rädern – oder noch besser zwei.
Im kleinen ganz gross
Dass Fiat mit kleinen Autos die Geschichte besonders beeinflusst hat, ist hinlänglich bekannt. Wer sich fragen mag, warum man den Turinern dies stets nachsagt, soll sich die beiden spanischen Klone einmal im Detail betrachten: Die Karosserie sowohl von Spider wie Coupé stammt von Bertone, doch gezeichnet hat sie Giorgetto Guigiaro, der in dieser Zeit bei den Turinern im Lohn stand. Bei einem Radstand von nur 203 Zentimetern eine fliessende Form hinzukriegen, grenzt an ein Wunder. Dennoch wirken die Autos zwar putzig, aber in ihrer Gesamtheit doch erwachsen. Dazu kommen ein Holzlenkrad, ein sonorer Auspuffton und eine Bedienung, die an Leichtigkeit kaum zu überbieten ist. Wenn ein Nachwuchsfahrer in die Autowelt der 1960er-Jahre zurückfinden soll, dann ist der 850er ein idealer Schlüssel dazu – ein Aspekt, der uns bei der Wahl der angebotenen Patenautos von grosser Wichtigkeit war. Der designierte Fahrer stammt aus einer wesentlich jüngeren Epoche, geboren just in dem Moment, als das Internet zur privaten Nutzung freigeschaltet wurde. Als «Digital Native», wie die Generation, die mit Computer und Internet aufgewachsen ist, bezeichnet wird, hat der junge Mann aus dem Luzerner Hinterland den Aufruf der AR für interessierte Nachwuchsfahrer nicht in der Zeitung, sondern via Facebook gesehen – bingo!
Interesse an der Mechanik
Michael Rölli ist Automechaniker in Richenthal. Im Garagenbetrieb wird ab und zu auch ein Auto älteren Semesters gewartet. «Da sieht man noch, wie das Kick-down-Gestänge des Automaten funktioniert. Was fasziniert, ist, wie man früher Dinge mechanisch gelöst hat, wozu heute einfach eine Elektronik zuständig ist.» Stefan Mathys und Michael Rölli stehen hinter dem Seat und werfen ihren Blick in den Motorraum. 480 Kilometer Distanz wird die RAID Young Raiders Challenge in zwei Tagen messen. Die Strecke führt von Dübendorf in die Ostschweiz und weiter nach Luzern zum Ende der ersten Tagesetappe. Am Sonntag geht es weiter nach Bern und endet bei der Oldtimer-Galerie in Toffen. Dass das Auto halten wird, da machen sich sowohl Pate Mathys wie Fahrer Rölli keine Sorgen. «Wir werden den Seat komplett durchchecken und alle Flüssigkeiten wechseln. Zudem wird er einen neuen Satz Reifen erhalten. Damit bin ich sehr zuversichtlich. Eigentlich ist an dem Auto wenig dran, was kaputtgehen könnte,» meint Garagist Mathys. Tatsächlich ist in dieser Konstellation gar eine dreifache Absicherung gegeben. Nebst der Topvorbereitung von den Profis ist auch Rölli natürlich nicht unbedarft für den Fall der Fälle. Und als letzte Möglichkeit begleitet eine TCS-Patrouille die Challenge während der gesamten Dauer.
Rallyeunerfahren
Während Michael Rölli die Mechanik nicht schreckt und ihn auch die Abwesenheit von ABS, Airbag oder ESP nicht beunruhigen – der Seat 850 hat aber immerhin schon 3-Punkt-Gurte – , so bekundet der Luzerner noch einiges an Nachholbedarf in Sachen Gleichmässigkeitsfahren. Allerdings hat die Organisation RAID und der für die Young Drivers Challenge zuständige Verantwortliche Alain Erba für Abhilfe gesorgt. Erfahrene Rallye- und Gleichmässigkeitsspezialisten stellen den Nachwuchsfahrerinnen und Fahrern ihr Know-how zur Verfügung und werden die typischen RAID-Sonderprüfungen, wie sie auch an der Challenge zu finden sind, erklären. Die nötige Hardware, etwa einen virtuellen Tripmaster, gibt es dazu als App zum Herunterladen; schöne neue Welt und Gott sei Dank genau der richtige Moment, bei dem Tradition und das digitale Zeitalter auf wunderbare Weise ineinanderfliessen. Am 5. Mai gehts los. Wir sind gespannt!